Eigentlich ist Sohnen nur eine kleine Gemeinde mitten im Hunsrück, in der nur wenige Menschen wohnten, aber nach dem Krieg und durch die Nähe zur einem US-Stützpunkt hat sich dies schlagartig geändert. Nicht nur leben nun mehr Menschen in der Umgebung, auch das Nachtleben hat sich sehr verändert mit mittlerweile vier Gaststätten, die sich sowohl auf die Einheimischen wie auch die GIs spezialisiert haben, den ganzen Abend lang Rockmusik spielen und in denen die Mädchen den Soldaten ein paar schöne Stunden machen. Doch auch die Männer des Ortes verdienen nicht schlecht an den Amerikanern, darunter der Fuhrunternehmer Robert (Helmut Wildt), der wie viele seiner Kollegen im Auftrag des Militärs Kies transportiert, wobei er mit örtlichen Unternehmern noch nebenher Geschäfte macht und die ein oder andere Ladung unter der Hand verkauft. Über die Jahre hat er sich, wie viele andere, ein gutes Leben aufgebaut, doch als er durch einen Zufall Inge (Ingmar Zeisberg) über den Weg läuft, holt ihn seine Vergangenheit ein, denn die beiden waren vor vielen Jahren einmal ein Paar, bevor ihn Inge eines Tages einfach verließ. Mittlerweile ist sie die Frau eines Soldaten, von Major John Gaines (Hans Cossy), und hofft auf ein besseres Leben mit ihm.
Da er immer noch viel für Inge empfindet, sucht Robert immer wieder ihre Nähe, doch sie versucht ihn abzuwimmeln. Als sie jedoch von einer Razzia gegen die illegalen Kiestransporte hört, warnt Inge Robert, der versucht, seine Ladung irgendwo abzuladen, was jedoch tragische Folgen hat. In einem Moment der Unachtsamkeit verursacht Robert einen Unfall, der zwei Bekannten das Leben kostet und für ihn das Ende seines derzeitigen Lebens bedeuten könnte, weshalb er die Leichen auf einer Baustelle unter der Ladung Kies begräbt. Geplagt von Schuldgefühlen, versucht Inge Robert zu überreden, sich der Polizei zu stellen, doch davon will der nichts wissen, auch nicht, als das CIA anfängt zu ermitteln, denn eines der Opfer war ein US-Soldat.
Unterm Kies begraben
Während der 8. Westdeutschen Kurzfilmtage Oberhausen wurde Regisseur Helmut Käutner (Lausbubengeschichten) für Schwarzer Kies sowie Der Traum von Lieschen Müller eine eher zweifelhafte Ehre zuteil, denn ihm wurde der Preis für die schlechteste Leistung eines bekannten Regisseurs von der Filmkritik verliehen. Nicht zuletzt wegen der Kontroverse um die Premierenfassung, gegen die der Zentralrat der Juden wegen einer Szene Beschwerde einlegte, dürfte sich dies ereignet haben. Doch aus heutiger Sicht erscheint dies eher als ein Missverständnis, geht es in Schwarzer Kies doch, wie in vielen Filmen Rainer Werner Fassbinders, um ein Porträt des Wirtschaftswunder-Deutschland, in dem Antisemitismus eine Facette des Alltags bildete.
Schon in der Eröffnungssequenz legen Käutner und Kameramann Heinz Pehlke den Grundstein für ihr düsteres Bild von Deutschland. Ein Hund wird von einem Stein erschlagen, in den Kies geworfen und letztlich unter diesem begraben, was nicht nur eine Vorausdeutung auf den weiteren Verlauf des Filmes darstellt, sondern sinnbildlich für einen Akt der Verdrängung und der emotionalen Verhärtung steht. Wie sich herausstellt, wurde vieles begraben, nicht nur zwischen den beiden Hauptfiguren, denn auch die Vergangenheit scheint wie unwillkommene Erinnerung, an die man nicht denken will. Die vom Zentralrat der Juden damals monierte Szene, in der ein Einwohner Sohnens einen Barbesitzer als „Saujude“ bezeichnet, ist dabei zentral, jedoch nicht wegen dem Akt der Beleidigung, sondern gerade wegen des betretenen Schweigens, welches folgt und in dem sich niemand dagegen ausspricht. Die wenig später folgende Tanzmusik verweist darauf, dass es nun einfach weitergeht, denn für die Erinnerung hat hier niemand Zeit.
Zwischen Konjunktur und neuer Angst
Helmut Käutners Inszenierung ist subtil, denn in dem Drama um den Mord und dessen versuchter Vertuschung, zeigt sich ein Bild einer Gesellschaft. Inge und Robert bilden in vielerlei Hinsicht Aspekte dieser Welt ab, haben sie sich doch mit der Zeit mit den Umständen arrangiert, denken vor allem an ihr eigenes Überleben und ihre Sicherheit. Die Soldaten stehen für das Versprechen auf ein anderes Leben als sie es vorher kannten, für wirtschaftlichen Aufstieg und Entwicklung, was einhergeht mit einem gewissen Hang zum Konformismus und der Konjunktur, welche auf keinen Fall gefährdet werden darf. Abermals darf der Akt des Zuschüttens mit Kies als zentrale Metapher gelten, doch auch als Fundament für eine Transformation des Menschen, attestieren Inge und Robert sich bei ihrem Wiedersehen doch vor allem, wie sehr sie sich verändert haben.
Daneben definiert vor allem die Angst das Leben der Menschen in Schwarzer Kies. Die ausdrucksstarke Schwarz-Weiß-Fotografie betont sowohl die Furcht der Charaktere vor einem erneuten Konflikt, genauso wie die moralischen Abgründe, jene emotionale Verhärtung, die man schon in den ersten Minuten gesehen hat. Wer weiß schon, was man noch alles findet, je tiefer man im Kies gräbt, welche Leichen, Ängste und Gefühle man entdeckt.
OT: „Schwarzer Kies“
Land: Deutschland
Jahr: 1961
Regie: Helmut Käutner
Drehbuch: Helmut Käutner, Walter Ulbrich
Musik: Bernhard Eichhorn
Kamera: Heinz Pehlke
Besetzung: Helmut Wildt, Ingmar Zeisberg, Hans Cossy, Wolfgang Büttner, Anita Höfer, Heinrich Trimbur
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