Für Alex Haller (Philipp Hochmair) war es der Tag, der alles in seinem Leben veränderte: der 17. Oktober 2017. Denn an dem Tag verlor er durch einen Bombenanschlag seine Lebensgefährtin und sein Augenlicht. Als bei einem Mordopfer eine Notiz mit eben jenem Datum gefunden wird, bittet ihn daher Kommissarin Laura Janda (Jaschka Lämmert), die seine Nachfolge bei der Polizei antrat, um Hilfe. Dabei dämmert ihnen bald, dass das Datum jedoch reiner Zufall war. Vielmehr hat Kurt Brandner (Alexander Beyer) Rache an all denen geschworen, die er für den Tod seines Bruders verantwortlich macht. Und so machen sich Alex und Niko Falk (Andreas Guenther) nicht nur auf die Suche nach dem Mörder, sondern auch nach der Wahrheit, was Jahre zuvor an diesem Tag wirklich geschehen ist …
Gefangene der Vergangenheit
Wir sind doch alle irgendwie Gefangene unserer Vergangenheit. Sind geprägt von den Erfahrungen, die wir gemacht haben. Von den Leuten, denen wir begegnet sind. Siehe etwa Der Wien-Krimi: Blind ermittelt – Lebendig begraben. Der nunmehr fünfte Teil der ARD-Krimireihe stellt gleich mehrere Figuren in den Mittelpunkt, bei denen das Gestern nie ganz aufgehört hat. Das ist man von dem titelgebenden blinden Ermittler Alex nicht anders gewohnt, der sein Trauma rund um die Explosion nie verarbeitet hat – oder verarbeiten wollte. Sein diesmaliger Widersacher Brandner steht dem nicht nach. Der große Unterschied: Während der eine sich selbst Vorwürfe macht, arbeitet sich der andere an allen anderen ab, sucht bei jedem Schuld, der auch nur irgendwie mit dem Tod seines Bruders zu tun hatte.
Anders als der vorangegangene Teil Tod im Fiaker, welcher ein klassischer Whodunnit-Krimi war rund um mehrere Verdächtige in einem Mordfall war, gibt es bei Der Wien-Krimi: Blind ermittelt – Lebendig begraben zunächst keine offenen Fragen. Tatsächlich sieht man, wie Brander gleich zu Beginn jemanden ermordet. Das „warum“ wird nicht viel später geklärt. Damit begibt sich der TV-Film, der in Österreich unter dem Titel Endstation Zentralfriedhof lief, stärker in Richtung Thriller. Es geht hier um das Duell zweier Leute, beide verbissen, auf ihre Weise rücksichtslos. Tatsächlich ist Alex alles andere als ein Sympathieträger. War er beim letzten Mal schon gelinde gesagt anstrengend, wird er nun vollends unerträglich.
Überzogen und unfreiwillig komisch
Natürlich müssen Hauptfiguren von Krimis nicht zwangsläufig sympathisch sein. Von Hercule Poirot bis Sherlock Holmes gab es viele große Charaktere, die nicht unbedingt für nähere Freundschaften in Frage kamen. Hauptsache, sie können ihre Fälle lösen. An einer Stelle von Der Wien-Krimi: Blind ermittelt – Lebendig begraben heißt es dann auch sinngemäß von Niko, dass Alex ein ziemliches Arschloch ist. Nur eben ein brillantes Arschloch. Davon merkt man in dem Film jedoch kaum etwas. Über weite Strecken bekommt er nichts auf die Reihe. Dann wieder mutiert er urplötzlich zum Supermensch, hat geradezu übernatürliche Sinne oder löst mittels Geistesblitz den kompletten Fall. Das wird dann so absurd, als hätte der Film eigentlich eine Parodie auf das Genre sein sollen – ist aber leider völlig ernst gemeint.
Vor allem zum Ende hin wird Der Wien-Krimi: Blind ermittelt – Lebendig begraben dermaßen over the top, dass man sich entweder ärgern oder lauthals lachen kann. Ob es nun Flashbacks sind oder der Showdown, das ist alles wahnsinnig plump umgesetzt. Das ist nicht nur schade, weil der krimierfahrene Alexander Beyer (Nord bei Nordwest: Der Anschlag, München Mord: Der Letzte seiner Art) tapfer dagegen anspielt und als mordlustiger, zugleich fehlgeleiteter Racheengel eine passable Figur abgibt. Wie bei Tod im Fiaker auch baute man zudem reizvolle historische Elemente ein, dieses Mal rund um das Thema Tod und Begräbnis. Allerdings haben die mit der Geschichte eigentlich überhaupt nichts zu tun und wurden nur irgendwie hineingequetscht – wie so manches in diesem unbeholfen zusammengeschusterten Film.
OT: „Blind ermittelt – Endstation Zentralfriedhof“
Land: Österreich, Deutschland
Jahr: 2021
Regie: Jano Ben Chaabane
Drehbuch: Jacob Groll
Musik: Tim Schwerdter
Kamera: Tobias von dem Borne
Besetzung: Philipp Hochmair, Andreas Guenther, Jaschka Lämmert, Patricia Aulitzky, Alexander Beyer, Sophie Stockinger
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