Auch wenn Jason (Rafe Spall) und Nikki (Esther Smith) eine glückliche Beziehung führen, eines fehlt ihnen dann doch zum Glück: ein eigenes Kind. Versucht haben sie das mit der Schwangerschaft natürlich schon, viele Male sogar. Doch das blieb alles ohne Erfolg. Als auch eine künstliche Befruchtung nicht das gewünschte Ergebnis bringt, dämmert ihnen, dass der Traum vom eigenen Kind wohl unerfüllt bleiben muss. Und so entschließen sich die beiden dazu, es mit einer Adoption zu versuchen. Ganz so einfach wie erhofft ist das aber nicht. Nicht allein, dass sie zahlreiche Formulare ausfüllen und fremde Leute überzeugen müssen, dass sie in der Lage sind, sich um ein Kind zu kümmern. Sie müssen auch sich selbst als Paar immer wieder hinterfragen …
Die Komik des Kinderkriegens
Komödiantische Serien rund um Eltern, die mit ihren Kindern so ihre lieben Probleme haben, die es gibt es natürlich zuhauf. Netflix versuchte kürzlich beispielsweise mit den Sitcoms Country Comfort und Dad Stop Embarrassing Me! um alleinerziehende, verwitwete Väter das Publikum zum Lachen zu bringen, verbunden mit dem einen oder anderen emotionalen Moment. Funktioniert hat das jedoch weniger. Deutlich erfolgreicher ist da schon Trying, das beim direkten Konkurrenten Apple TV+ an den Start gegangen ist. Dabei gibt es hier nicht einmal Kinder. Dafür aber einen Kinderwunsch, der so groß ist, dass er alles andere definiert oder überlagert. Die Versuche von Jason und Nikki, endlich Eltern zu werden, bilden die inhaltliche Klammer für die acht Folgen der ersten Staffel.
Das klingt vielleicht erst einmal nicht besonders spannend oder abwechslungsreich. Vor allem dürften sich manche da fragen: Wie soll man denn daraus eine Komödie machen? Und doch gelingt es der von Andy Wolton entwickelten und von Jim O’Hanlon inszenierten Serie, eine durchgängig unterhaltsame Geschichte zu erzählen. Dafür braucht Trying nicht einmal irgendwelchen groben Slapstick oder peinliche Szenen am laufenden Band. Mit einer Letzteren lernen wie die beiden Hauptfiguren zwar kennen, wenn sie in einer zeitlich opportunen, örtlich vollkommen unpassenden Situation doch noch auf natürliche Weise ein Kind bekommen wollen. Aber schon zu dem Zeitpunkt sind die beiden in ihrer Unbeholfenheit so charmant, dass man ihnen den Fauxpas nachsieht.
Ein bisschen verkorkst, aber sehr menschlich
Allgemein sind es die Figuren, welche die Geschichte mit Leben füllen. Irgendwie haben sie hier alle ihre Macken, eigene derart viele, dass sie schon als Karikatur durchgehen. Dadurch kommt es fast unentwegt zu irgendwelchen Reibungen, sobald auch nur zwei irgendwie aufeinandertreffen. Wobei gerade Jason und Nikki noch nicht einmal unbedingt Hilfe anderer brauchen, damit irgendetwas schief geht. Das schaffen sie allein auch ganz gut. Und doch reduziert Trying sie nie zu irgendwelchen Witzfiguren. Vielmehr handelt es sich um Menschen, die einem in vielerlei Hinsicht nahestehen und deren Facetten wir nach und nach kennenlernen. Die Unsicherheit, wie sie sich etwa gegenüber den Behörden verhalten sollen, das Bemühen, seriös und verlässlich zu wirken, das ist alles so menschlich – wenn auch bescheuert –, dass sie einem schnell ans Herz wachsen.
Das klappt auch deshalb so wunderbar, weil die Chemie zwischen Rafe Spall (The Ritual) und Esther Smith stimmt. Sie stellen ein Paar dar, das sympathisch, charmant und doch mit vielen Fehlern ist. Ein Paar, bei dem man oft genug zwar mit dem Kopf schütteln will, weil es unnötig oft alles verkompliziert, mit dem man aber ohne zu zögern eine Kneipentour machen würde. Ergänzt werden die beiden durch ein fantastisches Ensemble, bei dem besonders Imelda Staunton (Tanz ins Leben) als einfühlsame und zugleich resolute Sozialarbeiterin hervorsticht. Es muss noch nicht einmal groß etwas passieren, um mit diesen Leuten Zeit verbringen zu wollen. Selbst ein normales Essen oder eine kleine Laufeinheit enthalten genügend Gags, um seinen Spaß zu haben und sich wohl zu fühlen.
Der Schmerz hinter der heiteren Fassade
Das bedeutet jedoch nicht, dass Trying nicht auch tragische Seiten hat. Wenn die zwei verzweifelt versuchen, jemand zu sein, der sie nicht sind, nur um bessere Chancen auf ein Kind zu haben, dann ist das bei aller Komik herzerweichend. Vor allem zum Ende der ersten Staffel hin gibt es einige Szenen und Dialoge, die den Schmerz veranschaulichen, der hinter der heiter-unbeholfenen Fassade vor sich hin wuchert – ohne dabei auf plumpes Melodram zurückgreifen zu müssen. Überhaupt ist die Serie deutlich intelligenter, als man es bei dem Thema erwarten durfte, stellt viele essenzielle Fragen rund um Familie, Beziehungen, aber auch Selbstfindung. Wer bin ich eigentlich? Was erwarte ich von meinem Leben? Und was tue ich, wenn das alles nicht klappt?
Andy Wolton erzählt hierbei von einer Reise ins Erwachsenenleben, bei der vieles nicht funktioniert, vielleicht nicht funktionieren kann, weil uns keiner darauf richtig vorbereitet. Erzählt von Familien, die sich sprachlos gegenüberstehen und gar nicht wissen, was zu tun ist. Am Ende sind es nicht die Ratgeber, die Gruppensitzungen oder Formulare, die bestimmen, was richtig ist und was falsch. Sie sind nur der Versuch einer Annäherung an etwas, das immer zu groß erscheint und wofür wir nie ganz bereit sind. Aber auch das gehört dazu, wie Trying im mitreißenden Finale deutlich macht. Leben bedeutet weitermachen, es weiter zu versuchen, selbst wenn man dabei richtig auf die Schnauze fliegt, und anderen zu helfen, denen es genauso geht. Und darin liegt, der ganzen peinlichen Szenen zum Trotz, eine Würde und Wärme, die einen am Ende nicht nur in schwierigen Zeiten wie diesen viel Trost spenden kann.
OT: „Trying“
Land: UK
Jahr: 2020
Regie: Jim O’Hanlon
Drehbuch: Andy Wolton
Idee: Andy Wolton
Musik: Paul Saunderson, Guy Garvey, Peter Jobson
Kamera: Anton Klima
Besetzung: Rafe Spall, Esther Smith, Imelda Staunton, Ophelia Lovibond, Oliver Chris, Sian Brooke, Darren Boyd
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