Der Broadway und seine Bühnen sind die eigentliche Heimat des gefeierten Theaterautors und Regisseurs Oscar Jaffe (John Barrymore), mit dem jeder Schauspieler gerne zusammenarbeiten würde, auch wenn er im Umgang nicht immer einfach sein soll. Auch sein neuestes Projekt verspricht wieder einmal den typischen Verlauf zu nehmen, denn schon bei der ersten Probe erscheint Jaffe verspätet und gibt sich als detailverliebter Tyrann. Besonders Mildred Plotka (Carole Lombard), der Jaffe kurzerhand den seiner Meinung nach wesentlich kunstvolleren Namen „Lily Garland“ gibt, hadert mit der Art und Weise wie der Regisseur arbeitet, hat er doch an jedem ihrer Sätze und jeder ihrer Bewegungen etwas auszusetzen. Jedoch zeigen Jaffes Methoden Wirkung, denn das Stück wird bei seiner Premiere ein riesiger Erfolg und begründet den Starruhm Lily Garlands, die nicht nur diesen neuen Namen vollends annimmt, sondern auch an weiteren Projekten mit Jaffe arbeitet, wobei ihre Beziehung alles andere als professionell bleibt. Allerdings wird ihr Oscars Kontrollwahn mit der Zeit sehr lästig und als es gar so weit kommt, dass dieser einen Privatdetektiv anheuert, kommt es zum Streit und Zerwürfnis zwischen den beiden.
Monate später steht Oscars Theater kurz vor dem Bankrott und es gelingt ihm samt seinem Buchhalter Oliver Webb (Walter Connolly) und seinem Assistenten Owen (Roscoe Karns) gerade noch den Gläubigern zu entkommen. An Bord des luxuriösen Zuges Twentieth Century Limited nach New York City kommt es aber zu einer Wiederbegegnung mit Lily, die mittlerweile in Hollywood erfolgreich geworden ist und zu einer Leinwanddiva aufgestiegen ist. Als Jaffe dies erfährt, heckt er zusammen mit seinen beiden Freunden einen Plan aus, an dessen Ende er Lily dazu bringt, einen Vertrag mit seinem Theater zu unterschreiben, was ihnen allen das finanzielle Überleben sichern würde. Doch Garland lässt sich nicht so leicht um den Finger wickeln.
Von Stars und Sternchen, und ihren Machern
Eigentlich hätten Carole Lombard und John Barrymore, der von dem Talent der Darstellerin überzeugt war, schon bei dem romantischen Drama Wetterleuchten ein Filmpaar bilden sollen, jedoch wurde dies verhindert aufgrund eines Verkehrsunfalls, von dem sich Lombard erst langsam erholte und der sie zwang, sich plastischer Chirurgie zu unterziehen. Jahre später kam es dann unter der Regie von Howard Hawks bei der Screwball-Komödie Napoleon vom Broadway zu der Zusammenarbeit, einem Projekt basierend auf einem Theaterstück des Autors Charles Bruce Millholland, in dem dieser seine Erfahrungen mit Regisseuren am Broadway verarbeitete. Mit Napoleon vom Broadway entstand eine ausgesprochen bissige, bisweilen sehr hysterische Komödie, die vor allem den ewigen Kampf zwischen der Welt Hollywoods und der des Broadways austrägt.
Als er Napoleon vom Broadway drehte, konnte Darsteller John Barrymore auf eine lange Karriere zurückblicken, sowohl auf der Bühne wie auch beim Film, sowie auf einen gewissen Ruf, dass es mit ihm schwierig sei zu arbeiten. Mag dies auch im Rahmen des üblichen Klatsch und Tratsch über einen Darsteller wie Barrymore nicht besonders auffällig sein, so scheinen eben jene Gerüchte um seine Person seine Darstellung des Oscar Jaffes maßgeblich beeinflusst zu haben. In seiner wie auch Lombards Figur vereinen sich eben jene Stereotypen der Diva und des kapriziösen Künstlers, denen der Erfolg nicht nur etwas zu Kopf gestiegen sind, sondern welche dies als auch adäquaten Grund sehen, sich durch entsprechende Verhaltensweisen von ihrer Umgebung abzusetzen, im Privaten wie auch im Beruflichen.
