Bei Frank (Michael A. Grimm) stehen die Zeichen gerade auf Veränderung. Nicht allein, dass er aufgrund von Umstrukturierungen seine langjährige Stelle bei der Bank verloren hat. Er erleidet zudem einen Herzinfarkt, weshalb ihm geraten wird, in Zukunft deutlich kürzer zu treten. Und eigentlich wollte er das auch. Doch dann stolpert er eines Tages zufällig über einen Tangokurs und findet so schnell Gefallen daran, dass er sich von Maresa (Kara Wenham) im Tanzen unterrichten lässt. Seine Familie, die noch mit ganz anderen Problemen zu kämpfen hat, darf von seinem heimlichen Hobby jedoch nichts erfahren. Und so verrät er weder seiner Kathrin (Eva Meckbach), noch seiner Tochter Paula (Lilith Kampffmeyer) etwas davon. Von seiner Schwiegermutter Ingrid (Gaby Dohm), zu der er ein besonders schweres Verhältnis hat, ganz zu schweigen …
Stolperfalle Midlife Crisis
Irgendwann erwischt es jeden einmal und man erreicht den Punkt, an dem man sich fragt: War das jetzt schon alles? Da braucht es nicht einmal einen besonderen Anlass. Mit dem Alter kann so etwas ganz automatisch kommen. Im Fall von Tanze Tango mit mir kommen aber noch ein paar erschwerende Umstände hinzu. Der Verlust der eigenen Arbeit, weil man durch einen Algorithmus ersetzt wurde. Eine tendenziell angespannte Situation zu Hause. Und dann auch noch die gesundheitlichen Probleme. Da darf man in der Summe schon richtig unzufrieden mit der Situation sein. Zumal Besserung nicht in Aussicht ist, stattdessen stirbt mit jedem Tag die Hoffnung ein bisschen mehr.
Es ist daher nicht sonderlich schwierig, Mitgefühl für Frank zu entwickeln. Er ist ein Häufchen Elend, wenig begehrt, keiner nimmt ihn in Tanze Tango mit mir ernst oder scheint sich für ihn zu interessieren. Gleichzeitig ist er nicht der typische Sympathieträger, dem das Publikum zu Füßen liegt oder überhaupt liegen soll. Er ist nicht witzig oder übermäßig charismatisch, hat weder im zwischenmenschlichen, noch im beruflichen Bereich Stärken, für die es ihn zu bewundern gilt. Eigentlich ist er so gar nichts Besonderes. Ein typischer Durchschnittsmann in den 50ern, der so wenig bemerkenswert ist, dass man ihn kaum bemerken würde, wenn er an einem vorbeiläuft.
Gewöhnlich, aber doch irgendwie schön
Nur wenn er tanzt, blüht er auf. Die ersten Schritte mögen unbeholfen sein, doch bald entdeckt er darin eine Leidenschaft und ein Talent. Er entdeckt auch sich selbst wieder. Das ist alles schön von Michael A. Grimm (Nichts zu verlieren) verkörpert. Wenn dieser sich ganz selbstvergessen den Rhythmen hingibt und unerwartet agil die Beine schwingt, dann ist das nicht nur für seine Figur eine schöne Erfahrung. Man sieht ihm auch als Zuschauer bzw. Zuschauerin von Tanze Tango mit mir gerne dabei zu. In Frank geht das Gewöhnliche und das Besondere dann Hand in Hand. Er bietet einerseits sehr viel Projektionsfläche, lässt einen aber gleichzeitig davon träumen, dass da noch mehr möglich ist. Dass es im Leben immer etwas Neues und Unerwartetes zu entdecken gibt.
Originell ist das Ganze dabei natürlich weniger. Die ARD-Komödie ist ein typischer TV-Film, dessen oberstes Ziel gut verdauliche Unterhaltung ist, die niemanden vor den Kopf stößt. Eine typische Wohlfühlproduktion, um am Abend abschalten zu können. Da bot beispielsweise der Fernsehkollege Ruhe! Hier stirbt Lothar, bei dem es ebenfalls um die erzwungene Neuorientierung eines Mannes im mittleren Alter ging, doch noch mal ein Stück mehr, sowohl in Hinblick auf die Geschichte wie auch die Figuren. Für sich genommen macht Tanze Tango mit mir aber durchaus Spaß. So gibt es eine Reihe amüsanter Momente, gerade auch mit Gaby Dohm als biestiger Schwiegermutter. Und zum Schluss eben ein Lächeln, das sich über die Gesichter der Anwesenden schleicht – und das eigene.
OT: „Tanze Tango mit mir“
Land: Deutschland
Jahr: 2021
Regie: Filippos Tsitos
Drehbuch: Matthias Fischer, Peter Güde
Musik: José van der Schoot, Bandonegro
Kamera: Ralph Netzer
Besetzung: Michael A. Grimm, Eva Meckbach, Gaby Dohm, Lilith Kampffmeyer, Reza Brojerdi, Stephan Zinner, Kara Wenham
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