Als Stephan Fürst-Bergedorff (Robert Höller) seinen Mitschülern Viktoria Scheffler (Nora Waldstätten) und Maximillian von Stein (Florian Bartholomäi), die mit ihm auf das Elite-Internat Schloss Hamberg am Bodensee gehen, droht, ihre illegalen Aktiengeschäfte auffliegen zu lassen, fackeln die beiden nicht lange. Erst besorgen sie sich von Olga Filonowa (Rosalie Thomass) Betäubungsmittel, anschließend ertränken sie den unliebsamen Zeugen im Schwimmbad des Internats. Zunächst sieht alles nach Selbstmord aus, ein Routinefall für Kriminalhauptkommissarin Klara Blum (Eva Mattes) und ihren Kollegen Kai Perlmann (Sebastian Bezzel). Doch je mehr die beiden ermitteln, umso eigenartiger erscheint ihnen die Geschichte …
Eiskalt und perfide
Bei der Kombination aus Regisseur Ed Herzog und den Schauspieler*innen Sebastian Bezzel und Nora Waldstätten dürften die meisten an die Filmreihe rund um den Provinzpolizisten Franz Eberhofer denken, etwa Grießnockerlaffäre. Mehr als eine Millionen Leute locken die Verfilmungen der Rita Falk Landkrimis schließlich jedes Jahr in die Kinos. Dabei hat das Trio schon einige Jahre zuvor bei dem Krimi Tatort: Herz aus Eis zusammengearbeitet. Auch damals schon spielte Bezzel einen Polizisten, wenngleich dieser doch seriöser und kompetenter auftrat als der gummelige Dorfbulle. Waldstätten wiederum übernahm damals die Rolle der Antagonistin, die eiskalt einen Mord begeht bzw. begehen lässt.
Eiskalt ist dann auch das Adjektiv, das die meisten benutzen würden, um die 723. Folge der ARD-Krimireihe Tatort zu beschreiben. Herz aus Eis nimmt das Publikum mit in die Welt eines Elite-Internats, in der überwiegend reiche Eltern ihre Kinder abschieben, um sich wichtigeren Dingen zuwenden zu können. Dass der Ton an einer solchen Institution gepflegt und gleichzeitig rau ist, dürfte daher niemanden überraschen. Gelernt wird dort sicherlich einiges, soziale Kompetenz gehört aber kaum dazu. Stattdessen sind die Schüler und Schülerinnen mal labile, mal perfide Nicht-Menschen, die so fernab jeglicher Realität leben, dass normale Maßstäbe nicht mehr gelten. Und damit die Zuschauer und Zuschauerinnen auch nicht übersehen können, dass es hier an Wärme mangelt, dominieren in Herz aus Eis blaue Farben.
Gut gespielte Oberflächlichkeit
Nein, Subtilität ist weniger die Stärke des Films. Hier wird nichts verstärkt oder mit Andeutungen gespielt. Stattdessen ist das alles schon sehr geradlinig. So darf das Publikum gleich zu Beginn von Tatort: Herz aus Eis erfahren, dass Max und Viktoria für den Mord verantwortlich sind. Wer sich die Reihe anschaut, um ein bisschen miträtseln zu dürfen, der geht hier daher leer aus. Es steht lediglich die Frage im Raum, ob das Polizei-Duo die Verantwortlichen schnappen wird – und das ist keine wirkliche Frage. Auch beim Drumherum gibt sich der Krimi ziemlich plakativ. Ambivalenzen sind keine zu finden. Etwas, das über Stereotype hinausgeht. Nicht einmal bei der Geschichte selbst gab man sich übermäßig Mühe, das läuft alles nach Schema F ab. Überraschungen? Wendungen? Fehlanzeige.
Wenn es Tatort: Herz aus Eis gelingt, dennoch aus dieser Langeweile auszubrechen, dann ist das in erster Linie ein Verdienst des Ensembles. Gerade Waldstätten und Bartholomäi, die hierfür mit dem Nachwuchspreis New Faces Award ausgezeichnet wurden, brennen sich mit ihrer genüsslich-grausamen Art ins Gedächtnis. Rosalie Thomass, sonst eher als starke Frau zu sehen, überzeugt wiederum als Nervenbündel auf der Suche nach Anschluss. Für die gemeinsamen Szenen der drei kann man sich den Film daher schon anschauen. Trotzdem ist es schade, dass diesem schauspielerischen Talent kein ebenbürtiger Inhalt an die Seite gestellt wurde, der dieses auch zu nutzen weiß.
OT: „Tatort: Herz aus Eis“
Land: Deutschland
Jahr: 2009
Regie: Ed Herzog
Drehbuch: Dorothee Schön
Musik: Thomas Osterhoff
Kamera: Ralf Nowak
Besetzung: Eva Mattes, Sebastian Bezzel, Nora Waldstätten, Florian Bartholomäi, Rosalie Thomass, Constantin von Jascheroff
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