Die Geschichte einer Revolution und der Zeit nach ihr ist eine, die geprägt ist von der Hoffnung auf einen Neuanfang, doch zugleich von einer Realität, in der sich neue Machtstrukturen etablieren und nicht selten vieles vielleicht sogar noch schlimmer wird, als es vor der Revolution war. Dies muss nicht zwangsläufig so sein, jedoch gibt es in der Geschichte viele Beispiele für einen solchen Verlauf, wenn man an die Französische Revolution und die darauf folgende Terrorherrschaft denkt oder an die Islamische Revolution, welche zwar die Monarchie im Iran abschaffte, doch zugleich den Weg ebnete für eine neue Form der Unterdrückung, deren Folgen wir bis heute spüren und die weit über die Grenzen des Landes hinausgehen. Die Geschichte des Arabischen Frühlings, welche zur Absetzung vieler Diktatoren in Ländern wie Ägypten oder Libyen führte, ging leider einen ähnlichen Weg, was einen sehr traurig stimmt, bedenkt man, mit welcher Hoffnung man die Berichterstattung über dieses Ereignis zu Beginn der 2010er Jahre verfolgte.
In Ägypten wurde das repressive Regime Hosni Mubarak abgelöst von Mohammed Mursi und der Muslimbrüderschaft, welche zwar zunächst für einen Neuanfang standen, bis sich auf einmal Strukturen, politische wie auch soziale, zeigten, die eben diese Errungenschaften der jungen Menschen, die in Kairo auf dem Tahrir-Platz demonstrierten, zunichtemachte. Ausgerechnet am 25. Januar 2013, dem zweijährigen Jubiläum der Revolution, zeigte sich diese andere, hässliche Seite, als an eben diesem Ort es zu mehreren sexuellen Übergriffen kam und in den Folgetagen für mehrere Solidaritätsbekundungen von Frauen kam, die eine solche Form der Gewalt nicht mehr hinnehmen wollten. Für die palästinische Filmemacherin Samaher Alqadi war dies ein Moment, der sie zur Kamera greifen ließ und den man als Ausgangspunkt für ihre Dokumentation As I Want, die auf der Berlinale 2021 zu sehen ist, betrachten kann. Die Begegnung mit den Frauen in Ägypten, die nun gegen das Bild der Frau und damit die Politik eines Mohammed Mursi demonstrieren, fällt zusammen mit der Schwangerschaft der Filmemacherin und wird zugleich ein Rückblick in ihre eigene Biografie, auf Männer- wie auch Frauenbilder.
Ein Leben voller Sorgen
Einen Jungen zur Welt zu bringen, ist ein Beweis für Stärke, während ein Mädchen ein Leben voller Sorgen und Not nach sich zieht, heißt es gleich zu Anfang von As I Want. Es ist ein Satz wie dieser, der zugleich vorausdeutet, was Alqadi mit ihrer Dokumentation zeigen will, nämlich jenes Bild der Frau, das es Männern erlaubt, diese auf der Straße zu belästigen, zu beleidigen und zurechtzuweisen, sollte sie sich nicht nach ihren Vorstellungen kleiden. Das Perfide ist, dass sich zu den Beleidigungen auch noch jene „gut gemeinten“ Ratschläge gesellen, die tief in die Seele eines Menschen, eines Glaubens und einer Nation blicken lassen, in der Gewalt gegen Frauen zu einer Facette des Alltags geworden ist, zu einer Form der Repression, gegen die man sich wehren muss, wenn man nicht zu einem Opfer werden will. Um dies zu betonen, nimmt Alqadi ihren Zuschauer mit auf einen Gang durch die Straßen der ägyptischen Hauptstadt mit versteckter Kamera, während dem man Zeuge wird, wie sie von Fremden angemacht und beleidigt wird.
Doch As I Want scheint sich nicht nur als eine Illustration des gegenwärtigen Zustandes zu verstehen, sondern vielmehr als eine Art Ursprungsforschung, welche von einem Symptom ausgeht. Hierfür bezieht sich Alqadi auf ihr eigenes Leben, lässt Szenen aus diesem nachstellen und reflektiert, wie sich Formen der Repression und der Gewalt bis in die Familie zurückverfolgen lassen. Das Trauma ist zu einer Realität geworden, zu einem Alltag, der seine Opfer zur Katatonie verdammt, aus der man nun endlich aufwachen soll.
OT: „As I Want“
Land: Ägypten, Palästina, Norwegen, Frankreich, Deutschland
Jahr: 2021
Regie: Samaher Alqadi
Drehbuch: Samaher Alqadi
Kamera: Samaher Alqadi, Karim El Hakim
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