Das Leben könnte so schön sein für die Katze des Rabbiners. Wären da nur nicht die doofen Leute, die ihm sein Frauchen Zlabya wegnehmen wollen. Als wäre es nicht schon schlimm genug, dass sie diesen einen nichtsnutzigen Idioten heiraten musste, der sich immer wieder zwischen sie drängt. Nein, sie muss dabei auch noch schwanger werden. Bei dem Ausblick, von einem schreienden Baby verdrängt zu werden, gerät die Katze in eine echte Sinnkrise. Was soll aus ihr werden? Wer wird sich um sie kümmern? In ihrer Not streift sie umher, denkt über das Leben nach, über die Menschen und ihr eigenartiges Verhalten, aber auch, ob nicht vielleicht doch Religion eine Antwort sein könnte …
Willkommen zurück, Plappermaul!
Auch die geschwätzigste Katze braucht mal ein wenig Ruhe. Und so verabschiedete sich der französische Comic-Zeichner Joann Sfar für einige Jahre von seiner umjubelten Figur, die sowohl in ihrer gedruckten Fassung wie auch als Zeichentrickfilm mit tierischem Witz die Welt der Menschen hinterfragte. Genauer lagen neun Jahre zwischen Jerusalem in Afrika (2006) und Du sollst neben mir keine anderen Götter haben (2015). Letztere bildet zusammen mit Der Turm von Bab-El-Oued (2017) und Das Mandelkörbchen (2018) den dritten Sammelband. Aber das Warten hatte sich gelohnt. Trotz der langen Pause gelang es dem Künstler, nahtlos an sein international wohl berühmtestes Werk anzuschließen.
Tatsächlich hat sich relativ wenig getan in der Zwischenzeit. Wenn Zlabya zu Beginn des Bandes schwanger ist, dann weiß das Publikum der vorangegangenen Geschichten schon ziemlich genau, was das bedeutet. Schließlich zeigte sich die Katze des Rabbiners schon beim letzten Mal ziemlich eifersüchtig, als sie erkennen musste, nicht mehr im Mittelpunkt ihres Frauchens zu stehen. Aber das gehört eben zu dem speziellen Charme des Vierbeiners, welches gleichermaßen egozentrische Drama Queen wie scharfsinniger Skeptiker ist. Denn neben dem persönlichen Unheil des sprechenden Tieres stehen wieder jede Menge Auseinandersetzungen mit den Zweibeinern an, die sich alle so schrecklich irrational verhalten.
Von Glauben und Gefühlen
In der zweiten Geschichte dreht sich dabei alles mal wieder um das Thema Religion, worüber sich die Katze und Sfar schon häufiger mal amüsiert haben. Dieses Mal streiten Muslime und Juden für das Recht, sich nicht dasselbe Gebäude teilen zu müssen – und sind sich dabei ähnlicher, als sie es zugeben wollen. In der dritten Geschichte sind amouröse Verwicklungen Grundlage für zahlreiche Überlegungen. Auch das ist nicht unbedingt immer so leicht zu erklären, umso mehr wenn die Menschen nicht sonderlich souverän mit ihren Gefühlen umgehen. Und das tun sie in Die Katze des Rabbiners ja fast nie. Der Witz der Reihe liegt oftmals auch darin begründet, wie sich Leute mehr schlecht als recht durchs Leben schlagen, sich dabei selbst oder auch anderen regelmäßig im Weg stehen. Vorbildfunktion hat das weniger. Eher sind die Figuren auf sympathische Weise skurril bis verkorkst.
Ebenso eigensinnig sind auch wieder die Zeichnungen Sfars. Hier ist alles ein bisschen schief, die Proportionen stimmen nicht immer, die Farben sind manchmal seltsam, selbst die Umrandungen der einzelnen Panels folgen keinem festen Muster. Aber das gehört eben dazu, die ausdrucksstarke Mischung aus simplen, dann wieder verspielten Bildern beschäftigt die Augen ganz gut. Auch wenn beim dritten Band von Die Katze des Rabbiners die großen neuen Ideen fehlen, die man sich nach der langen Pause vielleicht gewünscht hätte, so steckt doch immer noch so viel in den Geschichten um das vorlaute Tier, dass die Rückkehr mehr als willkommen ist und die Wartezeit auf den vierten Band hoffentlich nicht wieder so lange ausfällt.
OT: „Le Chat du rabbin“
Land: Frankreich
Jahr: 2015/2018
Text: Joann Sfar
Zeichnungen: Joann Sfar
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