Wenn Cassie Bowden (Kaley Cuoco) nicht gerade als Flugbegleiterin arbeitet, dann ist sie meist damit beschäftigt, sich zu betrinken oder mit einem der Passagiere ins Bett zu gehen. Als sie mit Alex Sokolov (Michiel Huisman) zuerst kräftig flirtet, sich danach kräftig betrinkt und mit ihm aufs Hotelzimmer geht, ist das daher zunächst nur Business as usual. Bis sie am nächsten Morgen aufwacht und ihr One Night Stand ermordet neben ihr liegt. Was vorgefallen ist, kann sie sich beim besten Willen nicht erklären – zumal sie einen kompletten Filmriss hat und sich an nichts erinnern kann. Aus Angst davor, für die Täterin gehalten zu werden, verwischt sie ihre Spuren so gut es geht und schleicht sich aus dem Hotel. Während nach und nach Bruchstücke ihrer Erinnerung wiederkehren, wird ihr bewusst, dass sie am Abend nicht alleine waren. Denn da war auch noch eine Frau namens Miranda (Michelle Gomez) …
Das ungewollte Abenteuer einer Flugbegleiterin
Das grundsätzliche Szenario ist natürlich altbekannt: Eine bis dato unbescholtene Person wird durch einen dummen Zufall, man darf auch sagen Pech, in ein großes Verbrechen hineingezogen und wird nun von allen gejagt. Alfred Hitchcock griff auf solche Situationen gern zurück. Auch die Serie Auf der Flucht sowie die erfolgreiche Filmfassung von 1993 arbeiteten mit einem solchen Szenario. Insofern steht The Flight Attendant, das bei uns exklusiv per Amazon Prime Video zu sehen ist, in einer langen Tradition. Vieles von dem, das in der Serie geschieht kommt einem daher bekannt vor. Da gibt es mysteriöse Hintermänner, die Flucht vor der Polizei oder der Hinweis auf etwas Wertvolles, weswegen so viele Leute bereit sind, dein Leben auszulöschen.
Und doch, The Flight Attendant ist irgendwie anders. Schon die Einteilung in ein Genre will hier nicht so recht funktionieren. Zwar ist eine Geschichte um Mord, Verfolgung und finstere Geschäfte eigentlich ein recht eindeutiges Indiz für einen Thriller. Es kommt auch durchaus immer mal wieder zu genreüblichen Szenen, wenn beispielsweise gekämpft wird oder Cassie auf der Flucht ist. Aber das ist eben nur die halbe Wahrheit. Oder besser: ein Drittel der Wahrheit. Mindestens genauso wichtig wie die düster-bedrohlichen Aspekte ist der Humor, der immer wieder eingebaut wird. Der besteht beispielsweise darin, dass die Protagonistin so gar nicht für ein solches Leben ausgelegt ist. Während in solchen Geschichten die Protagonisten und Protagonistinnen langsam über sich hinauswachsen und vielleicht gar Heldenhaftes tun, da macht Cassie mit bewundernswerter Kontinuität alles falsch, was falsch gemacht werden kann. Manchmal sogar mehr.
Screwball-Komödie trifft Alkoholismus-Trauma
Amüsant ist aber auch ein anderes wiederkehrendes Element: Die ganze Serie über führt Cassie Gespräche mit dem verstorbenen Alex. Das geschieht bei The Flight Attendant nicht in Form eines Geistes oder dergleichen. Vielmehr nutzt sie die Vorstellung des Toten, um sich über das Leben klar zu werden. Das führt immer wieder zu komischen Auseinandersetzungen mit dem von ihr eingebildeten Gesprächspartner, den natürlich nur sie sehen kann. Denn der gibt ihr kräftig Kontra und erinnert sie ständig daran, dass er nicht real ist. Eine Art Screwball Komödie, nur eben mit einem Toten. Gleichzeitig dienen diese Dialoge, die eigentlich Selbstgespräche sind, dazu, dass sich Cassie vieler Dinge bewusst sind. Dinge, die noch nicht einmal zwangsläufig mit dem Fall zu tun haben.
Stattdessen zeigt The Flight Attendant auch eine sehr tragische Seite, wenn der Alkoholismus von Cassie thematisiert wird, verbunden mit einer kaputten Familiengeschichte. Und sie ist nicht die einzige. Auch einige der anderen Figuren, darunter ihre Kollegin Megan (Rosie Perez), haben Kämpfe auszutragen, die erst nach und nach deutlich werden. Die Adaption von Chris Bohjalians gleichnamigen Roman mischt also die ohnehin schon eigene Mischung aus Komödie und Thriller mit Drama, bis irgendwann alle Grenzen aufgehoben sind. Gegenwart und Vergangenheit, Realität und Vorstellung – das verschwimmt alles zu einem. So wie die Hauptfigur irgendwann nicht mehr weiß, woran sie ist und was wahr ist, befindet sich auch das Publikum in einem Zustand der Verwirrung.
Stark gespieltes Chaos
Aber das muss ja nichts Verkehrtes sein. Vielmehr ist The Flight Attendant ein wilder Ritt voller Turbulenzen und Absurditäten, die für einen hohen Unterhaltungswert sorgen. Dabei ist es vor allem das Ensemble, das den Wahnsinn gekonnt zusammenhält. Die vor allem aus Sitcoms bekannte Kaley Cuoco zeigt hier eine starke Leistung, wenn sie eine Verliererin spielt, die einem zum Teil auf die Nerven geht, zum Teil aber auch zu Herzen geht. Drumherum schart sich ein Ensemble, das sich mutig durch den Wahnsinn kämpft. Ein Höhepunkt ist beispielsweise Michelle Gomez als zynische Gegenspielerin, die in ihrer Abgebrühtheit einen starken Kontrast zu der unbeholfenen Protagonistin darstellt, die mit mehr Glück als Verstand durch das von ihr mitverursachte Chaos stolpert. Dazu gibt es die passenden Bilder, wenn sich Visionen ständig ändern und mit Splitscreens gearbeitet wird, bei denen man nicht immer weiß, was oben und unten ist.
OT: „The Flight Attendant“
Land: USA
Jahr: 2020
Regie: Susanna Fogel, Tom Vaughan, John Strickland, Glen Winter, Batan Silva, Marcos Siega
Drehbuch: Steve Yockey, Kara Lee Corthron, Ryan Jennifer Jones, Ian Weinreich, Ticona S. Joy, Jess Meyer, Meredith Lavender, Marcie Ulin
Idee: Steve Yockey
Vorlage: Chris Bohjalian
Musik: Blake Neely
Kamera: Brian Burgoyne, Adrian Peng Correia, Jay Feather, Hillary Spera
Besetzung: Kaley Cuoco, Michiel Huisman, Zosia Mamet, Rosie Perez, T. R. Knight, Michelle Gomez, Colin Woodell, Merle Dandridge, Griffin Matthews, Nolan Gerard Funk
https://www.youtube.com/watch?v=OP_WC5oOCe8
Preis | Jahr | Kategorie | Ergebnis | |
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Golden Globes | 2021 | Beste Serie (Komödie/Musical) | Nominierung | |
Beste Serien-Hauptdarstellerin (Komödie/Musical) | Kaley Cuoco | Nominierung |
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