Auch wenn die politischen, wirtschaftlichen wie auch sozialen Umstände der Kreation von Kunst immer im Wege stehen, haben viele Maler, Filmemacher und Autoren immer wieder Mittel und Wege gefunden, dennoch ihrer Arbeit nachzugehen. Während sich einige einer Ideologie gefügig machten und instrumentalisieren ließen, wussten dennoch viele, wie man die Regeln der Zensur umgehen konnte, selbst wenn sich ein Konflikt mit dieser nicht vermeiden ließ. Viele der besonders interessanten Bewegungen innerhalb der Kulturgeschichte entstanden gerade durch diesen offen geführten oder subtil angedeuteten Ton, den kreative Köpfe nutzen, um Geschichten zu erzählen und äußere Umstände zu entlarven. Gerade eine Bewegung wie die Neue Tschechische Welle, aus der Filmemacher wie Jiři Menzel (Liebe nach Fahrplan), Juraj Herz (Der Leichenverbrenner), Jan Němec (Nächtliche Diamanten, Über das Fest und seine Gäste) und Věra Chytilová (Tausendschönchen) hervorgingen definierte sich durch den (versteckten) Protest an der Obrigkeit und einen teils beißendem Humor, der viel über die tschechische Gesellschaft und Politik aussagt.
Einer der bekanntesten Vertreter und Mitgestalter der Neuen Tschechischen Welle ist mit Sicherheit der 2018 verstorbene Miloš Forman. Während Cineasten ihn mit Produktionen wie Einer flog über das Kuckucksnestoder Amadeus in Verbindung bringen, sind seine Werke aus seiner Zeit in Tschechien wegen ihres Humors und ihren Blick auf menschliche Schwächen noch heute sehenswert, auch wenn viele Filmfreunde sie noch für sich entdecken müssen. Alleine Formans letzter Film, bevor er in die USA ging, um dort zu arbeiten, beweist die genaue Beobachtungsgabe dieses Regisseurs, denn in Der Feuerwehrball geht es nicht nur um eine mit der Organisation einer Tanzveranstaltung völlig überforderte Truppe Feuerwehrmänner, sondern auch um einen ironischen Seitenhieb auf die damalige politische Elite – oder zumindest verstand diese den Film so. In ihrer Dokumentation Forman vs. Forman befassen sich die Filmemacher Helena Třeštiková und Jakub Henja mit dem Leben wie auch dem Werk des Regisseurs, was ihn beschäftige und wie er zu seinen Filmen stand.
„Ich brauche kein Happy End.“
Jene Ideen, die auch das Kino eines Miloš Forman ausmachen, treten auch in der Dokumentation, die auf dem diesjährigen DOK.fest München gezeigt wird, in Erscheinung. Angefangen von der Tragödie seiner Eltern, die in den Konzentrationslagern der Nazis ums Leben kamen, bis hin zu seinen ersten Erfolgen in Hollywood, rekapitulieren Třeštiková und Henja teils im Schnelldurchlauf die wichtigsten Stationen des Lebens dieses Menschen und Künstlers. Neben vielen Filmausschnitten sind insbesondere die zusammengestellten Interviews aus unterschiedlichen Lebensabschnitten mit dem Regisseur interessant, beispielsweise, wenn es um die Haltung Formans zu seiner Heimat, deren politischer Landschaft und deren Kultur geht. Das Revolutionäre, vor allem ausgedrückt durch den Humor, tritt immer wieder in Erscheinung, genauso wie das Auge für den Menschen, der nicht einfach nur Repräsentant einer Meinung ist, sondern authentisch bleibt.
Auch wenn hier manches vielleicht etwas arg verkürzt behandelt wird, so bleibt Forman vs. Forman doch informativ und zeigt das Erbe, welches der Filmemacher der Welt hinterlässt. In dem bedächtig an seiner Zigarre oder Pfeife rauchenden Gesicht Formans steckt jemand, der, wie auch die Figuren seiner Filme, sich nicht unterkriegen lassen will und an seiner Vision, wie das Zusammenleben mit anderen und die Welt im Allgemeinen aussehen könnte, festhält. Wenn dies heißt, dass es kein Happy End gibt, dann ist das eben so.
OT: „Forman vs. Forman“
Land: Tschechische Republik
Jahr: 2019
Regie: Helena Třeštiková, Jakub Henja
Drehbuch: Helena Třeštiková
Kamera: David Cysař
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