Bislang war Ángel (Miguel Herrán) ein ziemlicher Niemand gewesen. Doch das ändert sich, als er eines Abends Estrella (Carolina Yuste) in einem Club begegnet und mit ihrem besitzergreifenden Freund Poli (Richard Holmes) aneinandergerät. Denn durch ihn wird er Mitglied einer Gang, die in Madrid für jede Menge Ärger sorgt. Zunächst sieht es so aus, als könnte ihn niemand dabei stoppen, auch dank des tatkräftigen Einsatzes seiner Anwältin Mercedes (Patricia Vico), die ihn rausboxt. Aber je mehr er und die anderen erbeuten, umso gefährlicher werden die Einsätze. Die Polizei ist ihm längst auf den Fersen und es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie ihn erwischt …
Der Reiz des schnellen Geldes
Warum mühsam einer regulären Arbeit nachgehen, wenn sich das Geld anderweitig viel schneller verdienen lässt? Die Filmgeschichte steckt voller Beispiele, wie bislang unbescholtene Bürger in die Kriminalität abrutschen, erst kleine Dinger drehen, bis daraus eine wirkliche Karriere wird. Das kann mal aus Verzweiflung geschehen, weil das Leben einem keine wirkliche Chance lässt. Im Fall des spanischen Netflix-Thrillers Sky High ist es eher eine Mischung aus jugendlicher Unbekümmertheit, Ego-Machtkämpfen und dem Willen, ein Traumleben abzubekommen, ob man sich dieses nun verdient hat oder nicht. Später kommt noch ein gewisser Rausch hinzu, den ein solches Spiel mit der Gefahr gerne mal mit sich bringt.
Eine Vorbildfunktion haben solche Geschichten naturgemäß eher weniger. Tatsächlich wird man sich schwer tun, überhaupt irgendwelche Sympathieträger in Sky High zu finden. Wenn sich Ángel und Poli anfangs über die äußeren Vorzüge von Estrella streiten, dann gibt dieses Beispiel eines primitiven Machismos schon den Ton des Films vor. Ein bisschen wirken die diversen Frauenfiguren da noch als Korrektiv. Aber eben nur ein biss, gerade Mercedes als skrupellose Anwältin steht ihren männlichen Mitstreitern nicht wirklich nach. Einzig Sole (Asia Ortega), das erzwungene Love Interest des Protagonisten, würde man noch auf der Seite der Guten eintragen. Dafür handelt es sich aber um rehäugiges Opfer mit so wenig Energie, das sie selbst nicht mehr als Handelsware ist.
Kaum Emotionalität
Das wiederum verhindert, dass man als Zuschauer bzw. Zuschauerin übermäßig viel Anteilnahme am Schicksal der Figuren zeigt. Das genreerfahrene Duo aus Regisseur Daniel Calparsoro (Die Stille des Todes) und Drehbuchautor Jorge Guerricaechevarría (Auge um Auge) verzichtet darauf, das Publikum groß zum Daumendrücken animieren zu wollen. Nervenkitzel entsteht bei Sky High nicht, weil man so sehr um Ángel und die anderen zittert. Die Diebe und Räuber sind nicht das kleinere Übel, wenn es gegen die ganz schlimmen Jungs geht. Es fehlen auch die üblichen tragischen Familiengeschichte, die gerne mal eingebaut werden, um die Menschen vor den Bildschirmen zu Gefühlen und Verständnis zu nötigen.
Emotionale Szenen sind deshalb auch sehr rar gesät. Stattdessen versucht man es hier mit einem gesteigerten Coolness-Faktor. Da wird viel geflucht und beschimpft und gedroht. Dazu gibt es in den brenzligen Szenen viele Schnitte, unterlegt mit einem lässigen Synthie-Soundtrack, der an vergangene Tage erinnert. Überhaupt, an kleinen Déjà-vu-Erlebnissen mangelt es in Sky High nicht gerade. Der Film versucht nicht das Genre zu revolutionieren, weder im Hinblick auf den Inhalt noch auf der inszenatorischen Ebene. Das Ziel lautet vielmehr, das Publikum selbst mit auf den Rausch des jungen Kriminellen einzuladen, während dieser sich abwechselnd auf der Anklagebank oder schicken Läden herumtreibt, um dort einzukaufen oder direkt zu stehlen.
Einfach mal treiben lassen
Im Großen und Ganzen wird das Ziel auch erreicht. Man kann sich hier schon eine Weile treiben lassen, in der Faszination für die schicke Welt des Verbrechens und der Neugierde, wie es mit Ángel wohl weitergehen wird. Die Erwartungen sollten dabei aber nicht zu hoch sein. Es geht hier viel weniger zur Sache, als einem so manche Beschreibung weismachen will. Der Auftritt des immer wieder gern gesehenen Genre-Exportschlagers Luis Tosar ist zudem enttäuschend kurz – vor allem bei einem Film, der immerhin zwei Stunden lang ist. Letztere gehen schon mit ein paar kleineren Längen einher, eben weil Sky High mehr mit dem Milieu und dem Drang zum Verbrechen beschäftigt ist als den Verbrechen selbst. Der Himmel mag hier keine Grenzen haben, die Spannungskurve hat diese aber durchaus.
OT: „Hasta el Cielo“
Land: Spanien
Jahr: 2020
Regie: Daniel Calparsoro
Drehbuch: Jorge Guerricaechevarría
Musik: Carlos Jean
Kamera: Josu Inchaustegui
Besetzung: Miguel Herrán, Carolina Yuste, Patricia Vico, Fernando Cayo, Luis Tosar, Richard Holmes, Asia Ortega
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