Die Auserwählten
© WDR/Katrin Denkewitz

Die Auserwählten

Inhalt / Kritik

Die Auserwählten
„Die Auserwählten“ // Deutschland-Start: 1. Oktober 2014 (Das Erste) // 3. Oktober 2014 (DVD)

Für Petra Grust (Julia Jentsch) scheint ein lang gehegter Traum in Erfüllung zu gehen, als sie Ende der 1970er an der Odenwaldschule ihre Stelle antritt. Schon immer wollte sie Lehrerin werden. Und dann darf sie auch noch mit Simon Pistorius (Ulrich Tukur) zusammenarbeiten, der die Schule leitet und einen hervorragenden Ruf genießt. Doch der erste Eindruck trügt. Immer wieder kommt es zu irritierenden Vorfällen, sowohl auf Schüler- wie auch Lehrerseite – etwa als sie einen Kollegen sieht, der nackt mit einem Schüler im Auto sitzt. Als sie diesen Vorfall melden will, wird sie jedoch schroff zurückgewiesen. Und das scheint kein Einzelfall zu sein. Vor allem der 13-jährige Frank Hoffmann (Leon Seidel) bereitet ihr zunehmend Sorgen, da er einen verstörten Eindruck macht, dabei aber von niemandem ernst genommen wird, nicht einmal von seinem eigenen Vater (Rainer Bock) …

Erinnerung an zahlreiche Opfer

Dass es in der katholischen Kirche zu systematischem Missbrauch an Kindern kam, ist nicht wirklich ein Geheimnis. Ebenso bekannt ist aber auch, dass die Institution sich kontinuierlich dagegen sträubt, die Vorkommnisse aufzuklären oder gar Verantwortung hierfür zu übernehmen. Filme wie Gelobt sei Gott zeigen auf, wie schwierig es ist, in diesem Bereich für Gerechtigkeit zu sorgen. Dabei kann es genauso in anderen Kontexten zu einem solchen Missbrauch kommen. Einer der bekanntesten und erschreckendsten Fälle war sicherlich der der Odenwaldschule. Während der 1970er und 1980er verging sich deren Leiter an einer Reihe von Kindern. Und auch andere Lehrkräfte machten sich schuldig, mehrere Hundert Opfer sollen es im Laufe der Zeit gegeben haben. Doch erst in den 2010ern kam es zu einer allmählichen Aufarbeitung, die aber wegen Verjährung ohne juristische Konsequenz blieb.

Regisseur Christoph Röhl (Verteidiger des Glaubens) war selbst eine Zeit lang Tutor an der Schule, weshalb er das Thema gleich mehrfach aufgriff. Erst drehte er 2011 den Dokumentarfilm Und wir sind nicht die Einzigen, drei Jahre später folgte mit der TV-Produktion Die Auserwählten eine Spielfilmfassung, welche die Vorgänge fiktionalisiert. Dabei nimmt er die Perspektive einer ambitionierten Lehrerin ein, die mit viel Enthusiasmus startet, weshalb der Schock umso größer ist, als sie den Missbrauch erahnt. Sie ist dann auch die einzige, die zumindest den Versuch startet etwas zu unternehmen. Doch dabei scheitert sie an der Beliebtheit des Leiters, der sie alle um den kleinen Finger gewickelt hat. Sie scheitert aber auch an den Lehrkräften und Eltern, die sich letztendlich nicht genug um ihre Kinder kümmern.

Ein System des Wegschauens

Damit prangert Die Auserwählten einerseits die direkten Täter an, gleichzeitig aber auch die vielen anderen, die immer weggeschaut haben, weil sie mit dem Thema nichts zu tun haben wollten. Wie viel diese Leute tatsächlich gewusst haben, lässt Röhl dabei offen. Es geht auch weniger um die Schuld des Einzelnen, sondern vielmehr ein ganzes System, in dem solche Vorfälle überhaupt möglich waren. Das war zum Teil sicherlich auch ideologisch bedingt. An der Odenwaldschule galt das Prinzip der freien Entfaltung. Wenn Grust anfangs ganz klassisch für die Wissensaufnahme kämpft und mit schlechten Noten droht, wird sie von der Klasse ausgelacht. Und in einem Umfeld, in dem alles erlaubt sind, werden Grenzen sicher weniger als solche noch wahrgenommen.

So richtig tief geht die Auseinandersetzung mit dem Thema aber nicht. Die Auserwählten gibt keine wirkliche Erklärung dafür, warum das alles geschehen ist. Es geht in dem TV-Drama mehr darum, die Situation als solche aufzuzeigen, dazu die Verzweiflung derjenigen, die schutzlos ausgeliefert sind. Dass dabei Fragen offen bleiben, gehört sicherlich zum Konzept. Dennoch ist an manchen Stellen die Verwunderung groß, was das Verhalten der Figuren angeht. Das ist nicht immer ganz nachvollziehbar. Insgesamt hält sich der Informationsgehalt auch eher in Grenzen, nicht zuletzt wegen der fiktionalen Interpretation. Man ist im Anschluss nicht wirklich schlauer. Schockierend sind die Szenen aber durchaus, zumal Ulrich Tukur (Meeresleuchten) bemerkenswert widerwärtig auftritt. Die Szenen dienen zudem als eine Aufmunterung, den Geschichten anderer zuzuhören, so unglaublich diese erst einmal erscheinen mögen. Eine Aufmunterung, die in den letzten Jahren im Rahmen von #MeToo noch einmal an Aktualität gewonnen hat.

Credits

OT: „Die Auserwählten“
Land: Deutschland
Jahr: 2014
Regie: Christoph Röhl
Drehbuch: Sylvia Leuker, Benedikt Röskau
Musik: Ali N. Askin
Kamera: Peter Steuger
Besetzung: Ulrich Tukur, Julia Jentsch, Leon Seidel, Rainer Bock, Lena Stolze, Patrick Joswig

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„Die Auserwählten“ erinnert auf eine fiktionalisierte Weise an die Missbrauchsvorfälle an der Odenwaldschule. Das TV-Drama gibt dabei keine wirklichen Antworten oder sorgt anderweitig für Erkenntnisgewinne, zeigt lediglich eine Situation, in der Kinder schutzlos ausgeliefert sind. Das schockiert noch immer und ist dabei ein Plädoyer, anderen Leuten zuzuhören und sie ernst zu nehmen, selbst wenn es schwer fällt.
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von 10