Die 25-jährige Katarina Huss (Karin Franz Körlof) verfolgt einen Traum: Sie will unbedingt eine große Polizistin werden. Einfach ist das nicht, vor allem wegen ihrer Mutter Irene (Kajsa Ernst), die selbst als Ermittlerin zu Ruhm kam und unter allen Umständen verhindern wollte, dass ihre Tochter ihr nachfolgt. Doch Katharina hat sich davon nicht unterkriegen lassen. Und so tritt sie als frischgebackene Absolventin der Polizei-Akademie den Dienst in der Kripo Göteborg an. Dort lernt sie recht schnell die Schattenseiten kennen, wenn die Erfahrenen unbedingte Loyalität einfordern. Das gilt besonders für Johan Jansson (Anders Berg), der immer wieder seine Position ausnutzt und Regeln nach Belieben bricht. Besser ist das Verhältnis zu Darius Kiani (Kardo Razzazi), dem Kati rasch näher kommt …
Altbekanntes in (neuer) Serie
Im Filmbereich sind Fortsetzungen, Remakes oder Reboots natürlich an der Tagesordnung. Am laufenden Band werden Titel produziert, die auf bekannten Franchises basieren oder anderweitig versuchen, von der Bekanntheit eines Werkes zu profitieren. Aber auch im Serienbereich kommt so etwas immer mal wieder vor. Das kann mal die Form von direkten Neuinterpretationen annehmen. Beliebt, zumindest bei Studiobossen, ist außerdem der Kniff, die bewährten Figuren in einem neuen Kontext zu zeigen. Aktuell wären das beispielsweise Fear of the Walking Dead, ein Ableger des Zombiehits, oder Der junge Wallander über den anfänglichen Werdegang des Kultkommissars.
In letztere Richtung sollte ursprünglich auch Huss – Verbrechen Am Fjord gehen. Die Idee war, die aus der Krimiserie Irene Huss – Kripo Göteborg bekannte Titelfigur bei ihren Anfängen zu zeigen. Am Ende entschied man sich aber dagegen und spinnt die ursprünglich von der schwedischen Autorin Helene Tursten erdachte Geschichte lieber mit der Tochter fort. Das hört sich zunächst vielleicht faul an, ist nicht gerade Beispiel höchster Kreativität. Und doch ist diese Verschiebung recht geschickt und bringt interessante Aspekte mit sich. Im Mittelpunkt steht hier eben keine Heldin, sondern jemand, der im Schatten dieser Heldin steht. Immer wieder wird vorgeführt, wie schwierig es für die Protagonistin ist, inmitten der vielen Fußspuren ihrer Mutter ihren eigenen Weg zu finden.
Der Blick hinter die Kulissen
Das führt dazu, dass Huss – Verbrechen Am Fjord oft die eigentlichen Krimipfade verlässt. So haben die fünf Doppelfolgen der ersten Staffel zwar jeweils einen eigenen Fall, an dem Huss und die anderen arbeiten. Beim Auftakt geht es beispielsweise um einen Waffenhändler. Später ist das Team unter anderem im Drogenmilieu und einem illegalen Bordell unterwegs. Wichtiger noch ist aber, wie hier hinter die Kulissen geblickt wird, um die Polizisten und Polizistinnen bei der Arbeit zu zeigen. Früh fällt dabei die nicht unproblematische Einstellung zum Thema Loyalität auf. Immer wieder wird darauf gepocht, dass alle zusammenstehen und sich gegenseitig schützen müssen. Das ist bei einem solchen Beruf einerseits nachvollziehbar, führt aber schnell zu kritischen Situationen, wenn dadurch Fehlverhalten vertuscht wird.
Auf diese Weise streift Huss – Verbrechen Am Fjord jede Menge Themen und versucht, Geschichten aus mehreren Blickwinkeln zu beleuchten. Da geht es mal um gesellschaftliche Aspekte, mal um Fragen der Moral. Wie begegnet man beispielsweise einem Mann, der regelmäßig seine Frau verprügelt, den man dafür aber nicht verurteilen kann? Das wird für ein Publikum, das von einem Krimi in erster Linie die Jagd auf Verbrecher erwartet, vielleicht nicht unbedingt befriedigend sein. Allein schon der Verzicht auf eine klare Einteilung in gut und böse verhindert das. Selbst Huss, die hier als klare Identifikationsfigur eingeführt wird, verhält sich nicht immer vorbildlich. Da weiß man zuweilen schon gar nicht mehr, wen man überhaupt anfeuern soll.
Selbstfindung zwischen Erwartungen und Gruppenzwang
Das ist dann zwar vielleicht nicht immer vom Handlungsablauf her spannend, in der recht ruhigen Serie wird mehr gesprochen als wirklich agiert. Aber es ist doch zumindest moralisch spannend, was in Huss – Verbrechen Am Fjord so aufgefahren wird. Gerade bei Huss selbst darf man neugierig sein, wie sich die Figur weiterentwickelt, zwischen dem Einfluss der noch immer bei der Polizei arbeitenden Mutter und den Kollegen, die ganz eigenen Regeln folgen. Dabei verurteilt die schwedische Serie nur selten, überlässt es lieber dem Publikum, sich bei allem selbst ein Bild zu machen und zu eigenen Schlüssen zu kommen. Beim Krimipart ist da sicher noch Luft nach oben. Da dürfen gern fesselndere Fälle gefunden werden. Als Charakterporträt und Einblick in den oft schwierigen Arbeitsalltag der Polizei, bei dem Diskriminierung und Gruppenzwang hässliche Ausmaße nehmen können, ist das Spin-off aber allemal sehenswert.
OT: „Huss“
Land: Schweden
Jahr: 2021
Regie: Jörgen Bergmark, Annika Appelin
Drehbuch: Peter Lindblom, Jörgen Bergmark, Hans Jörnlind, Anna Platt
Vorlage: Helene Tursten
Musik: Sveinung Nygaard
Kamera: Filip Lyman, Lisabi Fridell, Linus Eklund
Besetzung: Karin Franz Körlof, Kardo Razzazi, Victor Ståhl Segerhagen, Filip Berg, Anders Berg, Kajsa Ernst, Tove Wiréen, Yasemine Seifi
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