Ein Klick entfernt, stehen uns heutzutage Millionen Informationen durch das Internet zur Verfügung. Doch da wo Licht ist, ist auch Schatten. Gefangen im Netz richtet dabei den Fokus auf die sexuelle Misshandlung von Kindern in der gigantischen Online-Welt. Hochrelevant, verfolgen wir dabei das Leben von drei Schauspielerinnen, die sich als Minderjährige ausgeben. Alles inszeniert, von den Online-Profilen bis hin zu den Kinderzimmern, die nur Filmsets sind, nehmen uns die tschechischen Dokumentarfilmer Barbora Chalupová und Vít Klusák mit auf eine Reise in die Tiefen des Internets. Zehn Tage Dreharbeiten und 2500 Täter später, zeichnet sich ein erschreckendes Bild ab.
Verrückte Welt
Nach Angaben der Macher werden in Deutschland pro Tag neun Kinder Opfer sexueller Gewalt im Internet. Höchste Zeit, könnte man also meinen, dieses Thema in einer Dokumentation einmal festzuhalten. Acht Regeln, die unter anderem ein schüchternes und kindliches Verhalten der Schauspielerinnen gegenüber den fremden Männern und die genutzten Online-Plattformen umfassen, verleihen der Dokumentation dabei einen roten Faden. Darauf aufbauend ergibt sich ein weitreichendes Geflecht über konkrete Themen, die unter anderem das Cybergrooming (das gezielte Ansprechen Minderjähriger über das Internet mit dem Ziel, sexuelle Kontakte zu knüpfen), psychologische Folgen sowie die rechtliche Lage der Tatbestände umfassen. Und interessanterweise braucht es dafür nicht einmal dubiose Internetseiten, selbst auf Facebook und Snapchat ist dies ein echtes Problem.
Triggerwarnung
Doch eines vorweg – hier muss man wirklich starke Nerven mitbringen. Ähnlich wie bei der grandiosen Dokumentation The Cleaners erlebt man erneut Bilder, die man so eigentlich gar nicht sehen möchte. Selbst die Psychologin und Sexualforscher, die zumindest ansatzweise versuchen, den Schauspielerinnen und auch den Zuschauern ein wenig Kraft zu spenden, können daran wenig ändern. Ohne diese expliziten Bilder wäre Gefangen im Netz aber auch nur halb so effektiv. „Wacht auf und tut was dagegen!“ appelliert das Sozialexperiment so an jeden Zuschauer, in erster Linie aber wohl an die Zielgruppe der Eltern. Denn wer weiß schon so genau, auf welchen Internetseiten der Nachwuchs heutzutage so unterwegs ist. Dass die Dokumentation in der Hinsicht ein wenig zu kurz kommt und politische als auch unternehmerische Forderungen, zum Beispiel an Facebook, nur am Rande erwähnt, macht den Kohl aber nicht fett. Ob beispielsweise eine neue Gesetzesvorlage der EU-Kommission oder Projekte wie netzohnegewalt oder innocenceindanger (Unschuld in Gefahr) dann jedoch ausreichen, um Herr der Lage zu werden, dies steht dann vermutlich auf einem ganz anderen Blatt. Chalupová und Klusák zeigen in der Hinsicht, dass dieses globale Problem nicht mal eben so gelöst werden kann. Irgendjemand muss ja aber den Anfang machen.
Am Puls der Zeit
Dass unter den fast 2500 Tätern ein junger Student heraussticht, der weder sexuelle Intentionen verfolgt, noch die betroffene Schauspielerin in irgendeiner Form psychisch verletzt, lässt den Zuschauer für eine Minute einmal aufatmen. Und auch wenn an dieser Stelle sowohl das Filmteam als auch das Publikum aus allen Wolken fällt, fragt man sich dann doch, warum es so eine enorme Schieflage von übertrieben gesagt Perversität und Anstand gibt. Psychologische Hintergründe, mit denen man dies ansatzweise erklären könnte, greift der Film leider nicht auf, vielleicht hätte dies aber auch den Rahmen gesprengt. Dies einmal in den Hintergrund gerückt, stellt sich Gefangen im Netz aber als sehr gelungene Dokumentation heraus, die am Puls der Zeit einmal mehr auf die Schattenseiten der Online-Welt verweist und einen weiteren Beitrag bei Themen rund um Kindesmissbrauch, Kriminalitätsbekämpfung und Durchleuchtungspflicht seitens der Internetplattformen leistet.
OT: „V síti“
Land: Tschechische Republik
Jahr: 2020
Regie: Barbora Chalupová, Vít Klusák
Drehbuch: Barbora Chalupová, Vít Klusák
Musik: Pjoni
Kamera: Adam Kruliš
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