In Tokio ist „Young Wives Express“ einer von vielen Escort-Services, die ihren Kunden, meist Männern, verschiedene Dienstleistungen anbietet, von einer Begleitung für den Abend bis hin zu Sex. Yui (Satsuki Maue), Masako (Juri Ihata) und Rei (Michie) arbeiten in dem kleinen Betrieb, geleitet von dem schmierigen Nonaka (Takuma Otoo), der nicht nur an chronischer Geldknappheit leidet, sondern seine Angestellten bei jeder sich bietenden Gelegenheit ausbeutet. Während zu Ries loyalem Kundenstamm ein Pensionär namens Kaneda (Ken Yoshizawa) zählt, der vor kurzem seine Frau verloren hat und eigentlich keinen Sex will, wird Masako immer wieder in die Wohnung des IT-Spezialisten Takada (Tomohiro Kaku) bestellt, der sie für die ganze Nacht bezahlt und scheinbar gar nicht sein Zuhause verlässt. Als einzige der Frauen ist Yui auch Mutter, wobei sie ihren Sohn ganze Tage in die Obhut eines Bekannten gibt, dem sie Geld für dessen Dienste bezahlt. Durch einen Zufall lernt sie den Komiker Taniguchi (Hideaki Murata) kennen, der zunächst auch nur ein Kunde für sie ist, doch mit dem sie sich schon bald auch privat trifft. Wie auch Masako ist sie auf das Geld durch die Agentur und der Kunden angewiesen, während Rei dies eigentlich nicht braucht, ist sie doch verheiratet und finanziell größtenteils unabhängig.
Die drei Frauen haben sich geschworen, ihre Arbeit mit größtmöglicher Professionalität und ohne jede Gefühle abzuwickeln, wie sie sich immer wieder erinnern. Als jedoch durch eine Reihe von Videos, welche sie auf dem Weg zu Kunden zeigen, unerwartet das Geschäft in der Agentur steigt, kommen die drei Frauen ihren Stammkunden immer näher. Masako fühlt sich immer mehr zu Takada hingezogen, auch wenn dieser selbst sich keine Emotionen erlaubt und schon längst mit der wirklichen Welt außerhalb der PC-Monitore abgeschlossen hat. Auch Rie fühlt sich immer mehr zu Kaneda hingezogen und versucht zu dem verschlossenen, von Trauer geplagten Mann durchzudringen. Doch dieser Schritt ist gefährlich für alle drei, setzt ihre Freundschaft und ihre Arbeit aufs Spiel.
Eine reine Transaktion
Zusammen mit Hideo Nakatas White Lily, Sion Sonos Antiporno, Akihiko Shiotas Wet Woman in the Wind und Isao Yukisadas Klang der Verführung war Kazuya Shiraishis Dawn of the Felines – Sündiges Tokio ein Film, der von dem japanischen Filmstudio Nikkatsu in Auftrag gegeben wurde, anlässlich des Jubiläums seiner „Roman Porno“-Reihe. Während einer Reihe von Erotikszenen für die Regisseure verpflichtend war, wie auch ein geringes Budget und eine bestimmte Laufzeit des Films, wurde ihnen darüber hinaus ein großes Maß an künstlerischer Freiheit gewählt, was zu vielen beachtlichen Werken führte und dem Studio in den 1970er Jahren das wirtschaftliche Überleben sicherte. In Anlehnung an Night of the Felines von 1972, der sich bereits mit dem Leben von Prostituierten und Escort-Mädchen befasste, erzählt Kazuya Shiraishi in Dawn of the Felines eine Geschichte über Einsamkeit, das Zulassen von Gefühlen und wie sich die „älteste Gewerbe der Welt“ mit der Zeit verändert hat.
Wie die Einträge seiner Kollegen im „Roman Porno Reboot“ setzt auch Kazuya Shiraishi viele eigene Akzente in der Geschichte und kreiert dabei weniger einen Erotikfilm, sondern mehr einen über Erotik an sich. In dem Selbstverständnis ihres Berufes ist dieses Konzept, zumindest der emotionale Aspekt, für die drei Heldinnen gänzlich verloren gegangen. Für ihre Arbeit sei „keine Liebe nötig“ erklärt Yui bereits ganz zu Anfang ihren beiden Freundinnen bei einem lockeren Gespräch, in welchem sie sich über ihre Freier amüsieren sowie diverse andere Themen. Während die grellbunten Flyer ihrer Agentur noch von „echten Gefühlen“ sprechen und damit Werbung machen, ist die Wahrheit nur eine reine Transaktion, in der nur zählt, ob jemand ein „Premium-Paket“ gebucht hat oder sich es überhaupt leisten kann, echten Sex zu haben.
Eine Großstadtliebe
Fast schon dokumentarisch muten die Bilder Takahiro Hashibaras an, wenn der Film die drei Frauen auf ihren Streifzügen durch das nächtliche Tokio begleitet. Trotz der glamourösen Fassade berührt die Figuren nichts: Sie treffen sich, führen eine jener Transaktionen durch, bleiben sich jedoch nach wie vor gänzlich fremd. Noch nicht einmal ihre Namen sind echt, wie Misasko an einer Stelle bemerkt und nur das Produkt der Agentur, für die sie arbeiten. Es ist ein ernüchterndes Bild der Großstadt, was Shiraishi in Dawn of the Felines beschreibt und sich vielmehr fragt, ob eine Beziehung im eigentlichen Sinne überhaupt noch möglich ist.
Neben den drei Hauptfiguren wird dem Zuschauer auch Einblick gewährt in die Männer, welche Yui, Masako und Rei kennenlernen. Während Trauer und Entfremdung den Witwer wie auch den IT-Spezialisten zu Gefangenen ihrer eigenen vier Wände gemacht haben, wirkt der von Hideaki Murata gespielte Komiker wie eine Art Spiegelbild dieser Welt, in der es gar nicht mehr um Emotionen geht, sondern nur noch um eine Fassade, die freilich bei seinen Zusammentreffen mit Yui herabfällt und einen erschreckenden Abgrund offenbart.
Es gibt in Dawn of the Felines sehr viele interessante Ideen, Bilder und Szenen, doch die guten Darsteller können trotz der recht überschaubaren Laufzeit von 85 Minuten nicht über die teils erdrückenden Ereignislosigkeit und die zähe Progression der Handlung hinwegtäuschen. Darüber hinaus ist der fast pausenlose Einsatz der Handkamera, auch in Momenten, die dies keinesfalls erfordern, nach einer Weile nervtötend.
OT: „Mesuneko Tachi“
Land: Japan
Jahr: 2017
Regie: Kazuya Shiraishi
Drehbuch: Kazuya Shiraishi
Musik: Takuji Nomura
Kamera: Takahiro Hashibara
Besetzung: Juri Ihata, Satsuki Maue, Michie, Takuma Otoo, Tomohiro Kaku, Hideaki Murata, Ken Yoshizawa
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