Für die Bevölkerung des baskischen Städtchens Elizondo ist der Fund im nahegelegenen Wald ein echter Schock: Eine Jugendliche wurde ermordet, anschließend rituell gereinigt und wie eine Heilige zurechtgemacht. Daraufhin übernimmt die spanische Kommissarin Amaia Salazar (Marta Etura) in ihrer alten Heimat gemeinsam mit Jonan Etxaide (Carlos Librado ‚Nene‘) die Ermittlungen. Während die Einheimischen davon überzeugt sind, dass es sich bei dem Täter um einen Waldgeist handeln muss, ist Amaia sich sicher, dass ein Mensch dahintersteckt – vor allem als weitere Leichen aufgefunden werden. Gleichzeitig hat sie privat mit einigem zu kämpfen. Vor allem mit ihrer älteren Schwester Flora (Elvira Mínguez) ist sie im ständigen Konflikt, hat Letztere es ihr doch nie verziehen, dass sie das Dorf seinerzeit verlassen hat, anstatt sich um die kranke Mutter zu kümmern …
Der Wald als Ort des mysteriösen Grauens
Kaum ein Setting ist im Kino und im Fernsehen beliebter als der Wald, wenn es darum geht, düstere Geschichten zu erzählen. Das geschieht natürlich nicht grundlos. So schön Wälder zweifelsfrei sind: Sie sind groß, sie sind unübersichtlich, zum Teil auch recht dunkel, wenn keine Sonne hineinkommt. Leichter lässt sich keine Atmosphäre und Spannung aufbauen, als irgendwo darin eine Leiche zu platzieren und das Gefühl zu wecken, dass da das Böse umgeht, versteckt vor den Blicken der Menschen. Das funktioniert wohl im Rahmen irdischer Verbrecher wie auch eines fantastischen Horrors. Manchmal wird auch ein Mittelweg eingeschlagen, wie etwa bei Jordskott – Die Rache des Waldes oder Waldgericht – Ein Schwarzwaldkrimi. Beide verbinden Krimi mit einer übernatürlichen Note, wenn die ländliche Bevölkerung von der Beteiligung von lokalen Fabelwesen überzeugt ist.
Das Tal der toten Mädchen geht hier in eine recht ähnliche Richtung. Auch bei dem spanischen Film geht es um rätselhafte Tote, geht es um alte Legenden und die Frage, was tatsächlich im Wald vor sich geht. Ein Basajaún wäre für die eigenartigen Tode verantwortlich, wird dabei gewispert. Ein Waldgeist, der Teil der baskischen Mythologie ist. Und weil das nicht als übernatürliches Mittel ausreicht, werden zwischendurch auch mal Tarot-Karten gelegt, die von einer ominösen, aber sehr nahen Gefahr berichten. Das Vertrauen in die prophetischen Fähigkeiten der Karten darf natürlich in Frage gestellt werden. Effektiv in Szene gesetzt ist das aber schon. Der Film macht vor, dass selbst die banale Aktion, eine Karte umzudrehen, spannend anzusehen ist.
Atmosphärisch gut, inhaltlich Durchschnitt
Überhaupt zeigt Regisseur Fernando González Molina (Drei Meter über dem Himmel) ein Händchen dafür, wie sich das Geschehen für das Publikum ansprechend umsetzen lässt. Tatsächlich subtil gehen er und Kameramann Flavio Martínez Labiano (The Shallows – Gefahr aus der Tiefe) dabei sicherlich nicht vor. Anstatt sich auf das natürlich düstere Ambiente zu verlassen, wurde kräftig nachgeholfen. Vor allem die etwas exzessiven Blautöne, welche das Gefühl von Kälte erzeugen sollen, stechen dabei ins Auge. Ansonsten wird dann eben in schummrigen, alten Gebäuden gedreht, alternativ auch in unterbelichteten Verhörzimmern. Das Tal der toten Mädchen lässt keine Gelegenheit aus, Zuschauer und Zuschauerin daran zu erinnern, in welchem Abgrund wir uns bewegen.
Doch auch wenn das vielleicht nicht die innovativsten Kniffe sind, sie funktionieren. Man kann sich hier schon ganz gut verzaubern lassen von diesem abgelegenen Ort, an dem unaussprechliche Dinge vor sich gehen. Das größere Problem ist, dass Das Tal der toten Mädchen auch inhaltlich nicht wirklich etwas zu bieten hat, was den Film von der Konkurrenz abheben könnte. Die Adaption eines Romans von Dolores Redondo werkelt an der Oberfläche zwar mit eigenen Merkmalen herum. Gerade der lokale Aspekt und das übernatürliche Flair stehen dem spanischen Film gut. Doch das kann nicht wirklich darüber hinwegtäuschen, dass der eigentliche Fall nicht mehr als TV-Krimi-Niveau hat. Vor allem die Auflösung an sich ist völlig uninteressant.
Zu wenig Persönlichkeit
Nicht ganz geglückt sind auch die Versuche, durch eine persönliche Note die Geschichte nahbarer zu machen. Während der Konflikt zwischen Amaia und ihrer Schwester Flora zumindest noch geschickt mit dem Fall verwoben wurde, ist die Sache mit der gemeinsamen Mutter recht plump hineingestopft. Besonders der Flashback ist billig umgesetzt. In der Summe ist Das Tal der toten Mädchen damit noch immer ordentliche Abendunterhaltung. Wem es mehr auf Atmosphäre und Setting ankommt, der wird gut bedient. Wer hingegen gerne Rätsel löst, der wird woanders glücklicher. Als tatsächlicher Krimi ist das hier nicht mehr als Durchschnitt, auch bei der Figurenzeichnung begnügte man sich mit wenig. Aber vielleicht gelingt das ja bei der Fortsetzung Das Tal der vergessenen Kinder.
OT: „El Guardián Invisible“
Land: Spanien, Deutschland
Jahr: 2017
Regie: Fernando González Molina
Drehbuch: Luiso Berdejo
Vorlage: Dolores Redondo
Musik: Fernando Velázquez
Kamera: Flavio Martínez Labiano
Besetzung: Marta Etura, Elvira Mínguez, Carlos Librado ‚Nene‘, Itziar Aizpuru, Francesc Orella, Benn Northove, Tía Engrasi
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