A Bright Summer Diary

A Bright Summer Diary

Inhalt / Kritik

Unsere Erinnerung ist ein oft tückischer Bestandteil unseres Menschseins. Oft liegen Bilder, Momente, Stimmen oder Szenen tief verborgen, bis diese dann, scheinbar urplötzlich, ans Tageslicht kommen, ausgelöst durch einen banalen Reiz in unserer Umwelt. Auch wenn das Wissen darüber, wie dieses System biologisch funktioniert, sehr gewachsen ist, ist das Gehirn und damit auch die Erinnerung so etwas wie eine Blackbox, deren Funktionsweise man nur in rudimentärer Form begreift. Darüber hinaus kommt es immer wieder zu Vermischungen oder Überlappungen, wenn beispielsweise eine persönliche Erinnerung, bei der wir uns sicher sind, sie so auch erlebt zu haben, sich als etwas anderes herausstellt, als ein Bild aus einem Film oder einem kollektiven Moment, der keinesfalls nur exklusiv für uns gedacht war. Vielleicht ist es gerade das literarische Motiv des „stream-of-consciousness“, was der Idee des Gedächtnisses und der Erinnerung am nächsten kommt, eines geordneten Chaos, in welchem immerzu und zu aller Zeit alle Verbindungen da sind .

Dann gibt es solche Momente, in denen sich eben diese Erinnerungen überlappen und wir uns dieser Vielzahl an Verbindungen bewusst werden. Einen solchen Moment erlebte der in China geborene Künstler und Filmemacher Lei Lei, als er 2019 zurückkehrte zum Berg Lu Shan, in eben jene Region, in der er aufwuchs und seine Kindheit verbrachte. Wie er auf seiner Homepage schreibt, war dies das erste Mal seit 20 Jahren, dass er wieder in diese Region kam, wobei sich alsbald Erinnerungen an Familienausflüge einstellten sowie Verbindungen zu dem kollektiven Gedächtnis einer Nation. Diese Eindrücke verband er zu einer Mischung aus Erinnerungs- und Experimentalfilm mit dem Titel A Bright Summer Diary, in der er neben der Aufnahmen von 2019 zudem Fotos, Filme sowie Archivaufnahmen verarbeitete. Das Ergebnis fand international sehr viel Anerkennung und wurde unter anderem auf den Internationalen Film Festival Rotterdam sowie auf dem Montreal International Documentary Festival 2020 gezeigt.

Die Bilder und Filme in meinem Kopf

Der Zuschauer von A Bright Summer Diary wird sich während der Sichtung wohl an Museumsinstallationen erinnert fühlen, mit denen der Kurzfilm durchaus sehr viel gemein hat. Nicht nur die visuelle Verfremdung der Bilder, welche durch die Unterschiede in deren Material noch verstärkt werden, sondern auch die auditive Verzerrung kommen dem Versuch nahe der Komplexität der Erinnerung nahezukommen. Überblendungen sowie wiederkehrende Motive, wie beispielsweise Spiegel und Uhren, zeigen die Kunstfertigkeit des Kurzfilms an, verweisen aber genauso auf die Vermischung verschiedener Erinnerungsebenen.

Scheinbar absichtlich vermischen sich Bilder- und Klangebenen miteinander, betonen, dass selbst dem Urheber die Unterscheidung zwischen Persönlichem und Kollektivem nicht immer leicht fällt. Der Besuch in der einstigen Villa Mao ist ein solcher Moment im Film, in dem sich die Ebenen überlagern, wo verwiesen wird auf den Vater, der während der Kulturrevolution im Arbeitslager war und auf den Personenkult um den politischen Führer Chinas. Beständig scheint jedoch nichts in diesem Bilderstrom zu sein, da sich immer neue Verweise ergeben, was Lei Leis Film eine gewisse Rastlosigkeit gibt.

Credits

OT: „Gong yuan ri ji“
Land: USA
Jahr: 2020
Regie: Lei Lei
Drehbuch: Lei Lei
Musik: Lei Lei
Kamera: Lei Lei



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"A Bright Summer Diary" ist ein experimenteller Erinnerungsfilm. Regisseur Lei Lei vermischt verschiedene Klang- und Bilderebenen zu einem Strom des Bewusstseins und der Erinnerung, bei dem der Zuschauer bisweilen Probleme hat mitzuhalten.