Das Erlebnis, das Musik ihrem Zuhörer gewährt, sofern sich dieser darauf einlassen will, ist unvergleichlich. Die Hingabe und Leidenschaft der Musiker, ausgedrückt in den Instrumenten, den Klängen wie auch den Harmonien, überträgt sich auf den aufmerksamen Zuhörer, der von der Musik mitgenommen wird auf eine Reise, die ihn letztlich zu sich selbst zurückführt. Musik ist aber nicht nur Selbsterfahrung, sondern auch Welterfahrung, welche schlussendlich die Inspiration war für diesen Song oder diese Komposition. Diese Tendenz zum Ursprünglichen in der Musik macht sie in gewisser Weise zu einem Ausdruck der Natur, wie beispielsweise in den Kompositionen eines Bedrich Smetana, der im Stück Vlatva den Verlauf der Moldau nachempfindet, oder aber die unzähligen Songs, welche den Ur-Emotionen wie Wut, Angst oder tief empfundene Liebe einen Ausdruck verleihen. In Verbindung mit anderen Künsten ist Musik nicht wegzudenken und betont im Film eine Stimmung oder ein Thema, weshalb sie beispielsweise im Schaffen des japanischen Regisseurs Toshiaki Toyoda (The Miracle of Crybaby Shottan) eine so wichtige Rolle spielt.
Vor allem Punk und Rock sind maßgebliche Faktoren, wenn es um die Wirkung und die Atmosphäre seiner Filme geht. Von frühen Werken wie Blue Spring oder 9 Souls bis hin zu The Day of Destruction sind es gerade diese Musikrichtungen, die für die Rebellion, den Frust und den Aufruhr stehen. Allerdings können Toyodas Filme auch in eine ganz andere Richtung gehen, was er nicht nur Dokumentation wie The Planetist bewiesen hat, sondern auch mit Shiver, für den er das japanische Taiko-Ensemble Kodo und den Komponisten Koshiro Hino filmte. Für das Projekt, welches, zusammen mit zwei weiteren Filmen des Regisseurs, auf der diesjährigen Nippon Connection zu sehen ist, reiste Toyoda auf die Insel Sado, wo Hino, zusammen mit dem Ensemble, an neuer Musik arbeitete. Das Ergebnis ist eine Mischung aus Dokumentation und Musikvideo, die vor allem die Kraft dieser Musik betont, welche in einem Wettstreit zu sein scheint mit der Natur sowie den Geistern oder Göttern, welche die Orte behausen, in denen sie ihre Musik spielen.
Einklang und Wettbewerb
Im Grunde ist Shiver eine Aneinanderreihung verschiedener Stücke der Musiker, gefilmt vor der eindrucksvollen Kulisse der Insel, welche von Toyoda angereichert wird durch verschiedene Aufnahmen der prächtigen Natur oder aber jener Geister, dargestellt von Mitgliedern des Ensembles in rituellen Gewändern und Masken. Dieser Ansatz ist zunächst etwas gewöhnungsbedürftig, wie auch die Musik dem Zuschauer erst einmal fremd erscheint, doch mit der Zeit überträgt sich die jeweilige Stimmung der einzelnen Stücke auf das Publikum und wird zu einer ganz besonderen Erfahrung. Die Trommeln wie auch die vielen anderen Percussion-Instrumente erschaffen einen reichen Klangteppich, definiert von diversen Rhythmen und Harmonien, welche sehr unterschiedliche Bilder im Kopf des Zuschauers erschaffen, beispielsweise den Kampf einer Horde Krebse oder ein aufkommendes Unwetter.
Die Musik, ihre Kreation, ihr Einklang wie auch ihr Wettbewerb mit der Natur inszeniert Toyoda mal auf sehr meditative Weise, dann wieder mit großer Theatralik. Nicht nur die reichen Bilder – die des Filmes an sich wie auch die, welche im Kopf des Betrachters entstehen – sind es, die Toyodas Film definieren, sondern auch die Musiker an sich, die mit teils großer Kraftanstrengung und Konzentration an ihre Aufgabe gehen, so, als müssten sie selbst einen Kampf austragen, dessen Ausgang nicht gewiss ist und der ihnen alles abverlangt.
OT: „Senritsu seshimeyo“
Land: Japan
Jahr: 2021
Regie: Toshiaki Toyoda
Musik: Koshiro Hino, Kodo
Kamera: Kenji Maki
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