Im 14. Jahrhundert steht die Kirche vor ihrer größten Herausforderung, denn verschiedene Denkweisen und Tendenzen haben die Institution nicht nur in Mitleidenschaft gezogen, auch die Herrscherhäuser Europas verlangen Klarheit. Für sie geht es nicht nur um eine spirituelle Frage, sondern vor allem um Macht und Reichtum, was mit der Gunst eines Papstes naturgemäß leicht zu erreichen ist. Inmitten dieser Unruhen stehen viele Gelehrte, darunter auch der Böhme Jan Hus (Matej Hádek). Schon seit langer Zeit prangert dieser an der Karls-Universität wie auch von der Kanzel die Dekadenz vieler Kirchenvertreter an, nicht nur in Prag, sondern genauso über die Stadtmauern hinaus, was ihm viele Feinde gemacht hat. Seine Nähe zu König Wenzel (Vladimír Javorský) sowie zum Erzbischof (Petr Lnenicka) hat Hus bislang bewahrt, allzu sehr ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu gelangen. Als er dann aber immer mehr Partei ergreift für seine Kollegen an der Universität, die nicht nur für eine Reform der Kirche sind, sondern zudem die Thesen vieler als Ketzer verschriener Theologen vertreten, wird Hus dennoch zunehmend zum Ärgernis für die Kirchenoberen wie auch für Wenzel. Immer entschiedener tritt Hus gegenüber dem Volk auf, sodass er schließlich im Zentrum einer Unruhe im Volk steht.
Als dann ein neuer Papst gekrönt wird, gerät Hus zudem ins Fadenkreuz des Vatikans. Man verlangt Antworten von ihm und eine Stellungnahme zu den Vorwürfen des Ketzerei und des Aufhetzens des Volkes. Auf dem Konstanzer Konzil, für das ihm Wenzel freies Geleit gegeben hat, kommt es dann zum Prozess gegen Hus, der nicht nur über sein Schicksal entscheiden wird, sondern zudem Wegbereiter für eine Neuordnung der Kirche sein kann.
Das Zeitalter der Verführer
Die Biografie des böhmischen Gelehrten und Predigers Jan Hus war schon Gegenstand vieler Filme, Bücher und Serien, gilt er doch in Tschechien als Nationalheiliger. Anlässlich des 600. Todestages des Reformators wurde für das tschechische Fernsehen eine Mini-Serie in Auftrag gegeben, welche sich insbesondere auf den Ruf Hus’ als Reformator beziehen sollte sowie auf den historischen Kontext. Unter der Regie des vor allem für seine TV-Arbeiten bekannten Regisseurs Jirí Svoboda entstand so eine reich ausgestattete Serie, die nicht nur aufgrund ihrer Ausstattung positiv auffällt, sondern auch wegen ihres Fokus auf den Ideenstreit, in dessen Mitte sich Hus, wie viele andere, wiederfand und der ihm letztlich das Leben kostete.
Auch wenn man Jan Hus an vielen Stellen anmerkt, dass es sich um eine Fernsehproduktion handelt, so ist an der Inszenierung insbesondere die Sicht auf die Zeit der Reformation interessant. Immer wieder folgen Szenen von langen Wortgefechten oder Reden, welche das eigentliche blutige Gefecht in gewisser Weise ersetzen, aber als Folge ihrer Opfer unter den Bürgern fordern. Letztlich ist eine Serie wie Jan Hus als eine Chronologie der Ereignisse, eine Verdichtung von Konflikten zu verstehen, bei denen es in erster Linie um Macht und Reichtum ging und bei der sich die Verfechter des Wortes im Widerstreit fanden mit jenen weltlichen Herrschern, die nur allzu gut um die Verführbarkeit und die Manipulation von Menschen Bescheid wussten.
Wettstreit der Ideen
In niemandem zeigt sich dieser Konflikt zwischen Weltlichkeit und Idealen so wie in dem von Matej Hádek gespielten Jan Hus. Mit großer Inbrunst zeigt er einen Menschen, der tief überzeugt ist von seinem Weg und der sich nicht kaufen lassen will, was ihn naturgemäß zu einer viel größeren Bedrohung macht. Wie viele andere Figuren der Serie ist er auch in erster Linie ein Mann des Wortes, der den offenen, physischen Konflikt scheut, sich aber unversehens in dessen Mitte wiederfindet.
Mit einer Gesamtlänge von fast vier Stunden entwirft Svoboda ein breit aufgestelltes Zeit- und Sittengemälde. Die Ursprünge und Protagonisten der Reformation werden in ihrer Komplexität zumindest angerissen, was durchaus bisweilen auf Kosten der Übersicht über die einzelnen Handlungsstränge und deren Relevanz für die Gesamthandlung geht. Dennoch fällt eine solche Bemühung um historische Genauigkeit durchaus auch löblich auf, was nicht zuletzt an der Ausstattung zu merken ist.
OT: „Jan Hus“
Land: Tschechische Republik
Jahr: 2015
Regie: Jirí Svoboda
Drehbuch: Eva Kanturková
Musik: Michael Kocáb
Kamera: Vladimír Smutný
Besetzung: Matej Hádek, Vladimír Javorský, Michael Dlouhy, Petr Lnenicka, Marika Sposká, David Novotny, Lukas Melnik
https://www.youtube.com/watch?v=isjqIh403KA
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