Es ist kein Geheimnis, dass sich Menschen anders verhalten, wenn sie von jemandem gefilmt oder fotografiert werden. Unabhängig von der Absicht, also, ob man nun tatsächlich einen Spielfilm dreht oder ein Heimvideo über einen besonderen Tag mit der Familie, hat die Präsenz der Kamera doch eine gewisse Wirkung auf Menschen, auch solche, die nicht, wie viele Influencer, ihren Lebensunterhalt damit verdienen, sich zu filmen. Der Moment, so die Annahme, wenn man vor die Kamera tritt oder man den Auslöser des Fotoapparates drückt, muss in irgendeiner Weise besonders oder bedeutsam sein. Speziell in der heutigen Zeit, in welcher die Kamera als solche, von den schon erwähnten Influencern bis hin zur omnipräsenten Überwachung in vielen Innenstädten, zu einer festen Größe in unserem Alltag geworden ist, lohnt es sich vielleicht noch einmal zu fragen, inwiefern diese Technologie verändert hat.
Mit der Kamera folgt eine gewisse Ästhetik. Während dies bei Spielfilmen ganz normal ist, kann dies gerade bei Dokumentationen, sofern man sie als Abbild einer Realität versteht, zu einem interessanten Konflikt führen, auf den der niederländische Filmemacher Guido Hendrikx durch einen Zufall aufmerksam wurde. Als er Aufnahmen sichtete, die er von Menschen auf der Straße gemacht hatte, konnte er nicht umhin zu beobachten, wie quasi von alleine sich eine Geschichte entspann, über die Menschen an sich, aber auch über ihre Beziehung zur Kamera oder, genauer gesagt, zu eben jenem, der sie bedient. Aus den Aufnahmen wurde letztlich das Projekt A Man and a Camera, welches im Rahmen des diesjährigen CPH:DOX-Festival zu sehen ist, und diese Beobachtung des Filmemachers vertiefen sollte. Dabei handelt es sich um mehrere „Abenteuer“, wie Hendrikx sie nennt, die zeigen, wie er, der im Titel beschriebene „Mann mit der Kamera“, Menschen begegnet, diese in ihren Häusern aufsucht und filmt, was teils sehr negative Reaktionen auslöst, aber auch überraschende Momente.
Die Kamera und ihre Objektive
Über seine Laufzeit von knapp über einer Stunde erscheint dem Zuschauer A Man and a Camera weniger als eine Dokumentation, sondern mehr als eine Art Installation wie man sie in Museen findet. Dies ist nicht notwendigerweise ein Kritikpunkt an dem Projekt, zeigt aber, mit welchem Befremden man sich den Aufnahmen nähert, die sich mit einer Mischung aus Voyeurismus und aggressiver Aufdringlichkeit den Menschen nähern. Schon nach wenigen Minuten fühlt man sich selbst bereits jene Fragen stellen, die Hendrikx mehr als einmal begegnet, nämlich, was das Ganze hier überhaupt soll. Die Kamera und das damit einhergehende Schweigen des Kameramanns wird zu einer Provokation, für den Gefilmten wie auch den Zuschauer, was vielleicht nur extreme Reaktionen auslösen kann.
Vielleicht ist es aber falsch, Hendrikx und seinem Projekt Sensationalismus vorzuwerfen, geben ihm doch die Gefilmten mehr als nur einem Angebote, auf welche die Kamera eingeht. Während man die teils negativen Reaktionen bis zu einem gewissen Grade verstehen kann, so sind es doch die Kontraste, welche einem im Gedächtnis bleiben. Mehr als einmal zeigen sich die Menschen neugierig, freundlich und kooperativ, als sie in die Kamera blicken, lassen Hendrickx sogar in ihre Wohnungen, laden ihn zum Kaffee ein und erzählen letztlich sogar aus ihrem Leben. Die Gegenwart der Kamera wird zu einem Auslöser oder sie wird zu einem Vertrauten, vielleicht sogar einem Zuhörer.
OT: „A Man and a Camera“
Land: Niederlande
Jahr: 2021
Regie: Guido Hendrikx
Musik: Jeanne Susin
Kamera: Guido Hendrikx
International Film Festival Rotterdam 2021
CPH:DOX-Festival 2021
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