The 800

Seit dem Einmarsch der Kaiserlich Japanischen Armee im Juli 1937 befindet sich China im Kriegszustand. Einer der besonders umkämpften Orte ist Shanghai: Der Feind steht vor den Toren und drängt darauf, die so wichtige Stadt einzunehmen. Doch dort erwartet sie eine erbitterte Gegenwehr. Mehrere Hundert Soldaten haben sich in einem Lagerhaus verschanzt und sind bereit, dieses bis zu ihrem Tod gegen die Invasoren zu verteidigen. Immer wieder stürmen die Japaner auf das Gebäude, nehmen es unter Beschuss, kommen aber nicht an den Männern vorbei, die sich als letzte Bastion und Hoffnungsträger verstehen. Doch je länger die Gefechte andauern, umso mehr schwindet bei ihnen selbst die Hoffnung, den übermächtigen Feind abhalten zu können …

Die Geschichte eines Triumphs

Symbolischer hätte das wohl kaum sein können. Während der Westen 2020 unter den Folgen der Corona-Pandemie kollabierte, würgte China, von wo aus sich das Virus über die ganze Welt verbreitete, durch rigorose Maßnahmen die Seuche ab. Und das hinterließ auch an den Kinokassen Spuren. Die großen Hollywood-Filme wurde entweder auf unbestimmte Zeit verschoben oder fuhren wie Tenet nur enttäuschende Einspielergebnisse ein. Mit The 800 stand so ein chinesischer Film an der Spitze der internationalen Jahrescharts. Ein Film, der auch noch zum Thema hat, wie das Land über andere triumphierte. Das passte natürlich gut zu dem eigenen Anspruch einer neuen Weltordnung.

Dafür wird auf ein reales Ereignis aus dem Zweiten Japanisch-Chinesischen Krieg zurückgegriffen, das immer wieder Anlass für nationalen Stolz ist: Ein paar Hundert Chinesen trotzten 20.000 Japanern. Wenn eine vergleichsweise kleine Gruppe sich gegen einen übermächtigen Feind zur Wehr setzt, dann ist das immer für eine Heldengeschichte gut. Da werden dann auch gern mal ein paar Details unter den Teppich gekehrt. So waren die legendären 800 in Wirklichkeit nur 452, die Zahl wurde seinerzeit frisiert, um die Menschen beeindrucken. Außerdem war der Kampf um das Lagerhaus strategisch gesehen gar nicht so wichtig, hatte vielmehr Symbolcharakter. Dass hier eine Division der Nationalrevolutionären Armee kämpfte, Feinde der Kommunisten, wird dabei ebenfalls gern beiseitegeschoben.

Ein Kampf an der Oberfläche

Ohnehin: Inhaltlich sollte man sich von The 800 nicht allzu viel versprechen. Gerade bei der Figurenzeichnung bleibt man notgedrungen an der Oberfläche, dafür sind einfach zu viele Soldaten an dem Kampf beteiligt. Vereinzelt versucht Regisseur und Drehbuchautor Hu Guan zwar, das Publikum daran zu erinnern, dass es sich hier um lauter Individuen handelt, mit eigenen Schicksalen und Gefühlen. Am Ende reicht aber die Zeit nicht, um da stärker in die Tiefe zu gehen, selbst wenn die Laufzeit mit zweieinhalb Stunden nicht eben knapp ist. Dafür gibt es dann von Patriotismus und Pathos geprägte Dialoge, in denen die Heldentaten gefeiert werden, wie man es zuletzt in einer Reihe chinesischer Filme sah – etwa Wolf Warrior.

Interessante inhaltliche Aspekte gibt es in The 800 aber durchaus. So verschweigt Guan nicht, dass der Krieg eben keine rein glorreiche Veranstaltung ist, sondern hohe Verluste fordert. Selbst wer nicht in den andauernden Kämpfen sein Leben lässt, ist vom Krieg gezeichnet. Am Schauplatz herrscht keine Euphorie, sondern eine Mischung aus Verzweiflung und Durchhalteparolen. Verstärkt wird dies dadurch, dass das rettende Ufer in unmittelbarer Nähe ist – wortwörtlich, auf der anderen Seite des Flusses liegen die internationalen Konzessionen, die von dem Krieg unberührt bleiben. Der unmittelbare Kontrast zwischen dem Kriegsschauplatz und dem von Luxus geprägten Alltag gehört mit seiner surrealen, menschenverachtenden Anmutung zu den stärksten Szenen des Films.

Opulente Optik

Ansonsten ist es vor allem die Optik, welche The 800 selbst für ein weniger patriotisch veranlagtes Publikum sehenswert macht. Geradezu opulent ist es, was Guan und sein Team hier aufgetischt haben. An Aufwand wurde dabei nicht gespart: Rund 80 Millionen US-Dollar soll das Budget betragen haben, für chinesische Verhältnisse Unsummen. Investiert wurden die vor allem in die eigens für den Film errichteten Gebäude. Aber auch der Computer kommt ausgiebig zum Einsatz. Das sieht dann zwar alles ziemlich künstlich aus, woran die schon sehr aufdringlichen Farbfilter ihren Anteil haben. Vor allem unnatürliche Gelbtöne dominieren das Geschehen. Dennoch ist es beeindruckend, was zusammengetragen wurde. Der Blockbuster will vorrangig überwältigen und ist dabei durchaus effektiv: Man ist so sehr damit beschäftigt, die wuchtigen Actionszenen zu verarbeiten, dass man kaum noch daran denkt, den Inhalt zu hinterfragen.