In den letzten Jahren hat Netflix unzählige der sogenannten True Crime Dokus auf den Markt gebracht. Dokumentarfilme oder -serien also, welche reale Verbrechen nachzeichnen. Innerhalb dieser beliebten Sparte gibt es die unterschiedlichsten Ausprägungen. Während manche sich stärker auf die Verbrechen konzentrieren oder auch die Suche nach dem Täter, stellen andere die Menschen in den Vordergrund, welche mit dem Verbrechen zu tun haben. Der Film Warum hast du mich getötet? ist beides ein wenig. Darin folgen wir einer Familie, die einen MySpace-Account eröffnet, um den Mörder der Tochter zu finden, weil sie der Polizei nicht vertraut.
Die Frage nach der Gerechtigkeit
Das dürfte manche an die Netflix-Serie Don’t F**k with Cats – Die Jagd nach einem Internet-Killer erinnern. Dort versammelten sich eine Reihe von Hobbydetektiv*innen, um gemeinsam einen Typen ausfindig zu machen, der auf brutale Weise Kätzchen quälte und tötete. Doch der Vergleich hinkt. Während dort das Internet als solches in den Mittelpunkt rückte und welche Gruppendynamik das anonyme Netz ermöglicht, da bleibt Warum hast du mich getötet? deutlich näher an den Menschen. Genauer behandelt der Film die Frage, wie die Angehörigen mit der Situation umgehen und was sie auf sich nehmen, um der Verstorbenen zu Gerechtigkeit zu verhelfen. Die Dokumentation ist damit Die drei Tode der Marisela Escobedo näher, bei der ebenfalls die Mutter den Mörder ihrer Tochter jagte.
Das ist hier jedoch weniger mit Nervenkitzel verbunden. Auch wenn es die Familie mit Gangs zu tun bekommt, es herrscht keine vergleichbare Gefahr wie bei der mexikanischen Leidensgenossin. Dafür setzt sich Warum hast du mich getötet? mehr mit der Frage auseinander, was überhaupt Gerechtigkeit bedeutet. Wenn die Familie zunächst auf die Todesstrafe für den Täter pocht, mag das emotional nachvollziehbar sein. Doch ist das auch gerecht? Der Film begleitet die Angehörigen deshalb nicht allein bei der äußeren Suche nach dem Mörder, sondern vor allem auch bei einer inneren Reise. Das Auffinden des Täters ist am Ende nur ein Aspekt der Verarbeitung des Schicksalsschlages. Da braucht es noch mehr.
Ruhig und ambivalent
Das ist moralisch und psychologisch spannend, wird dem Publikum von True Crime Dokus aber eventuell dennoch zu wenig sein. Dafür ist Warum hast du mich getötet? einfach zu ruhig. Zwischendurch wird zwar versucht, etwa durch das Arbeiten mit Modellen für optische Abwechslung zu sorgen. Insgesamt zeigt sich Fredrick Munk, der hiermit sein Regiedebüt abgibt, aber von einer eher zurückhaltenden Sorte, gerade auch in diesem Bereich, der gerne auf Manipulationen und Dramatisierungen zurückgreift. Ein Grund für diese Zurückhaltung dürfte sein, dass die Familie selbst nicht unbedingt Vorbildcharakter hat. Vor allem die drogenabhängige Mutter funktioniert nicht gerade als Identifikationsfigur.
Gleichzeitig zeichnet das auch ein wenig den Film aus. Warum hast du mich getötet? erzählt eine sehr tragische Geschichte, in der alle Verlierer sind und Schuld auf sich geladen haben. Um das zu unterstreichen, lässt Munk auch Angehörige des Täters zu Wort kommen, die selbst am Leben verzweifeln. Die Welt ist dann eben doch nicht ganz so schwarz und weiß, wie man es als Zuschauer bzw. Zuschauerin gern hätte. Diese Form der Ambivalenz tut dem Film ganz gut und hilft dabei, dass er in der Flut aus True Crime Dokus ein wenig hervorsticht. Der Beliebtheit dürfte das in Kombination mit der ruhigen Distanziertheit jedoch eher weniger zuträglich sein.
OT: „Why Did You Kill Me?“
Land: USA
Jahr: 2021
Regie: Fredrick Munk
Musik: Matt Morton
Kamera: Douglas Brian Miller, Carmen Delaney, Eric Haase
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