Während seine Freunde im Abschlussjahrgang an der Highschool sich Gedanken über ihr Leben als Studenten oder ihre zukünftige Karriere Gedanken machen, denkt der Schüler Kiyozumi (Taishi Nakagawa) vor allem immer wieder über seinen Vater nach und wie stolz er wäre, wenn dieser jetzt bei ihm wäre. Diesen hat er leider nie kennenlernen dürfen, dafür aber die Geschichte, die ihn zum Helden macht in den Augen seines Sohnes: Vor vielen Jahren rettete er eine ganze Familie aus ihrem Auto, welches in einen Fluss gefahren war. Die Tat büßte Kiyozumis Vater mit seinem Leben, denn schließlich wurde er von den Fluten erfasst und viele Kilometer fernab der Unfallstelle aufgefunden. Seitdem wünscht sich Kiyozumi nichts mehr, als selbst einmal ein Held zu sein und seinen Vater stolz zu machen. Eines Tages ergibt sich für den Jugendlichen eine gute Gelegenheit, denn in der Schule bemerkt er, wie eine Schülerin der unteren Jahrgänge von ihren Klassenkameraden geärgert und mit Sachen beworfen wird. Als er jedoch versucht zu intervenieren, wehrt sich Hari (Anna Ishii) und fängt an zu schreien, bis sich auch Kiyozumi eingeschüchtert und irritiert zurückzieht.
Jedoch lässt sich Kiyozumi nicht so einfach von seinem Vorhaben abbringen, der Schülerin zu helfen, die, wie sich herausstellt, schon seit langer Zeit auf übelste Art und Weise von ihrem Jahrgang gemobbt wird. Schließlich findet er Zugang zu dem verschüchterten Mädchen, die letztlich zugibt, froh darüber zu sein, dass sich jemand für die einsetzt und sie nicht mehr so alleine ist. Mit gutem Rat und durch seine Unterstützung schafft es Hari sogar, in ihrer Klasse ein paar Freunde zu finden, doch ihre Probleme sind damit noch lange nicht beseitigt, denn als Kiyozumi ihren Vater (Shin’ichi Tsutsumi) kennenlernt, merkt er, dass sich hinter Haris Leiden noch eine ganz andere Wahrheit verbirgt.
Das UFO über mir
Schicksal, Zufall und Bestimmung sind nur einige der Hauptthemen der Filmografie des japanischen Regisseurs und Schauspielers Sabu (Dancing Mary, Drive), der mit bürgerlichem Namen Hiroyuki Tanaka heißt. Sein neuer Film My Blood and Bones in a Flowing Galaxy, der auf der diesjährigen Nippon Connection gezeigt wird, basiert auf einem Jugendroman der Autorin Yuyuko Takemiya, welcher nicht nur viele der gerade genannten Themen in Sabus Filmen anspricht, sondern zudem eine Geschichte über Mobbing, Freundschaft und menschliche Abgründe ist.
Schon recht früh bemerkt der Zuschauer, dass Sabu sich über das Konstrukt einer Coming-of-Age-Story hinwegsetzt und vor allem die Bilderwelt der Romanvorlage nutzt für einige sehr treffende Kommentare über Mobbing und dessen Folgen. Während Kiyozumis Bild des Helden gleichsam Hürde wie auch Vorbild für den jungen Mann ist, spricht Hari, für ihren „Helden“ zunächst rätselhaft von Raumschiffen, die über ihr schweben würden und ihre stetigen Begleiter sind. Es sind diese Ideen, welche im Kontext der Handlung vielschichtig verankert sind und eine Art Symbol für Ausgrenzung und Isolation stehen. Selbst der nach außen hin in der Schulgemeinschaft integrierte Kiyozumi spricht von einer Form des Außenseitertums, was er besonders in seinen ersten Jahren an der Schule erlebte, bis ihn die Freundschaft zu seinem Klassenkameraden Gengo (Kai Inowaki) gewissermaßen rettete.
In der zweiten Hälfte von My Blood and Bones in a Flowing Universe wechselt die Handlung plötzlich das Genre und wird zu einem recht düsteren und abgründigen Familiendrama, ohne aber jene Themen zu vergessen, welche nun eine noch viel tiefer Bedeutung erlangen. Bereits in frühen Filmen wie Monday oder Drive erzählte Sabu von der Dunkelheit, die sich hinter der Fassade der Normalität verbergen kann, wobei Darsteller Shin’ichi Tsutsumi, der hier in der Rolle von Haris Vater zu sehen ist, das Spiegelbild einer Welt war, hinter der sich jene Abgründe verbergen. Sabu beweist abermals, wie kunstvoll er seine Themen miteinander verknüpft, aus immer neue Bedeutungsebenen bringt und zu zuletzt sogar eine spirituelle Dimension eröffnet.
Über Helden und wie man einer wird
Nicht immer haben es die „Helden“ in Sabus Filmen leicht. Nicht gerade mit Superkräften ausgestattet, ist es eher der Zufall oder die Vorsehung, welche sie zu Helden macht, auch wenn sich hierbei teils desaströse Konsequenzen ergeben. Der von Taishi Nakagawa gespielte Kiyozumi ist keine Ausnahme, auch wenn er weit von jenem Drückebergertum entfernt ist, was beispielsweise die Hauptfigur in Monday oder Drive auszeichnet. Dennoch lastet das Erbe des Vaters, des eigentlichen Helden in der Vorstellung des jungen Mannes, schwer auf ihm, sodass es in der Geschichte nicht zuletzt um die Emanzipation von diesem Bild geht oder eben über dessen Entsprechung.
In vielerlei Hinsicht bietet also My Blood and Bones in a Flowing Universe abermals eine Geschichte, deren Verstrickungen und Themen man vom Regisseur gewohnt ist, wobei insbesondere das Porträt der beiden Außenseiter gelungen ist, auch dank der Darsteller. Leider scheint auch Sabus Film von einer problematischen Tendenz im japanischen Kino ergriffen worden zu sein, denn ein etwas konsequenterer Schnitt oder ein etwas gestraffteres Drehbuch hätten der Geschichte sehr gut getan. Besonders gegen Ende ergeben sich einige ärgerliche Längen und Szenen gehen länger, als ihnen guttut, was den Erzählfluss des Filmes teils empfindlich stört.
OT: „Kudakechiru tokoro o misete ageru“
Land: Japan
Jahr: 2020
Regie: Sabu
Drehbuch: Sabu
Vorlage: Yuyuko Takemiya
Musik: Junichi Matsumoto
Kamera: Tomo Ezaki
Besetzung: Anna Ishii, Taishi Nakagawa, Shinichi Tsutsumi, Kai Inowaki, Kaya Kiyohara
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