Antoine (Jalil Lespert) hat gerade erst seine Ausbildung an der Polizeischule abgeschlossen, da winkt ihm bereits eine Stelle in der Pariser Mordkommission. Für den jungen Mann geht damit ein Traum in Erfüllung, schließlich war ihm das Leben in der Provinz zu langweilig geworden. Die Hauptstadt hingegen, das verspricht viel Aufregung. Gleichzeitig hat auch Caroline Vaudieu (Nathalie Baye) ihren Dienst dort wieder aufgenommen. Zwei Jahre war die Oberkommissarin fort gewesen, um erst einmal in Ruhe ihre Alkoholsucht wieder in den Griff zu bekommen. Trotz des großen Altersunterschiedes verstehen sich die beiden auf Anhieb gut, zumal Antoine die ältere Kollegin an ihren verstorbenen Sohn erinnert. Dabei werden die zwei zum Einstieg beruflich gefordert, gilt es doch, den Mörder eines Obdachlosen aufzuspüren …
Dokumentarischer Einblick in den Polizeialltag
Der Beruf des Polizisten steht wie kaum ein anderer für aufregende Abenteuer, glorifiziert von Kino und Fernsehen, die mit ihrer Hilfe Spannung erzeugen und das Publikum an sich binden wollen. Kein Wunder also, dass so manch einer als Kind noch davon träumt, selbst irgendwann einmal auf Verbrecherjagd zu gehen. Der Alltag sieht jedoch oft deutlich weniger spektakulär aus. Und sehr viel weniger ruhmreich. Das zeigte auch Xavier Beauvois in seinem Drama Eine fatale Entscheidung. Eigentlich ist der Franzose als Schauspieler bekannt. Alle paar Jahre wechselt er aber auch auf den Regiestuhl und wird selbst zum Geschichtenerzähler. Damit ist er auch durchaus erfolgreich, war mehrfach für bedeutende Preise im Rennen.
Dabei fällt er durch seine sehr zurückgenommene Erzählweise auf. Wie bei seinem aktuellsten Werk Drift Away gewährt Eine fatale Entscheidung einen sehr nüchternen, geradezu dokumentarisch anmutenden Einblick in den Alltag der Polizei. Es geht hier nicht um nervenaufreibende Verfolgungsjagden oder Schusswechsel. Stattdessen ist die Arbeit oft etwas trist und undankbar. Dass sie Spuren hinterlassen kann, das macht Beauvois, der ebenfalls am Drehbuch mitgeschrieben hat, an Caroline fest. Die hielt ihren Job irgendwann nur noch mit Alkohol aus. Und auch wenn sie diesem abgeschworen hat und seit einiger Zeit trocken ist, wird sich hier im Laufe der Geschichte zeigen, wie sehr sie noch immer mitgenommen wird. Die Ereignisse lassen sie daran zweifeln, ob sie tatsächlich Teil der Mordkommission sein sollte.
Intensiv gespieltes Porträt
Das ist intensiv gespielt von der großen französischen Charakterdarstellerin Nathalie Baye (Das grüne Zimmer, Catch Me If You Can), die mehr als zwei Jahrzehnte nach La Balance – Der Verrat erneut einen César als beste Hauptdarstellerin einheimsen durfte. Sie verkörpert einerseits eine Respektperson, zu der alle Männer aufsehen – was in diesem Bereich keine Selbstverständlichkeit ist –, die gleichzeitig aber auch immer etwas Gebrochenes hat. Eine Frau, die immer viel von sich eingebracht hat, mehr als ihr gut getan hat. Ihr gegenüber steht mit dem von Jalil Lespert (In the Shadow of Iris) gespielten Antoine ein Jungspund, der mit viel Eifer, aber auch einer gefährlichen Naivität unterwegs ist. Das ist natürlich ein starker Kontrast. Und doch erzählt Eine fatale Entscheidung von zwei Menschen, bei denen sich eine Verbindung aufbaut, die bei dieser Arbeit dringend gebraucht wird.
Überhaupt menschelt es in dem Film sehr. Das Krimidrama ist zu gleichen Teilen das Porträt eines Berufes wie auch das seiner Figuren. Nach und nach lernen wir die beiden kennen, erfahren, was sie antreibt. Verbunden wird dies mit diversen anderen Themen, die Beauvois geschickt in seine Geschichte integriert. Wenn sich die Männer und Frauen bei der Polizei unterhalten oder gemeinsam unterwegs sind, dann erweitert Eine fatale Entscheidung immer mal wieder die Perspektive. Der Fall um den Obdachlosen, der brutal zusammengeschlagen wurde, wird dabei zwar zum Aufhänger der Ermittlungen. Er steht aber nicht im Mittelpunkt, wie es bei regulären Krimis der Fall ist. Die Frage, ob Caroline, Antoine und die anderen die Täter schnappen werden, ist fast schon zweitrangig. Wichtiger sind die Hauptfiguren, welche Beauvois genau beobachtet und deren Tragik er detailliert herausarbeitet.
OT: „Le petit lieutenant“
Land: Frankreich
Jahr: 2005
Regie: Xavier Beauvois
Drehbuch: Xavier Beauvois, Guillaume Bréaud, Jean-Eric Troubat
Kamera: Caroline Champetier
Besetzung: Nathalie Baye, Jalil Lespert, Roschdy Zem, Antoine Chappey, Xavier Beauvois, Jacques Perrin, Patrick Chauvel, Jean Lespert, Annick Le Goff
Preis | Jahr | Kategorie | Ergebnis | |
---|---|---|---|---|
César | 2006 | Bester Film | Nominierung | |
Beste Regie | Xavier Beauvois | Nominierung | ||
Beste Hauptdarstellerin | Nathalie Baye | Sieg | ||
Bester Nebendarsteller | Roschdy Zem | Nominierung | ||
Bestes Original-Drehbuch | Xavier Beauvois, Guillaume Bréaud, Jean-Eric Troubat | Nominierung | ||
Europäischer Filmpreis | 2006 | Beste Darstellerin | Nathalie Baye | Nominierung |
Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.
(Anzeige)