Es ist kein besonders aufregendes Leben, das Emile Dutilleul (Denis Podalydès) da führt. Seit Ewigkeiten schon arbeitet er in einer Versicherung, ohne dass er je den Platz gewechselt oder neue Aufgaben übernommen hätte. Warum auch? Er genießt die Routine und die Ruhe. Privat sieht es nicht anders aus. Seine Kontakte sind spärlich, das Bedürfnis, etwas daran zu ändern, hält sich in Grenzen. Erst als er seine neue Kollegin Ariane (Marie Dompnier) kennenlernt, kommt Schwung in sein Leben. Nicht nur, dass die ihn dazu ermuntert, wieder mehr aus sich herauszugehen. Durch einen Zufall stellt Emile zudem fest, dass er durch Wände gehen kann. Eine Fähigkeit, die sich für ihn bald als sehr bereichernd herausstellt – in mehr als einer Hinsicht …
Ein ganz alltäglicher Held
Seit einer Weile schon haben Figuren mit Superkräften Hochkonjunktur im Kino und im Fernsehen. Inzwischen gibt es so viele, sowohl Männer wie Frauen, mit den unterschiedlichsten Fertigkeiten und dem unterschiedlichsten Aussehen, dass man zwischendurch meint, man hätte schon alles gesehen. Der durch die Wand geht beweist jedoch, dass da noch einige Möglichkeiten übrig sind. Dabei ist es weniger die Fähigkeit an sich, die den Protagonisten so besonders macht. Durch Wände sind schon früher welche gegangen, Kitty Pryde in X-Men 2 beispielsweise. Doch so verschieden diese Figuren alle waren, so handelte es sich dabei immer um attraktive, auf die eine oder andere Weise hervorstechende Menschen.
Nicht so Emile. Der ist so unscheinbar, dass kaum einer weiß, wie lange er schon Teil des Büros ist. Attraktiv ist der eher kleinwüchsige Mann mit dem fehlenden Haar auch nicht. Es ist nicht einmal so, dass er durch Tatendrang oder Charme irgendwie auf sich aufmerksam machen würde. Doch das ist eben der Punkt von Der durch die Wand geht. Die Adaption einer Novelle von Marcel Aymé (Zwei Mann, ein Schwein und die Nacht von Paris) erzählt davon, wie ein Niemand auf einmal etwas Besonderes kann und damit auch seinem Leben einen neuen Sinn gibt. Oder überhaupt so etwas wie einen Sinn, nachdem er jahrzehntelang nur vor sich hin vegetiert ist.
Eine neu entdeckte Freude
Der durch die Wand geht ist daher einer Midlife-Crisis-Komödie näher als einem herkömmlichen Superheldenfilm, wenn hier ein Mann im mittleren Alter ein neues Kapitel aufschlägt. Mit dem Unterschied, dass Emile nicht einmal darunter gelitten hat, dass sein Leben ohne Sinn oder Freude ist. Umso größer ist die Freude beim Publikum, diesem Niemand bei der Entfaltung zuzusehen. Zumal Denis Podalydès (Die schönste Zeit unseres Lebens, Sorry Angel) selbst eine diebische Freude dabei zeigt, wie seine Figur die Fähigkeit zu den unterschiedlichsten Zwecken einsetzt. Manches davon ist pragmatischer Natur, so ein ungehinderter Gang durch Wände hat schließlich ein gewisses wirtschaftliches Potenzial. Anderes ist reiner Schabernack und persönliche Genugtuung.
Während der Humor einen großen Teil des TV-Films ausmacht, so ist er dennoch nicht alles. Bei aller Albernheit und Absurdität erzählt Regisseur und Drehbuchauto Dante Desarthe eine Geschichte, die auch zu Herzen geht. Damit ist nicht einmal die Romanze gemeint, die sich zwischen Emile und Ariane entspinnt. Vielmehr ist es das Verhältnis zwischen dem Protagonisten und der von Maryvonne Schiltz gespielten, zunehmend abbauenden Mutter, welche einige der schönsten Szenen im Film bedeutet. So lernt Emile sich einerseits von ihr zu emanzipieren und ein eigenes Leben zu führen. Gleichzeitig gibt es auch eine Annäherung, welche das innige Verhältnis zwischen den zweien verdeutlich. Denn sie war es, die ihn vor der Welt beschützen wollte und es dabei letztendlich zu gut meinte.
Sympathisch und amüsant
Ein bisschen hat Der durch die Wand geht die Schwierigkeit, zu einem richtigen Ende zu kommen. Nach dem recht gemächlichen Tempo, das der Film an den Tag legt, überstürzt sich das irgendwann ziemlich. Außerdem bleiben hier zwangsläufig viele Fragen offen, da die Fähigkeit recht willkürlich zum Einsatz kommt. Dennoch ist Der durch die Wand geht eine sympathische und amüsante Tragikomödie, die von der universellen Sehnsucht erzählt, einen Platz in dieser Welt zu haben, geliebt zu werden und jemand zu sein, der einen Unterschied macht. Dazu gibt es ein paar Seitenhiebe, sei es auf Politik oder die Zustände am Arbeitsplatz. Denn so richtig heldenhaft verhält sich hier niemand, sei es mit oder ohne Superfähigkeit.
OT: „Le passe-muraille“
Land: Frankreich
Jahr: 2016
Regie: Dante Desarthe
Drehbuch: Dante Desarthe
Vorlage: Marcel Aymé
Musik: Krishna Levy
Kamera: Dominique Colin
Besetzung: Denis Podalydès, Marie Dompnier, Scali Delpeyrat, Maryvonne Schiltz
Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.
(Anzeige)