Mandabi
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Mandabi – Die Überweisung

Inhalt / Kritik

Mandabi
„Mandabi – Die Überweisung“ // Deutschland-Start: 24. Juni 2021 (DVD/Blu-ray)

In einem kleinen Dorf in der Nähe der senegalesischen Hauptstadt Dakar lebt der streng gläubige Ibrahima Dieng (Makhouredia Gueye) mit seinen beiden Frauen und den sieben Kindern. Er ist, wie viele im Dorf, arbeitslos und lebt eigentlich nur von der Hand im Mund, durch die Bettelei seiner Frauen oder indem er sich Geld leiht, wobei er unter anderem beim örtlichen Lebensmittelhändler schon einen ordentlichen Berg an Schulden angehäuft hat. Eines Tages jedoch scheint sich sein Glück zu wenden, denn von seinem in Paris lebenden Neffen erhält er einen Brief samt einer Postanweisung. Durch seine Beschäftigung als Straßenkehrer hat er in der französischen Hauptstadt 25.000 Francs angespart, die er nun seiner Familie im Senegal schicken will. Ibrahima soll das Geld, von dem ein kleiner Teil ihm gehören soll, für seinen Neffen bei der Post abholen und bei der Bank anlegen. Eigentlich will er die Neuigkeit für sich behalten, doch als seine Frauen, außer sich vor Freude über die freudige Botschaft, ihrem Mann ein reichhaltiges Abendessen kochen, spricht sich im Dorf herum, dass Ibrahima an Geld gekommen ist und die ersten Bettler wie auch Gläubiger lassen nicht lange auf sich warten, denn neben dem Lebensmittelhändler, der auf die Begleichung der Schulden pocht, will auch der örtliche Imam eine Gabe für das Gotteshaus haben.

Nur mit großer Mühe gelingt es Ibrahima seine Nachbarn zu vertrösten, denn alleine schon das Einlösen der Postanweisung stellt sich als eine Hürde dar. Da er nämlich weder einen Ausweis besitzt, noch lesen oder schreiben kann, will man ihm das Geld nicht aushändigen. Während die Gläubiger immer ungeduldiger werden und die Besuche bei ihm zu Hause einfach nicht aufhören wollen, muss sich Ibrahima mit der Bürokratie in Dakar herumschlagen, genauso wie mit diversen Trickbetrügern, die es auf das Geld des gläubigen Mannes abgesehen haben.

Ein Spießrutenlauf

Der Senegalese Ousmane Sembène wurde einst der Vater des afrikanischen Kinos genannt, was vor allem aufgrund der positiven Resonanz auf Filme wie Der Schwarze aus Dakar und Xala liegt, die auf vielen internationalen Filmfestivals gezeigt wurden. Neben diesen Werken zählt der kürzlich restaurierte Mandabi – Die Überweisung zu den bekanntesten Filmen des Regisseurs und Buchautors, in denen er sich immer wieder mit der afrikanischen Gesellschaft, dem Erbe des Kolonialismus und Phänomenen wie Armut oder Korruption im Alltag befasst. In diesem Kontext ist Mandabi, dessen Romanvorlage Sembène selbst schrieb, als ein guter Einstieg in sein Gesamtwerk zu verstehen, eine Mischung aus Drama und Groteske, in dem sich all die zentralen Themen von Sembènes Werk vereinen.

Geld zu haben oder es zu erhalten ist ein zweischneidiges Schwert, wie sich am Schicksal von Sembènes Helden leicht erkennen lässt. Der ohnehin etwas schwerfällige Ibrahima wirkt bereits nach den ersten Behördengängen völlig erschöpft, ausgelaugt und am Ende seiner Kräfte, nicht nur wegen der stetigen Absagen, die man ihm erteilt, sondern weil die Aufgabe immer absurder erscheint. Wie eine Art afrikanischer Sisyphus ist dieser Mann, dem es eigentlich gut gehen sollte und dessen zumindest temporäre Flucht aus der Armut zum Greifen nahe liegt, doch für den das Geld wie eine Fata Morgana ist. Paradoxerweise wirft er sich und seine Familie nur noch mehr in die Schuldenfalle, als er versucht, das Geld zu erhalten.

In Mandabi nutzt Sembène das Mittel der Wiederholung sowie eine realistische Perspektive auf die Welt, von welcher er erzählt. Ibrahima wird zu einem absurden Helden, der sich immer mehr zu verrennen scheint und wie ein Verwirrter durch die Straßen Dakars streift, ohne je einen Ausweg aus diesem Labyrinth zu bekommen, was freilich nicht nur an Aspekten wie der Infrastruktur des Landes liegt, sondern an einer Gauner-Mentalität, der jeder verfallen zu sein scheint.

Ein Land der Gauner

„Gelobt sei Gott“ oder „So Gott will“ sind für ein von Islam geprägtes Land Teil des Alltags, doch in Mandabi nehmen diese Phrasen noch eine andere Bedeutung an. Korruption und Vetternwirtschaft sind genauso Aspekte des Alltags geworden, an die man sich zu gewöhnen hat und mit denen man sich arrangieren muss. Jemand wie Ibrahima droht von diesem System verschlungen zu werden, ist aber andererseits auch Teil von diesem, vielleicht ohne dies zu wissen. Das Leben auf Pump, die Armut und die Not bringen den Gauner zum Vorschein, den man an jeder Straßenecke, in jedem Laden und zudem noch auf jedem Amt antreffen kann. Jeder sorgt zuerst für sich, und letztlich ist es Gottes Wille, was dies alles legitimiert.

Ousmane Sembène nutzt eine bittere Sorte Humor, wie in vielen seiner Werke. Die Situation, in die sich Ibrahima begibt, ist absurd und hat bisweilen ihre komischen Elemente, doch dahinter verbirgt sich eine problematische Seite, welche ein dunkles Licht auf eine Gesellschaft wirft, in welcher jeder für sich kämpft. Nur die Not vereint die Menschen, während das Geld die Diebe anlockt.

Credits

OT: „Mandabi“
Land: Senegal, Frankreich
Jahr: 1968
Regie: Ousmane Sembène
Drehbuch: Ousmane Sembène
Kamera: Paul Soulignac
Besetzung: Makhouredia Gueye, Ynousse N’Diaye, Isseu Niang, Mustapha Ture, Farba Sarr, Serigne N’Diayes

Bilder

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„Mandabi – Die Überweisung“ ist eine Mischung aus Drama und absurder Komödie. Ousmane Sembène nutzt die Mittel der Wiederholung und des Humors, um ein Bild einer Gesellschaft zu zeigen, in welcher der Gauner König ist und Anstand nur etwas für Menschen ist, die ihn sich leisten können.
8
von 10