Stopp der Gewalt gegenüber Frauen! Das ist das Ziel von Blanca Ibarra (Antonia Giesen) und der anderen Jugendlichen, als sie vor ihrer Schule in der chilenischen Hauptstadt Santiago protestieren und den Zugang blockieren. Für ihre Kritik an einem Lehrer, der sich an sexuellen Übergriffen schuldig gemacht haben soll, erhalten sie jede Menge Aufmerksamkeit – aber nur wenig Unterstützung. Lediglich der Schulpsychologe Manuel (Alberto Guerra) schenkt den Mädchen Glauben. Als kurze Zeit später Blanca spurlos verschwindet und ein Video von einer Massenvergewaltigung auftaucht, vermuten die Kommissarin Olivia Fernández (Antonia Zegers) und ihre Kollegin Carla Farías (María Gracia Omegna) schnell einen Zusammenhang. Aber auch Celeste (Paula Luchsinger), die jüngere Schwester von Blanca, macht sich auf die Suche nach Hinweisen und nimmt die Spur einer Internetgruppe auf …
Wütende junge Männer wollen Sex
In den letzten Jahren machten immer mal wieder die Incels die Schlagzeilen, kurz für involuntary und celibate. Bezeichnet werden damit meist junge Männer, die keine Freundin finden und dafür in erster Linie die Frauen verantwortlich machen. Das klingt erst einmal erbärmlich, birgt aber reelle Gefahren, wenn sie sich im Internet zusammenrotten und gegenseitig in ihrem Hass bestärken. Notfalls mit Gewalt wollen sie sich das ihrer Meinung nach von der Natur vorgegebenen Recht zurückholen, selbst über Frauen zu bestimmen. Denn die sollte eigentlich dem Mann untergestellt sein. Das Thema ist ebenso erschreckend wie traurig, wird inzwischen immer mal wieder thematisch in Filmen aufgegriffen – unter anderem in Tatort: Borowski und die Angst der weißen Männer.
Auch die chilenische Serie Die Meute nimmt darauf Bezug, lässt sich dabei jedoch ein wenig Zeit. Zunächst scheint die Geschichte eher im #MeToo-Umfeld angesiedelt zu sein, wenn wir den Protesten der Schülerinnen folgen, die sich gegen ihren übergriffigen Lehrer auflehnen. Dabei zeigt sich das übliche Problem: Wo es keine Beweise gibt, da bleibt es bei Aussage gegen Aussage. Entweder man glaubt den Teenagerinnen und ihren Erzählungen oder tut es eben nicht. Für beides findet sich da immer jemand. Die immer schwierige Frage, wie in einem solchen Fall vorzugehen ist, wird aber recht schnell fallen gelassen. Mit dem Auftauchen der Internetgruppe, welche der Serie ihren Titel gibt, wird eine ganz andere Richtung eingeschlagen.
Suche nach Tätern und Opfer
Im Grunde gibt es zwei Hauptfragen, welche die überwiegend weiblichen Hauptfiguren antreiben. Was ist mit Blanca geschehen? Und wer sind die Männer, die sich in der anonymen Gruppe hinter einem anführenden Wolf versammeln? Beides hängt natürlich zusammen, so wie sich immer wieder einzelne Handlungsstränge in Die Meute überkreuzen. Das bleibt auch nicht aus bei derart vielen Figuren. Auch wenn an vorderster Front die Polizistinnen und die Schwestern stehen, drumherum scharen sich zahlreiche andere Männer und Frauen, die auf die eine oder andere Weise mit der Sache zu tun haben. Da kann man zwischendurch auch schon mal den Überblick verlieren, wer denn nun warum was wo unternimmt und wie mit wem verbandelt ist.
Während das aber nicht zwangsläufig ein Manko ist, sondern lediglich etwas mehr Aufmerksamkeit erfordert, gibt es zum Ende der ersten Staffel schon inhaltliche Schwächen. Auch wenn man sich die Auflösung irgendwie vorher denken kann, überzeugend ist das nicht. Da passiert schon einiges in Die Meute, was nicht wirklich Sinn ergibt, die Handlung wird zunehmend willkürlich. Gerade die Erläuterung der Motivation ist alles andere als plausibel. Da hätte man schon ein bisschen mehr Arbeit investieren dürfen, anstatt einfach nur irgendwelche aufgeschnappten Stichwörter zusammenzubasteln, in der Hoffnung dadurch gesellschaftlich relevant zu sein.
Gewalt aus dem Hinterhalt
Ein bisschen schade ist es ohnehin, wie hier eine bedenkliche Entwicklung reißerisch zu Unterhaltungszwecken umgeschrieben wird. Denn da hätte es schon einiges zum Thema zu sagen gegeben. Spannend ist Die Meute dafür aber schon, wenn acht Folgen lang durch die Gegend gerannt wird. Dass da zum Beispiel einer im Internet zu Gewalttaten anstachelt, ohne sich selbst die Hände schmutzig machen zu müssen, lässt einen schon unruhig vor dem Bildschirm hin und her rücken. Zudem verzichtet die Serie auf einseitige Heldinnen, sondern gesteht ihnen auch weniger vorbildliche Eigenschaften zu. Allgemein verschwimmen hier schon mal die Grenzen, wenn eben nicht alle Mitläufer der Internetgruppe brutale Dogmatiker sind. Manchmal wissen sie selbst nicht so recht, was sie tun sollen, wenn sie in einer Welt unterwegs sind, in der die Sehnsucht nach einfachen Wahrheiten groß ist, mögen sie noch so bescheuert sein.
OT: „La Jauría“
Land: Chile
Jahr: 2019
Regie: Lucía Puenzo, Nicolás Puenzo, Sergio Castro, Marialy Rivas
Drehbuch: Enrique Videla, Paula del Fierro, Leonel D’Agostino
Musik: Andrés Goldstein, Daniel Tarrab
Kamera: Nicolás Puenzo, Arnaldo Rodríguez
Besetzung: Antonia Zegers, María Gracia Omegna, Daniela Vega, Alberto Guerra, Paula Luchsinger, Mariana Di Girólamo, Lux Pascal, Antonia Giesen, Clemente Rodríguez, Francisco Reyes, Giordano Rossi, Raimundo Alcalde, Agustín Silva, Jorge Arecheta, Claudia Di Girólamo
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