Tatort: Das fleißige Lieschen
© SR / Manuela Meyer

Tatort: Das fleißige Lieschen

Inhalt / Kritik

Tatort: Das fleißige Lieschen
„Tatort: Das fleißige Lieschen“ // Deutschland-Start: 13. April 2020 (Das Erste)

Eigentlich sollte es ein ganz feierlicher Anlass werden: Bernhard Hofer (Dieter Schaad), Leiter der traditionsreichen Tuch- und Textilfabrik „Hofer & Söhne“, tritt zurück und ernennt einen Nachfolger für das Unternehmen. Dass dieses in der Familie bleiben soll, ist klar. Am Ende fällt die Wahl auf den Enkel Erik (Gabriel Raab). Dessen Bruder Konrad (Moritz Führmann), der noch nie ein gutes Verhältnis zu seinem Großvater hatte, ist angesichts dieser Entscheidung aber außer sich vor Wut und läuft mitten aus der Feier. Erik eilt ihm noch hinterher, um ihn zurechtzuweisen, es kommt zu einem weiteren Streit. Als er am nächsten Tag ermordet aufgefunden wird, scheint die Sache daher klar zu sein: Konrad hat ihn im Streit erschlagen. Doch die Hauptkommissare Leo Hölzer (Vladimir Burlakov) und Adam Schürk (Daniel Sträßer) haben ihre Zweifel …

Aller Anfang ist schwer

So ertragreich es sein kann, zum festen Ensemble im Tatort zu gehören, so geht dies doch auch mit einem Problem einher: Es gibt so wahnsinnig viele Teams, die abwechselnd bei der ARD-Krimireihe auf Verbrecherjagd gehen, dass man sie sich kaum alle merken kann. Für die Kreativen, welche hinter den einzelnen Teams stehen, bedeutet dies, dass sie sich schon ein bisschen was einfallen lassen müssen, um bei der Masse irgendwie hervorzustechen und bestehen zu können. Gerade bei den ersten Auftritten ist das mit einem hohen Druck verbunden. Das kritische Publikum, das jeden Sonntag brav um 20.15 Uhr einschaltet, braucht schon einen triftigen Grund, will mit spannenden Geschichten und interessanten Figuren überzeugt werden.

Bei Das fleißige Lieschen, dem 1128. Film der Reihe und Auftakt des neuen Saarbrücken Tatorts, verfolgten die Entscheider verschiedene Strategien, um diese notwendige Überzeugungsarbeit zu leisten. Eine davon sind die zwei Aushängeschilder. So dürfen mit Vladimir Burlakov (Deutschland 83) und Daniel Sträßer (La Palma) nicht nur zwei der jüngsten aktuellen Hauptkommissare losziehen, sondern auch zwei der attraktivsten. Reine Pin-up-Boys zum Anschmachten sind die von ihnen verkörperten Figuren jedoch nicht. Hölzer ist ein Softie, dem es im entscheidenden Moment nicht gelingt, mit der Waffe abzudrücken. Schürk wiederum verprügelt schon mal Leute, wenn die sich seiner Meinung nach falsch verhalten.

Motzen, beleidigen und mehr

Dass zwei derartig konträre Figuren anfangs eher schlecht miteinander können, ist klar. Tatsächlich überrascht Tatort: Das fleißige Lieschen mit der Art und Weise, wie hier miteinander umgegangen wird. Die beiden Frauen im Team – Esther Baumann (Brigitte Urhausen) und Pia Heinrich (Ines Marie Westernströer) – stehen dem in nichts nach. Da wird bei der neu zusammengestellten Einheit nicht einfach ein bisschen gepiesackt oder aufgezogen. Da heißt es an einer Stelle, die andere soll ihre Fresse halten, an der anderen wird eine mangelnde Intelligenz unterstellt. Bei der Polizei wird verbal mit derart harten Bandagen gestellt, dass man sich insgeheim fragt, ob dieser Reihe überhaupt ein zweiter Teil vergönnt sein wird oder ob die sich schon beim ersten Fall gegenseitig vergrault haben.

Nun gehört ein bisschen Fremdeln am Anfang natürlich dazu. Auch dass wir erst nach und nach die Hintergrundgeschichten erfahren, ist bei solchen Auftakten üblich. Ungewöhnlich dabei; Anders als bei Titeln wie Tatort: Oskar, wo es ein langsames und unbeholfenes Abtasten gibt, da sind die beiden Hauptfiguren durch eine gemeinsame Vorgeschichte miteinander verbunden. Das funktioniert gut als Parallele zu dem eigentlichen Fall, bei dem es ebenfalls um traumatische Erfahrungen, unterdrückte Erinnerungen und finstere Geheimnisse geht. Wenn Das fleißige Lieschen ein Vorgeschmack darauf sein sollte, was einen in Saarbrücken erwartet, dann darf man sich auf jede Menge Abgründe einstellen.

Lust auf mehr

Allerdings bleibt nicht so richtig viel Zeit, um diese auch vernünftig auszuleuchten. Der Film kämpft damit – wie so viele Startgeschichten neuer Teams –, eine Einführung der Figuren und einen regulären Krimi so auszubalancieren, dass beides passt. Da hier die Zeit knapp ist, müssen die Ermittlungen schon mal etwas kürzer ausfallen. Lösungen dürfen einem in einer solchen Situation vor die Füße plumpsen. Trotz des klassischen Whodunnit-Szenarios: Rätselfans müssen sich Tatort: Das fleißige Lieschen nicht unbedingt anschauen. Die interessante Konstellation und die gute Besetzung machen aber durchaus Lust auf mehr. Der Auftritt von Gastschauspieler Dieter Schaad als Familiendespot trägt mit seiner widerwärtig-hysterischen Hasstirade zudem sehr eindrucksvoll dazu bei, dass man diesen Auftakt in Erinnerung behält. Und das muss einem auch erst einmal gelingen.

Credits

OT: „Tatort: Das fleißige Lieschen“
Land: Deutschland
Jahr: 2020
Regie: Christian Theede
Drehbuch: Hendrik Hölzemann
Musik: Dominik Giesriegl
Kamera: Simon Schmejkal
Besetzung: Vladimir Burlakov, Daniel Sträßer, Brigitte Urhausen, Ines Marie Westernströer, Anna Böttcher, Marie Anne Fliegel, Dieter Schaad, Moritz Führmann, Gabriel Raab

Bilder

Weitere Tatort-Folgen

Unsere Tatort-Kritiken

« letzte Folge nächste Folge »



(Anzeige)

In „Tatort: Das fleißige Lieschen“ ermittelt das neue Saarbrückener Team bei einem rätselhaften Mordfall in einer Familie. Der Krimi ist jedoch weniger für seinen klassischen Whodunnit-Fall bemerkenswert, sondern für die vielen kaputten Figuren, die hier so rumlaufen – und den sehr rauen Ton, der einen zuweilen ungläubig und etwas erschrocken zurücklässt.
6
von 10