Das Leben des einfachen Angestellten Asakura (Shin‘ichi Tsutsumi) ist geprägt von der ewig gleichen Routine bei der Arbeit, vielen Regeln und dem Zusammenleben mit seiner herrischen Tante, die ihm immer wieder Vorhaltungen macht wegen seines Mangels an Ambition. Seit geraumer Zeit leidet Asakura nun auch noch an heftigen Kopfschmerzen, die einfach nicht weggehen wollen und für die sein Arzt vor allem seine psychische Belastung und den Stress im Leben des Angestellten verantwortlich macht. Mehr als ein paar Entspannungsübungen kann ihm der Mediziner nicht mit auf den Weg geben, denn Asakura muss den Ursprung dieser Belastung selbst erkennen und dann entsprechend handeln. Jedoch kommt auf der Fahrt nach Hause noch ein ganz anderes Problem auf Asakura zu, denn drei Bankräuber, Nishi (Ren Ôsugi), Kodama (Masanobu Andô) und Arai (Susumu Terajima), nehmen in als Geisel sowie als Fahrer, der die Verfolgung ihres Komplizen aufnehmen soll, der sich kurzerhand mit der ganzen Beute davongemacht hat. Da sich Asakura, allen Drohungen und Beschimpfungen zum Trotz, an die Verkehrsregeln hält, an jeder roten Ampel stehen bleibt und das Tempolimit beachtet, ist der Flüchtige schon bald auf und davon, was die Wut seiner Mitfahrer noch steigert. Allerdings beginnt für Asakura jetzt erst der Albtraum, denn die Verbrecher denken gar nicht daran, ihn gehen zu lassen.
Auch die drei Räuber merken schnell, dass mit ihrem unfreiwilligen Fluchtwagenfahrer etwas nicht stimmt, als es in einem Restaurant, in das sie sich zur Beratung zurückgezogen hatten, zu einem seltsamen Zwischenfall kommt, den Asakura verursacht hat. Immer wieder geraten die vier Männer in komische Situationen, die sie letztlich erkennen lassen, welches Potenzial in ihnen steckt und inwiefern es wirklich ihre Bestimmung ist, Verbrecher zu sein. Selbst der introvertierte Asakura bekommt eine Chance, sich zu beweisen, sich seinen Ängsten zu stellen und über sich hinaus zu wachsen.
Eine Verfolgung mit Hindernissen
Die Bewegung und das Absurde sind die tragenden Themen des Kinos des japanischen Regisseurs, Schauspielers und ehemaligen Models Hiroyuki Tanaka, besser bekannt unter dem Pseudonym Sabu. Schon sein erstes Werk Dangan Runner – Wie eine Kugel im Lauf vereint die Konzepte wie Schicksal, Zufall und Bestimmung zu einer Geschichte, in der sich die Figuren ihrer eigenen Kontrolle bewusst werden und inwiefern sie selbst mitbestimmen können, welche Richtung ihre Leben einschlagen soll. Inspiriert von den Verfolgungsjagden im Actiongenre wollte Sabu in Drive von 2002 ein weiteres Mal auf diese Themen eingehen, wobei er vor allem auf Begriffe wie Ehre und Status eingeht.
Darüber hinaus ist Drive eine weitere Kollaboration des Regisseurs mit Darsteller Shin’ichi Tsutsumi, der bereits in Dangan Runner, Monday und Unlucky Monkey mitwirkte. Immer wieder ist dieser ein Spiegelbild jener konformistischen Werte innerhalb der japanischen Kultur, der Strebsamkeit, des Normalen und des Unterordnens im Rahmen einer Hierarchie, egal, ob in einer Beziehung oder in einem Betrieb. Asakura vereint in vielerlei Hinsicht die Merkmale vieler dieser Helden, die eigentlich alles tun, damit sie nicht zu diesen werden, die lieber nicht auffallen und daher in der Menge leicht zu übersehen sind. Tsutsumi spielt Asakura mit einer stetig wechselnden Anspannung, die man an seiner steifen Körperhaltung und der beherrschten Mimik entnehmen kann, welche mehr und mehr zu entgleisen scheint.
Die Regeln des Verkehrs dienen Sabu nicht nur als Reflektion des Charakters seiner Hauptfigur, sondern als Spiegel einer ganzen Mentalität. Einstellungen von Ampeln oder Zebrastreifen scheinen jene ungeschriebenen und expliziten Gesetze zu symbolisieren, nach denen ein Mensch wie Asakura funktioniert, die aber gleichzeitig eine der Ursachen für seine Kopfschmerzen, seine Anspannung und seinen Stress sind. Selbst als er mit einem Messer bedroht wird, ist der äußere Druck nicht aufzufallen zu hoch, als dass Asakura ihn ignorieren könnte, was zu mehr als einer absurden Situation führt. Die Komik, welche sich ergibt, ist innerhalb der Inszenierung eine Vergegenwärtigung der eigenen Lage für die Figuren, ihres eigenen absurden Handelns und führt geradewegs hin zu einem der Hauptthemen des Films, nämlich dem Schicksal.
„Alles ist Schicksal.“
Indem in Rückblenden die tragische Geschichte von Asakuras Vater erzählt wird, einem passionierten Schwertkämpfer, verweist Sabu scheinbar auf jenen Begriff der Ehre wie er beispielsweise im Bushido verankert ist und bis heute in der japanischen Mentalität vorhanden ist. Das Leben, so scheint es, dient der Erfüllung eines vorherbestimmten Weges, dem Befolgen von Regeln wie im Verkehr, von dem man nicht abweichen kann (oder soll), wenn man nicht großes Unglück verursachen will. Über seine Figuren, vor allem den von Susumu Terajima gespielten Arai, finden diese Konzepte Ausdruck, angefangen bei Verweisen auf den Buddhismus bis hin zu Theorien der Sozialisation.
Bewegung oder vielmehr das Abweichen von einem vorherbestimmten Weg ist in Drive ein Akt der Rebellion, der schwierig ist, aber potenziell Heilung verspricht. Es ist ein Akt der Emanzipation, den Sabu beschreibt, eines Ablegens eines Erbes, welches sich als wenig hilfreich und belastend erwiesen hat. Das Lachen des Zuschauers mag ein entscheidender Teil sein, zeigt sich doch in diesem das Erkennen der Absurdität eines Lebensweges, von dem man nicht abweicht, weil andere es so wollten oder wollen.
OT: „Drive“
Land: Japan
Jahr: 2002
Regie: Sabu
Drehbuch: Sabu
Musik: Toshihide Bando, Yasuhisa Murase
Kamera: Kazuto Sato
Besetzung: Shinichi Tsutsumi, Ren Ôsugi, Ko Shibasaki, Masanobu Andô, Susumu Terajima, Toshio Takei
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