In ihrem Beruf macht der Psychologin Nicoline (Carice van Houten) so leicht niemand etwas vor. Ihr gelingt es sofort, die Menschen zu durchschauen. Wo andere sich von der Fassade täuschen lassen, da blickt sie tiefer. Aus diesem Grund merkt sie auch sofort, dass Idris (Marwan Kenzari), der wegen eines Sexualdelikts im Gefängnis sitzt, die anderen nur täuscht. Er mag noch so freundlich sein und die anderen um den Finger gewickelt haben, sie ist von Anfang an misstrauisch. Und doch kann auch sie sich der Faszination und der Anziehungskraft nicht ganz entziehen. Je mehr Zeit die beiden miteinander verbringen, umso näher kommen sie sich – bis Nicoline langsam die Kontrolle entgleitet …
Eine täuschende Fassade
Eigentlich ist Halina Reijn als Schauspielerin tätig, wirkte in mehreren Dutzend Filmen und Serien mit. Doch irgendwann kam auch die Niederländerin an dem Punkt an, sich nicht länger damit zufriedengeben zu wollen und es einmal mit der Regie zu versuchen. Bemerkenswert ist an ihrem Debüt Instinct – Gefährliche Begierde zum einen, dass sie der Versuchung widerstanden hat, sich selbst eine Rolle auf den Leib zu schreiben. Zumal ihre Filmografie zwar umfangreich, aber wenig beeindruckend ist. Ein Großteil setzt sich aus unbedeutenden Nebenrollen zusammen. Aber auch der Inhalt, der auf eine ihrer eigenen Ideen zurückgeht, ist nicht ganz das, was man erwarten durfte.
Anders, als es der deutsche Untertitel und das Cover suggerieren, handelt es sich bei Instinct – Gefährliche Begierde nicht um einen Erotikthriller. Die Annäherung der beiden Figuren dauert ziemlich lang und nimmt auch nie die Ausmaße an, die man im Vorfeld vielleicht vermutet hätte. Vielmehr dreht sich in dem Film alles um das Etablieren einer Machtposition. Nicoline fühlt sich ihrem Gegenüber überlegen, da sie dieses ja durchschaut. Umgekehrt ist Idris ein überzeugter Manipulator, dessen Vorgehensweise immer darin bestand, die Frauen zu verführen – um sie dann zu missbrauchen. Warum er gewalttätig wurde, wird dabei nie ganz klar. Reijn hält sich sowohl bei ihm wie auch der Protagonistin nicht mit Details auf, belässt es lieber bei Andeutungen. Wenn Nicoline zu Beginn des Films keine Antwort auf die Frage weiß, weshalb sie keine Festanstellung will, darf sich das Publikum selbst eine Antwort zusammenreimen.
Weder spannend noch tiefgründig
Natürlich muss ein Film nicht immer bis ins Letzte ausformuliert sein. Gerade bei dem in Instinct – Gefährliche Begierde angesprochenen Thema, dass man nie ganz in die Leute hineinschauen kann, ist es sogar angemessen, wenn einige Leerstellen bleiben. Nur braucht es dann schon etwas, das an Stelle dieser Details geht. Etwas, das interessant genug ist, dass man dran bleiben möchte. Reijn bleibt einem dieses etwas aber schuldig. Tatsächlich bemerkenswert ist nur die Beschäftigung mit dem Thema der Vergewaltigungsfantasie. Wenn Idris an einer Stelle sagt, es gäbe mehr Frauen, die sich vorstellen, vergewaltigt zu werden, als Männer, die das in ihrer Vorstellung tun, dann ist das schon eine spannende Aussage. Nur bleibt diese eben im Raum stehen, ohne dass daraus etwas folgt.
Es wird letztendlich auch nie wirklich ersichtlich, warum Nicoline nun dem Mann verfällt. Warum sie anfangs klar und mit einer gewissen Arroganz die Mechanismen von Idris erläutert, diesen letztendlich aber nichts entgegenzusetzen hat. Das ist sicherlich alles ganz ordentlich von Carice van Houten (Domino – A Story of Revenge) und Marwan Kenzari (Der ägyptische Spion, der Israel rettete) gespielt, deren Figuren sich eine Art Duell liefern, wer über wen die Macht hat. Aber auch sie kommen letztendlich nicht wirklich dagegen an, dass Instinct – Gefährliche Begierde nur wenig zu sagen hat. Der Film hat weder den psychologischen Tiefgang, den es bei dem Thema bräuchte, noch die Spannung, die ein solches Machtspiel normalerweise mit sich bringt. Daran ändert auch die späte Zuspitzung nichts mehr.
OT: „Instinct“
Land: Niederlande
Jahr: 2019
Regie: Halina Reijn
Drehbuch: Esther Gerritsen
Musik: Ella van der Woude
Kamera: Jasper Wolf
Besetzung: Carice van Houten, Marwan Kenzari, Marie-Mae van Zuilen, Pieter Embrechts, Ariane Schluter
Preis | Jahr | Kategorie | Ergebnis | |
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Europäischer Filmpreis | 2020 | Bestes Erstlingswerk | Nominierung |
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