Polizeiruf 110 An der Saale hellem Strand
© MDR/filmpool fiction/Felix Abraham

Polizeiruf 110: An der Saale hellem Strand

Inhalt / Kritik

Polizeiruf 110 An der Saale hellem Strand
„Polizeiruf 110: An der Saale hellem Strand“ // Deutschland-Start: 30. Mai 2021 (Das Erste)

Drei Monate ist es inzwischen her, dass Uwe Baude ermordet im Eingang seines Hauses gefunden wurde, getötet durch mehrere Stiche in Unterleib und Lunge. Doch noch immer wissen Kriminalhauptkommissar Henry Koitzsch (Peter Kurth) und Kriminalkommissar Michael Lehmann (Peter Schneider) nicht, was in jener Nacht vorgefallen ist. Von dem Täter fehlt jede Spur. Sie wissen ja nicht einmal, warum ihn jemand umgebracht haben sollte. Eine groß angelegte Funkzellenauswertung soll nun endlich Licht ins Dunkle bringen. Dabei rücken besonders der vorbestrafte Maik Gerster (Till Wonka), der desorientierte pensionierte Eisenbahner Günter Born (Hermann Beyer) und die lebenslustige Kellnerin Katrin Sommer (Cordelia Wege) in den Mittelpunkt des Interesses …

Das verkannte Ereignis

Auch wenn es dem Polizeiruf 110 gelungen ist, selbst nach der Wende noch relevant zu bleiben und fortgesetzt zu werden, der Unterschied zum Tatort ist schon frappierend. Während Letzterer jedes Jahr mit Dutzenden von Folgen bedacht wird, ist das in der DDR entstandene Konkurrenzprodukt mit einer Handvoll zufrieden. Und auch bei der Feier des Jubiläums offenbart sich eine Zweiklassenbehandlung. Die westdeutsche Krimireihe wurde im Vorfeld durch zahlreiche Sonderproduktionen gewürdigt. Das Jubiläums selbst bestand aus der Doppelfolge In der Familie, bei der die Münchner und Dortmunder gemeinsame Sache machen. Die ostdeutsche Variante, die 1971 folgte, wird nun ebenfalls 50 Jahre alt – und kaum einer bekommt es mit.

Dabei ist Polizeiruf 110: An der Saale hellem Strand, der 391. Fall der zur ARD gewechselten Krimireihe, rein filmisch gesehen ein deutlich größeres Ereignis, als es die meisten Tatort-Produktionen sind. Einen spektakulären sich über mehrere Länder hinwegziehenden Fall gibt es hier nicht. Stattdessen legt der Film wie schon bei der letzten Folge Sabine großen Wert auf den Menschen. Einen so großen, dass der Fall an sich in den Hintergrund rückt. Erneut geht es hier um die Abgehängten, um Menschen, die etwas verloren durch die Welt taumeln. Günter Born findet kaum noch den Weg nach Hause, muss sich mühsam an den Gleisen orientieren. Katrin Sommer vergnügt sich mit mehreren Männern, weil sie sich nicht entscheiden kann. Maik Gerster wiederum darf nicht entscheiden, nicht als Verbrecher.

Eine Geschichte voll trauriger Details

Diese und weitere Geschichten webt Regisseur und Co-Autor Thomas Stuber (Hausen, In den Gängen) geschickt zu einem Bild zusammen, das gleichermaßen verwirrend und stimmig ist. Anstatt schnurstracks dem Mörder hinterherzujagen, nimmt sich der Film die Zeit genauer hinzusehen. Da sind viele interessante Details dabei, oft trauriger Natur. Wenn ein Handy nur drei Nummern gespeichert hat – die der Frau, die eines Taxi-Unternehmens und die eines Anschlusses, den es nicht mehr gibt –, dann braucht es keine weiteren Worte, damit das eigene Herz verkrampft. Polizeiruf 110: An der Saale hellem Strand ist voll von diesen Beispielen, wie Menschen den Anschluss verloren haben, irgendwie da sind und doch auch nicht.

Das ist gefüllt mit Verweisen auf früher, sowohl auf die Reihe wie auch das Leben im Osten. So tritt beispielsweise Andreas Schmidt-Schaller noch einmal als Thomas Grawe auf, den er in Polizeiruf 110 von 1986 bis 1995 rund dreißig Mal spielte, vom einfachen Leutnant bis zum späteren Polizeikommissar. Da darf natürlich fleißig kommentiert werden, was heute anders ist als früher. Doch auch wenn An der Saale hellem Strand von einer gewissen Nostalgie geprägt ist, Klänge von früher durch die dunklen Bilder schweben, da wird sich nicht im vergangenen Glanz gesonnt. Allein schon deshalb weil es hier nirgends einen Glanz zu finden gibt. Das ist alles etwas heruntergekommen, trist, spröde.

Eigen und sehenswert

Und eben traurig. Aber es ist nicht die laute Trauer, die sich in Sabine mit einem Knall entlud. Hier ist sie versteckter: in Betten, die niemand teilte, in alten Gedichten. Wer sich darauf einlassen kann, dass das hier nur zum Teil ein Krimi ist und eine üblicherweise geradlinige Suche zu einer allgemeinen Sinnsuche ausfranst, der findet mit Polizeiruf 110: An der Saale hellem Strand einen der sehenswertesten TV-Krimis dieses Jahres. Der Mord selbst ist nur Aufhänger. Hier gibt es kaum Handlung, dafür viele Dialoge und noch mehr Atmosphäre. Die Geschichte um einen rätselhaften Mord wird zu einem verqueren und doch lebensnahen Kaleidoskop der Seitenstraßen, in denen viel mit Schatten gespielt wird. Und doch schimmert darin immer eine Menschlichkeit, welche den meisten Konkurrenzprodukten abgeht und die neugierig macht auf künftige Filme des neu eingeführten Teams.

Credits

OT: „Polizeiruf 110: An der Saale hellem Strand“
Land: Deutschland
Jahr: 2021
Regie: Thomas Stuber
Drehbuch: Thomas Stuber, Clemens Meyer
Musik: Bert Wrede
Kamera: Nikolai von Graevenitz
Besetzung: Peter Kurth, Peter Schneider, Till Wonka, Hermann Beyer, Eva Weißenborn, Cordelia Wege, Andreas Schmidt-Schaller, Anita Vulesica

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In „Polizeiruf 110: An der Saale hellem Strand“ wurde ein Mann ermordet, eine Funkzellenauswertung soll endlich Licht ins Dunkle bringen. Der eigentliche Fall rückt dabei immer wieder in den Hintergrund. Stattdessen wird der TV-Krimi zu einem melancholischen Kaleidoskop, das unglaublich viel über die Menschen zu erzählen hat, ohne dafür viele Worte zu brauchen.
8
von 10