Kaum sind Danielle (Rachel Sennott) und Max (Danny Deferrari) mit dem Sex fertig, heißt es für die College-Studentin weiter hetzen. Schließlich wartet ihre Familie schon auf sie, um gemeinsam zu einer Trauerfeier zu gehen. Große Lust darauf hat Danielle nicht. Nicht nur, dass sie keine Ahnung hat, wer überhaupt tot ist. Sie weiß außerdem nur zu genau, was das bedeutet. Wieder wird sie sich dafür rechtfertig müssen, dass sie etwas studiert, das kein Geld bringt. Und überhaupt: Wäre es nicht langsam mal an der Zeit, ein respektables Leben zu führen? Ihre Ex-Freundin Maya (Molly Gordon) tut das schließlich auch. Gerade als es so aussieht, als könnte die Feier nicht schlimmer werden, wird Danielle jedoch eines Besseren belehrt …
Und was nun?
Auch wenn nach der Schule eigentlich der Ernst des Lebens beginnt und jeder von dir erwartet, dass du ab diesem Zeitpunkt zielstrebig deinen Weg ist: In der Realität sieht das oft anders aus. Inzwischen ist es nicht unüblich, dass Menschen selbst jenseits der 30 noch etwas verloren durch die Welt stolpern, überfordert von den vielen Möglichkeiten und Erwartungen. Unsicher, wer sie selbst sind und sein wollen. Insofern befindet sich Danielle in bester Gesellschaft. Auch wenn Shiva Baby ihre Situation natürlich gnadenlos überspitzt und zu humoristischen Zwecken ausschlachtet: Hinter den absurden Ereignissen auf einer Trauerfeier steckt schon viel Wahres, in dem man sich selbst wiederfinden kann – ob man das nun will oder nicht.
Das kommt nicht von ungefähr. Regisseurin und Drehbuchautorin Emma Seligman, die mit Shiva Baby ihren gleichnamigen Kurzfilm noch einmal erweiterte, griff dabei auf eigene Erfahrungen zurück. Unter anderem verarbeitet sie darin eigene Erlebnisse bei sogenannten Shivas und als bisexuelle Frau. Sexualität spielt in dem Film dann auch eine große Rolle. Anfangs sehen wir, wie Danielle mit Max ins Bett geht und davon finanziell profitiert, später kommt es zu Spannungen mit ihrer Ex-Freundin Maya. Das führt nicht nur zu diversen peinlichen Situationen. Die Frage, mit wem sie eigentlich zusammen sein möchte, steht stellvertretend dafür, dass sie insgesamt nicht so wirklich weiß, was mit ihrem Leben geschehen soll.
Selbstsuche gegen alle Widerstände
Ideen gibt es dafür natürlich genug, sowohl eigene wie auch solche anderer. Tatsächlich besteht ein Teil der Komik darin, wie Danielles Sinnsuche immer wieder von gut gemeinten, letztendlich übergriffigen Ratschlägen der Familie torpediert werden. Zumal Zurückhaltung in Shiva Baby ein Fremdwort ist. Jeder fühlt sich dazu berufen, über andere zu urteilen und ihnen zu sagen, was sie tun sollen. Ob nun die Partnerwahl oder der Berufswunsch, die Protagonistin muss gegen Bevormundung kämpfen. Nicht einmal essen darf sie allein, wenn sie sich vorwerfen lassen muss, viel zu dünn zu sein. Und sich vegetarisch zu ernähren, das geht ja schon mal gar nicht.
Klar greift der Beitrag vom Filmfest München 2021 dabei gerne mal auf Klischees zurück. Vieles bleibt auch ein wenig an der Oberfläche, gerade bei der Verwandtschaft. Aber es gelingt Seligmann doch sehr schön, die besondere Phase des Lebens herauszuarbeiten und mit viel Humor aufzuzeigen. Shiva Baby ist dabei auf eine gelungene Weise anstrengend: Nicht nur, dass die praktisch in Echtzeit erzählte Geschichte für Tempo und eine gewisse Atemlosigkeit sorgt. Der begrenzte Schauplatz – der nicht einmal 80 Minuten lange Film spielt überwiegend in wenigen, noch dazu überfüllten Zimmer – bringt sogar leichte Beklemmungsgefühle mit sich. Zusammen mit der stetig eskalierenden Situation bedeutet dies Spannung , will man doch wissen, wie das sich ankündigende Chaos ein Ende findet und ob es Danielle gelingt, das Schlamassel namens Leben doch noch irgendwie zu meistern.
OT: „Shiva Baby“
Land: USA
Jahr: 2020
Regie: Emma Seligman
Drehbuch: Emma Seligman
Musik: Ariel Marx
Kamera: Maria Rusche
Besetzung: Rachel Sennott, Molly Gordon, Polly Draper, Danny Deferrari, Fred Melamed, Dianna Agron
SXSW 2020
Toronto International Film Festival 2020
Filmfest München 2021
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