Scars
© Kloos &Co Ost Chilli Productions Witfilm

Inhalt / Kritik

Scars
„Scars“ // Deutschland-Start: 22. April 2021 (Video on Demand)

Eine lange Zeit der Gewalt und des Krieges hinterlässt naturgemäß Spuren. Neben den unmittelbaren Folgen sind es die psychologischen Folgen für die Betroffenen, die noch lange nachhallen und noch Jahre später Menschen schlaflose Nächte bereiten, Beziehungen zerstören und in einem Menschen die Sehnsucht wecken, endlich ein normales Leben zu führen. Jedoch ist gerade dies oft nicht möglich, nicht unbedingt aus einer Form der Verweigerung heraus, sondern weil es für Betroffene keine Möglichkeit gibt, den ersten Schritt hin zu einer Verarbeitung des Erlebten zu machen, nämlich das Gespräch über diese Erfahrungen zu suchen oder sich mit den Geschichten von anderen Betroffenen auseinanderzusetzen. Gerade in der heutigen Zeit, durch Bewegungen wie Black Lives Matter, aber auch das bedauerliche Aufkommen einer neuen Form des Antisemitismus und des Fremdenhasses zeigt sich uns, wie wichtig eine solche Form der Aufarbeitung der Vergangenheit für einen selbst, doch genauso für die Gesellschaft an sich ist.

2009 nahm der lange Bürgerkrieg Sri Lanka nach 26 Jahren ein Ende. Die Liberation Tigers of Tamil Eelam, abgekürzt LTTE oder Tamil Tigers, die für die Unabhängigkeit der Tamilen kämpfte, wurde aufgelöst, viele ihrer Anhänger wurden festgenommen, erschossen oder gelten noch bis heute als vermisst. Die Regierung des Landes kontrolliert bis heute die noch übrigen Angehörigen der Tigers, überwacht sie und befragt sie regelmäßig über ihre Aktivitäten, um einen weiteren Aufstand zu verhindern. Für ihren Dokumentarfilm Scars begleitet die polnische Regisseurin Agnieszka Zwiefka eine Frau namens Vetrichelvi, die sich im Teenageralter den Tamil Tigers anschloss und zu einer wichtigen Person innerhalb deren Hierarchie aufstieg. Wie Zwiefka in ihrem Regiestatement beschreibt, geht es darum, „zu verstehen, was jemanden dazu bringt, […] sich einer terroristischen Organisation anzuschließen“ und „welchen Preis eine Frau für ihren Kampf bezahlen muss und warum es unmöglich ist, der Vergangenheit zu entkommen“.

Mentale Narben

In ihrer Dokumentation entwirft Zwiefka das Porträt einer Frau, welche, wie auch viele ihrer „Schwestern“, wie Vetrichelvi ihre ehemaligen Mitstreiterinnen nennt, die Auseinandersetzung mit ihrer Vergangenheit sucht. Während sich der eine Teil des Filmes auf ihre Gegenwart fokussiert, die geprägt ist von ihren Besuchen bei anderen Frauen, ihren Nebenjobs als Nachhilfelehrerin und Erntehelferin, bis hin zu ihrer Tätigkeit als Autorin, die mehr als einmal mit den Behörden in Konflikt gerät. Neben dem dokumentarischen Teil gibt es zudem einige abstrakte Szenen, welche wegen ihrer traumartigen Inszenierung an Installationen eines Museums erinnern. In diesen werden, stark verfremdet, bestimmte Geschichten oder Erlebnisse der ehemaligen Kämpferin, aber auch von den Frauen, die sie trifft, erzählt. Zwiefka scheint die Erinnerung als einen immer wiederkehrenden Traum zu begreifen, der eine gewisse Macht über die Frauen hat, denen wir in Scars begegnen.

Jedoch gehen diese „mentalen Narben“, wie sie an einer Stelle genannt werden, noch viel weiter und tiefer. Das Trauma des Individuums wird zu einem der ganzen Kultur, unabhängig, auf welcher Seite man während des Konfliktes stand oder welche man heute einnimmt. Eingestreute Zwischentitel und Archivaufnahmen betonen, inwiefern die Vergangenheit oder besser gesagt das Schweigen über diese bis in die Gegenwart hinein einen Schatten wirft. Der Besuch eines Friedhofs, der bei Nacht stattfinden muss, aus Angst entdeckt zu werden, wird zu einem der vielen Sinnbilder für diesen Konflikt, der nach wie vor präsent ist und noch lange nicht beigelegt. Die Schmerzen, die Vetrichelvi empfindet, zu denen Emotionen wie Trauer, Reue und Angst gehören, werden zu einem Spiegelbild für eine Kultur, die an ihrer Vergangenheit nach wie vor zu zehrt, was dem Zuschauer mehr als einmal eindrücklich und oft genug auf geradezu verstörende Weise bewusst wird.

Credits

OT: „Scars“
Land: Deutschland, Polen, Niederlande
Jahr: 2020
Regie: Agnieszka Zwiefka
Drehbuch: Agnieszka Zwiefka
Musik: Anselme Pau
Kamera: Kacper Czubak

Bilder

Trailer

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„Scars“ ist eine bedrückende Dokumentation über die Folgen des Bürgerkrieges in Sri Lanka. Wie der Titel andeutet legt Regisseurin Agnieszka Zwiefka den Finger auf die Wunden, die der Konflikt hinterlassen hat, die physischen wie auch psychologischen und beschreibt dabei vor allem die Vereinsamung von Menschen, die nicht über ihre Vergangenheit reden können, die zu einer solchen Wunde wird.