Im Brasilien der 1970er Jahre gibt es für den jungen Victor (Filipe Bragança) nichts Besseres, als seiner großen Leidenschaft, dem Tauchen, nachzugehen, bis er eines Tages im Meer eine Leiche findet. Bei der Polizei angekommen, stellt sich heraus, dass es sich bei dem Verstorbenen um einen ranghohen Ermittler handelt, der vor vielen Tagen verschwand, als er in den Favelas der Stadt auf der Suche nach einem Drogendealer war. Zunächst gerät Victor in den Verdacht, der Mörder zu sein oder zumindest etwas über die Ermordung des Polizisten zu wissen. Doch schließlich macht er die Bekanntschaft mit einem leitenden Beamten der Drogenfahndung, der Victors Talent als Taucher braucht, um vor der Küste nach Bojen zu suchen, an denen die lokalen Dealer ihre Lieferung ketten und somit vor der Polizei verstecken. Der Auftrag ist gefährlich und mehr als einmal gerät der junge Mann ins Kreuzfeuer der Verbrecher. Doch er beginnt auch, Gefallen an der Arbeit zu finden und wird schließlich zu einem Agenten für die Polizei, der sich in den Favelas umsehen soll, wo er schon nach wenigen Tagen auf einen der größten Drogenbosse der Stadt trifft, der plant mit einer neuen Droge, dem Kokain, ein großes Geschäft zu machen.
Über 30 Jahre später hat Victor (Flávio Tolezani) den Dienst bei der Polizei quittiert und verdient sich seinen Lebensunterhalt mit einer kleinen Möbelfirma. Resigniert hat er mitansehen müssen, wie der Krieg gegen die Drogen immer größere Ausmaße annahm, immer mehr Opfer forderte und schließlich vor seiner eigenen Familie nicht mehr haltmachte. Sein jüngster Sohn Pedro (Gabriel Leone) macht ihm an meisten Sorgen, denn er hält sich mit seinen Freunden immer öfter, manchmal tagelang in den Favelas auf und hat schon mehrmals einen kalten Entzug hinter sich bringen müssen. Als es zum Streit zwischen Vater und Sohn kommt, beschließt Victor, seine Arbeit als Ermittler im privaten Rahmen weiterzuführen, während Pedro sich einer Gang anschließt und als Pedro Dom, einem Kosenamen, den er sich selbst als Kind gab, beginnt Karriere in der Unterwelt zu machen.
Verlorene Kriege
Im Laufe seiner mittlerweile über 20-jährigen Karriere hat der Brasilianer Breno Silveira nicht nur viele Projekte fürs Fernsehen und fürs Kino betreut, sondern sich in seinen Geschichten mit der Historie seiner Heimat wie auch der Drogenkriminalität befasst. Zusammen mit Regisseur Vincente Kubrusly erzählt er in der Amazon Prime Video Serie Dom die wahre Geschichte eines Mannes, der innerhalb der Verbrechersyndikate Rios in den 90ern aufstieg und zu einer zentralen Figur wurde. Über acht Folgen wechselt das Geschehen zwischen den beiden Zeitebenen, befasst sich mit einer problematischen Vater-Sohn-Beziehung und nicht zuletzt über den Einfluss der Drogen und der Kriminalität im sozialen Gefüge einer Stadt wie Rio.
Wie schon beispielsweise Narcos geht es auch in Dom vor allem um die Drogenkriminalität Südamerikas und die Hierarchie der Syndikate, wobei eine sehr persönliche Perspektive im Fokus steht. Die Geschichten Pedros, sein Aufstieg und seine ersten Erfolge, und seines Vaters, wie er versucht zu verstehen, wie die Drogen sein Leben und das so vieler bestimmen sollten, werden parallel erzählt, wobei sich beide in einer Welt wiederfinden, in welcher die Kriminalität regiert. Es ist ein verlorener Krieg, so beschreibt es der erwachsene Victor an einer Stelle, als er versucht, seine Vergangenheit als verdeckter Ermittler niederzuschreiben, und die demütigende, letzte Niederlage erfährt er, als schließlich sein Sohn in eine Welt abdriftet, der er eigentlich den Rücken kehren wollte.
Dieser Gegensatz zwischen dem Leben des Sohnes und des Vaters findet sich auch in den Bilderwelten der Serie wieder. Während die Favela eine Welt zu sein scheint, in der keine weltlichen Gesetze regieren und nur das Wort der Bosse alles bestimmt, ist die der einfachen Bürger eine ganz andere, wobei beide gleichermaßen eine Dunkelheit umfasst. Die grellen Farben der High Society, die Pedro und seine Gang um ein paar Schätze erleichtern will, ist eine ganz andere Welt, umzäunt, abgeriegelt und von Wachdiensten rund um die Uhr bewacht. Die Inszenierung wie auch das Drehbuch Flávio Mendes’ zeigen, wie eng beieinander und doch weit entfernt diese beiden Sphären im sozialen Gefüge voneinander sind, was Dom an vielen Stellen auch wie eine Art Gesellschaftsporträt erscheinen lässt.
Die Freiheit kaufen
Im Kern der Serie fest verankert ist jedoch der bereits erwähnte Konflikt zwischen Vater und Sohn. Auf der einen Seite wirkt Flávio Tolezani wie eine Art Zerrbild seines jugendlichen Ichs, wie man anhand der Rückblenden zu den 1970ern erkennen kann. Der Rückzug aus dieser dunklen Welt der Gewalt und des Verbrechens ist aber zum Scheitern verurteilt, haben doch die Drogen jeden Aspekt des Lebens erfasst, sodass Tolezani seine Figur mit einer Mischung aus Resignation und Sturheit spielt. Besonders beeindruckend ist jedoch vor allem Gabriel Leone als eigentliche Hauptfigur Pedro Dom, der, angetrieben von dem jugendlichen Drang sich vom Elternhaus zu emanzipieren, die Welt des Verbrechens wählt, wo doch der Aufstieg einfacher möglich ist, speziell in einer Welt, in der sich jeder nehmen kann, was er will.
Besonders stark ist, wie Mendes die Motivation seiner Figuren herausarbeitet. Wenn beispielsweise Pedro davon spricht, sich die Freiheit kaufen zu können, ist dies mehr als nur eine hohle Phrase, sondern verweist auf eine bedrückende Wahrheit, die nicht nur mit der Existenz der Drogenkriminalität einhergeht, sondern auch mit einem rigiden sozialen System, dessen wirtschaftliche Kluft immer weiter auseinandergeht.
OT: „Dom“
Land: Brasilien
Jahr: 2021
Regie: Vincente Kubrusly, Breno Silveira
Drehbuch: Flávio Mendes
Kamera: Leo Resende Ferreira, Adrian Teijido
Besetzung: Gabriel Leone, Flávio Tolezani, Filipe Bragança, Mariana Cerrone, Digão Riberiro, Raquel Villar, Laila Garin, André Mattos, Julia Konrad
Ihr möchtet mehr über die Hintergründe der Serie erfahren? Wir haben uns in unserem Interview mit Hauptdarsteller Gabriel Leone über das reale Vorbild von Dom und weitere Themen unterhalten.
Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.
(Anzeige)