Innerhalb des Drehbuchs, geschrieben von Ben Hecht und Charles MacArthur, zeigt sich die bis heute teils noch andauernde Rivalität zwischen der Bühne und dem Film, zwischen New York City und Los Angeles. Während der Grundstein für viele Karrieren auf den Bühnen der Ostküste gelegt wurde, war ein ganz anderer Ruhm in den Studios Hollywoods zu finden, was eine Verlockung darstellte, welcher viele erlagen. Der Starmacher, in diesem Falle Jaffe, gibt sich nicht nur als Regisseur dieses neuen Stars, sondern auch als ihr Agent und ihr Bodyguard, ist sich der Verlockung des Films bewusst und tut alles in seiner Macht Stehende, um zu verhindern, dass seine „Schöpfung“ sich verändert, ohne zu bemerken, dass er das Fundament für diese Flucht legt. Seine Obsession zeigt sich schon von der ersten Probe an, als er mit einem verwirrenden Netzwerk an Kreidezeichnungen auf der Bühne Lily anzeigt, wie sie sich zu bewegen habe – eine Szene, die in vielerlei Hinsicht weniger für die Praxis am Theater als vielmehr für das große Drama steht, was über die Bühne (und das Studio) hinaus zu einer Art des Lebens geworden ist.
Die Dramen des Lebens
Lassen sich viele Screwball-Komödien als seichte Unterhaltung sehen, kann dies keinesfalls für die Beiträge eines Howard Hawks gelten, der in Napoleon vom Broadway, wie später auch Sein Mädchen für besondere Fälle, immer wieder den Bogen schlägt von der Komödie zum Drama. In den Dialogen seiner beiden Hauptfiguren zeigt sich das Hysterische, das Theatralische und der teils etwas nervige Hang zur Übertreibung, ein Tick, den besonders Barrymore in seiner Darstellung gut beherrscht und für den er bei vielen Filmemachern berüchtigt war. Das Drama erzählt dabei von zwei Menschen, für welche der Übergang von Inszenierung zur Realität fließend geworden ist, sodass die Sehnsucht nach „etwas Echtem“, wie es Lombards Figur an einer Stelle sagt, bestenfalls als Teil jener Inszenierung gesehen werden sollte, die das ganze Leben als eine Bühne begreift.
Lily und Oscar als romantisches Paar zu begreifen oder die Möglichkeit einer Romanze zuzulassen, ist vielleicht die größte Zumutung, die Hawks seinem Zuschauer abverlangt. Mehr als einmal stoßen die beiden ihr Umfeld wie auch den Zuschauer vor den Kopf durch große romantische Gesten oder eine List, die vor allem in Bezug auf Jaffe Hinweise auf eine psychische Störung oder zumindest eine Bösartigkeit geben, die es nicht duldet, dass ihm die Regie über das Drama des Lebens entzogen wurde. Bedenkt man den zeitlichen Kontext, in dem Napoleon vom Broadway gedreht wurde, ist dies durchaus ein sehr mutiger, sehr fordernder Ansatz, der wegen seines Fokus‘ auf Theatralik dem Zuschauer einiges an Geduld abverlangen wird.
OT: „Twentieth Century“
Land: USA
Jahr: 1934
Regie: Howard Hawks
Drehbuch: Charles MacArthur, Ben Hecht
Vorlage: Charles Bruce Millholland
Musik: Milton Ager
Kamera: Joseph H. August
Besetzung: John Barrymore, Carole Lombard, Walter Connolly, Roscoe Karns, Ralph Forbes, Charles Lane
Venedig 1934
Berlinale 2021
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