Die Filmindustrie als Teil der Medien spielt seit jeher in den Ideologien und Systemen autoritärer Systeme eine zentrale Rolle, wenn es darum geht politische Ziele oder Bilder an die Bevölkerung eines Landes oder gar der Welt zu transportieren. Der nicht unwesentliche Unterhaltungsaspekt lädt geradezu dazu ein, dass man Werte und Prinzipien vermittelt, ohne dass das Publikum etwas davon mitbekommt. So ist es nicht verwunderlich, das in der NS-Zeit, aber auch in der DDR oder in heutigen Diktaturen wie Nordkorea ein erhöhter Wert auf Medien als Propagandamittel gelegt wird und man gut daran tut, diese schnell unter staatliche Kontrolle zu bringen. Jedoch irrt man gewaltig, wenn man sich in der demokratisch organisierten Staaten oder System vor dieser Art der Manipulation sicher fühlt, denn gerade in Zeiten der Digitalisierung der Bereiche menschlichen Zusammenlebens, der rasant um sich greifenden Globalisierung und des Kapitalismus, tut man gut daran, aus den Lektionen der Vergangenheit zu lernen und gerade die Produkte der Traumfabrik etwas genauer auf den Prüfstand zu stellen, wenn es darum geht, wie sie Werte vermitteln und was dies für welche sind.
Die These von der offensichtlichen oder der subtilen Vermittlung von Ideologie bildete schon einen Aspekt ihrer vorherigen Kollaboration The Pervert’s Guide to Cinema. Doch in der Fortsetzung The Pervert’s Guide to Ideology legen die englische Regisseurin Sophie Fiennes und der slowenische Philosoph und Psychoanalytiker Slavoy Žižek den Fokus. Abermals zeigt Žižek anhand vieler Beispiele aus der Filmgeschichte, von Der weiße Hai bis zu I Am Legend, auf, inwiefern Ideologie eine Rolle spielt in der Machart und Rezeption moderner Medien. Allerdings gilt seine Aufmerksamkeit nicht mehr länger ausschließlich der Filmindustrie, sondern die Relevanz seiner These überträgt er auf die Werbeindustrie, Propagandafilme aus der Stalinzeit wie des Nationalsozialismus, aber auch auf die Berichterstattung rund um den 11. September 2001 oder die Anschläge in Norwegen 2011. Den Ausgangspunkt bildet die provokant formulierte These, dass es weniger darum geht, dass wir durchaus uns bewusst sind, inwiefern Ideologie in unserem Alltag präsent ist, es aber nicht wagen oder uns nicht trauen, diese zu erkennen, weil gerade dies ein bisweilen schmerzhafter Prozess sein kann.
Angst und Sehnsucht
Fans von The Pervert’s Guide to Cinema werden sich auch mit der Fortsetzung wohl schnell anfreunden können, auch wenn sich Žižek in seinen Ausführungen bisweilen vom Thema Film weg bewegt. In erster Linie liefert der Philosoph und Psychoanalytiker wieder jede Menge seiner Gedanken, Ideen und Sichtweisen, belegt an einer ganzen Reihe von Beispielen und gestützt auf Theorien Jacques Lacans oder anderer Gelehrter zeigt Žižek eine einmalige und sehr gehaltvolle Sichtweise auf das Medium, die mehr als nur einmal eine an sich harmlose Szene oder einen Moment in einem ganz neuen Licht erscheinen lassen. Der Hai in Steven Spielbergs Blockbuster als Summe aller Ängste mag für viele noch einleuchtend sein, doch Žižeks Analyse der Ständegesellschaft in James Camerons Titanic oder die Idee, dass die oberen Zehntausend die untere Schicht zum Leben brauchen, ist überaus anregend. Ideologie, so stellen wir schnell fest, ist ein inhärentes Mittel innerhalb eines Narrativs, egal, ob Film, Werbung oder Dokumentation, doch über einen Faktor wie eine Liebes- oder Horrorgeschichte bekommen wir vielleicht nur am Rande mit, was hier eigentlich wirklich mitgeteilt wird.
Genauso interessant ist die Beobachtung, dass Ideologie, anders als im 20. Jahrhundert noch, keinesfalls mehr so einfach zu orten ist. Sind Propagandafilme wie Der ewige Jude noch in ihrer Ästhetik und vielen anderen Aspekten recht einfach als Teil der faschistischen Ideologie zu lesen, so mag dies in der heutigen Zeit, bei einer Berichterstattung über einen Terroranschlag, einer Coca Cola-Werbung oder dem neuen Marvel-Blockbuster schwierig nachzuvollziehen sein. Ideologie, so Žižek ist subtil und transparent geworden, ein leeres Gefäß gewissermaßen, welches sich auf jeden Zuschauer in jeder Kultur übertragen kann. Alleine durch solche Überlegungen zeigt sich der hohe nachhaltige Wert von The Pervert’s Guide to Ideology wie auch seinem Vorgänger, denn mit einer großen Lust am Analysieren und dem Übertragen auf größere Zusammenhänge wird deutlich gemacht, welches Gesicht Ideologie haben kann, sodass man die heutige Kultur von einem neuen Blickwinkel aus betrachtet.
OT: „The Pervert’s Guide to Ideology“
Land: UK
Jahr: 2012
Regie: Sophie Fiennes
Drehbuch: Slavoy Žižek
Musik: Brian Eno
Kamera: Remko Schnorr
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