Als Rettungssanitäter haben Steve (Anthony Mackie) und Dennis (Jamie Dornan) schon jede Menge gesehen. So leicht wirft sie daher nichts mehr aus der Bahn. Dachten sie. Doch zuletzt kam es zu einer Reihe höchst eigenartiger Fälle, die sie an vielem zweifeln lassen und die alle im Zusammenhang mit einer Designerdroge namens Synchronic zu stehen scheinen. Als auch noch Brianna (Ally Ioannides), die Tochter von Dennis, nach der Einnahme einer solchen Pille spurlos verschwindet, beschließt der schwer kranke Steve alle übrigen Exemplare dieser Droge aufzuspüren und zu vernichten. Doch dann macht ihn ein seltsamer Mann, der von sich behauptet, Synchronic entwickelt zu haben, darauf aufmerksam, dass damit nicht allein das Bewusstsein verändert wird. Vielmehr erlaubt es die Droge den Menschen, durch die Zeit zu reisen – für Steve die einzige Möglichkeit, Brianna wieder zurück zu holen …
Genre jenseits aller Grenzen
Die Filmografie von Justin Benson und Aaron Moorhead mag bislang noch überschaubar sein. Doch mit ihren wenigen Werken hat das Regie-Duo bewiesen, eine der derzeit spannendsten neuen Stimmen des Genrefilms zu sein. Auch weil sie immer wieder die Grenzen des Genrefilms aufbrechen. In Spring – Love Is a Monster kombinierten die beiden Liebesdrama mit Monsterhorror. In The Endless vermengen sie Zitate von H.P. Lovecraft mit einem Familiendrama, der Subjektivität von Erinnerungen und Zeitschleifen, denen niemand entkommen kann, zu einem spannenden und gleichzeitig tieftraurigen Werk, das in keine Schublade mehr passte.
Bei Synchronic steigen sie zwar personell zur A-Liga auf – mit Anthony Mackie und Jamie Dornan treten erstmals tatsächliche Stars in ihren Filmen auf –, doch erneut ist das kaum zu greifen, was die zwei da zusammengestellt haben. Was zunächst das Porträt eines psychisch sehr fordernden Berufes sein könnte, wenn Steve dem Klischee folgend Alkohol braucht, nimmt Züge des Familiendramas an, bekommt eine Mystery-Note durch die bizarren Todesfälle, wandelt sich in einen Science-Fiction-Thriller rund um Zeitreisen. Gleichzeitig ist der Film nichts davon, befasst sich mit ganz universellen, teils philosophischen Themen wie unserem Empfinden von Zeit oder dem Umgang mit der Sterblichkeit.
Eine Reise mit ungewissem Ausgang
Der Film wird damit selbst zu einer Reise, nicht weniger mysteriös als die, welche Steve antritt. So hat dieser nach der obligatorischen Skepsis – wer glaubt schon an Zeitreisen per Pille? – zwar verstanden, dass ihn die Droge zurück in die Vergangenheit schickt. Dennoch wird jede Reise eine andere sein. Schon die kleinste Veränderung bei der Einnahme kann zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen führen. Und das gilt eben auch für Synchronic: Ein Teil der Spannung liegt darin, dass man sich nie so ganz sicher sein kann, was Benson und Moorhead mit einem anstellen. Der Wissensvorsprung, den ein solcher Film manchmal mit sich bringt, bleibt hier aus. Als Zuschauer bzw. Zuschauerin darf man hier ganz ahnungslos sein und sich ein wenig treiben lassen.
Das Fehlen eines klaren Ziels wird dabei natürlich nicht jedem gefallen. Hinzu kommt, dass der Genremix, der 2019 auf den Toronto International Film Festival debütierte, sich recht viel Zeit lässt, bevor das mit den Zeitreisen überhaupt losgeht. Außerdem führt ein solches Herumtreiben oft dazu, dass einzelne Stationen zu kurz kommen. So auch bei Synchronic. Viele Themen, die hier angeschnitten werden, bleiben an der Oberfläche. Überlegungen zur Entfremdung, Ausführungen zu Rassismus, der Unbeständigkeit des Ichs, den Auswirkungen unserer Vergangenheit – der persönlichen wie auch der kollektiven –, all das verschwimmt hier zu einem Bewusstseinsstrom, in dem ständig etwas Neues aufblitzt. Aber nie so richtig. Ein Film, der sich so sehr im Grübeln verliert, dass die Beispiele des Handelns kaum zur Geltung kommen.
Eine Welt am Rande der Realität
Vor allem das Ende wird nicht so emotional, wie es vermutlich angedacht war. Da gingen einem die letzten beiden Werke der zwei doch noch mal näher. Dafür ist das hier ein Fest für ein Publikum, das selbst gerne grübeln und spekulieren möchte. Über den Menschen, unsere Rolle in der Welt, die Art und Weise, wie wir andere beeinflussen, aber auch die Sehnsucht nach Beständigkeit. Zudem punktet Synchronic mit seinem Setting: New Orleans ist wie gemacht für solche Filme am Rande der Realität, in denen gestern und heute ineinander übergehen, Identitäten gegeneinander antreten. Die Stadt wirkt bei Moorhead, der nicht nur Co-Regie führte, sondern auch die Kamera verantwortete, zu einem Ort, der immer etwas unwirklich ist, von einem melancholischen Wahnsinn erfüllt – und eben losgelöst von der Zeit, die sowieso macht, was sie will.
OT: „Synchronic“
Land: USA
Jahr: 2019
Regie: Justin Benson, Aaron Moorhead
Drehbuch: Justin Benson
Musik: Jimmy LaValle
Kamera: Aaron Moorhead
Besetzung: Anthony Mackie, Jamie Dornan, Ally Ioannides, Katie Aselton
Toronto International Film Festival 2019
Fantastic Fest 2019
Sitges 2019
Fantasy Filmfest White Nights 2020
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