Sieben Stunden
© BR/Barbara Bauriedl

Sieben Stunden

Inhalt / Kritik

Sieben Stunden
„Sieben Stunden“ // Deutschland-Start: 7. September 2018 (Arte)

Als Psychotherapeutin ist Hanna Rautenberg (Bibiana Beglau) fest davon überzeugt, dass alle Menschen sich bessern können, selbst diejenigen, die sie in einem bayerischen Hochsicherheitsgefängnis betreut. Doch dann nimmt sie der brutale Sexualstraftäter Peter Petrowski (Till Firit), dem sie zuvor noch eine positive Prognose bescheinigt hat, eines Tages als Geisel, hält sie sieben Stunden gefangen und missbraucht sie dabei. Im Anschluss ist nichts mehr im Leben so, wie es einmal war. Die Beziehung zu Stephan (Thomas Loibl) leidet, immer wieder bekommt sie Panikattacken, selbst in den banalsten Situationen. Schließlich entscheidet sie, die Verantwortlichen im Gefängnis für die mangelnden Sicherheitsvorkehrungen zur Verantwortung zu ziehen …

Die Folgen eines Traumas

Wie geht man damit um, brutal überfallen und vergewaltigt worden zu sein? Das ist eine der zentralen Fragen in Sieben Stunden. Das frei nach einer wahren Geschichte erzählte TV-Drama stellt uns eine Psychotherapeutin vor, deren Welt vom einen Moment zum nächsten auf den Kopf gestellt wird. Das hat zwangsläufig Auswirkungen auf sie: Tritt sie zu Beginn des Films noch sehr selbstbewusst auf, wird sie später zu einem nervlichen Wrack, das eigentlich mit jeder Situation überfordert ist. Alles, was sie tu, wird von dem Vorfall überschattet. Jede Begegnung mit anderen Menschen, sei es aus dem privaten oder beruflichen Umfeld, wird sofort zu einer Konfliktsituation.

Dass dies ausgerechnet einem Menschen geschieht, das für die seelische Gesundheit anderer sorgen soll, ist natürlich bemerkenswert. Ebenso das Unvermögen von Hanna, sich selbst entsprechende Hilfe zu suchen. Stattdessen wird in Sieben Stunden ausgeteilt, an jeden, dem sie begegnet. Jeder Widerspruch oder etwaiges Nachhaken wird in Grund und Boden geschrien. Auch die Frage, ob sie selbst Fehler begangen haben könnte, weist sie voller Wut zurück. Wo andere Filme, die sich um das Thema Vergewaltigung oder andere Formen des Missbrauchs drehen, auf das Mitgefühl des Publikums bauen, scheint Regisseur und Co-Autor Christian Görlitz das Ziel zu verfolgen, seine Protagonistin als maximal unsympathische Figur darzustellen, die wirklich jeden vor den Kopf stößt.

Das Fehlen eines Konzeptes

Natürlich muss nicht jedes Opfer sympathisch sein. Es ist sogar ein interessantes, weil besonders forderndes Konzept, ein Unrecht zu verdeutlichen, ohne einseitig mit Mitleid arbeiten zu wollen. Nur ist es fraglich, dass Sieben Stunden tatsächlich dieses Konzept verfolgt. Vielmehr ist das Problem, dass der deutsche Film kein wirkliches Konzept hat. An interessanten Themen mangelt es dabei nicht, sei es bei den Auswirkungen auf die Psyche eines Menschen, der einen kompletten Kontrollverlust durchleiden musste, bis zu juristischen Missständen. Wenn etwa Hanna, die im Dienst überfallen wurde, ihren eigenen Krankenwagentransport zahlen soll, dann ist das natürlich empörend. Auch die Art und Weise, wie hier jeder Verantwortung von sich schieben will, verdient eine nähere Betrachtung.

Aber genau in der Hinsicht versagt Görlitz. Anstatt die diversen Elemente auch mal zu vertiefen oder wenigstens etwas sacken zu lassen, wird einfach nur immer mehr oben drauf geladen. Das bedeutet nicht nur, dass es Sieben Stunden an Tiefgang mangelt. Es kommt außerdem zu keiner Entwicklung, weder der Geschichte noch der Hauptfigur. Da wird gestritten, da wird gelitten, bis dann nach 90 Minuten alles vorbei ist und unweigerlich die Frage zurückbleibt: Was genau wollte dieser Film jetzt eigentlich aussagen? Für einen tatsächlichen Diskussionsbeitrag ist der Inhalt zu dünn. Auf der persönlichen Ebene überzeugt das hier aber ebenso wenig.

Reißerisch und oberflächlich

Das liegt auch daran, dass hier völlig unnötig dick aufgetragen wird. Die Alptraumszenen von Hanna sind billig und reißerisch umgesetzt. Zudem neigt Hauptdarstellerin Bibiana Beglau (Crescendo #MakeMusicNotWar, 1000 Arten Regen zu beschreiben) zum Overacting. Wo es vielleicht auch mal die leisen Töne und Nuancen gebraucht hätte, um einen tatsächlichen Einblick in das Trauma einer solchen Erfahrung zu verdeutlichen, da wird hier nur plump draufgeschlagen und geradezu fahrlässig ausgeschlachtet. Dass sich ein derart wichtiges Thema sensibler umsetzen lässt, zeigte vor einigen Jahren beispielsweise das preisgekrönte Drama Raum. Auch darin findet eine Frau nach einer Missbrauchserfahrung nicht mehr zurück ins normale Leben. Von dieser Klasse ist die TV-Produktion weit entfernt, die angesichts des schwierigen Stoffes jedes Fingerspitzengefühl vermissen lässt.

Credits

OT: „Sieben Stunden“
Land: Deutschland
Jahr: 2018
Regie: Christian Görlitz
Drehbuch: Christian Görlitz, Pim G. Richter
Musik: Warner Poland, Wolfgang Glum
Kamera: Sten Mende
Besetzung: Bibiana Beglau, Thomas Loibl, Till Firit, Norman Hacker, Norman Hacker, Mareike Sedl, Imogen Kogge, Pascal Hoese

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Eine Psychotherapeutin wird von einem Patienten als Geisel genommen und vergewaltigt: „Sieben Stunden“ wartet mit einem harten Stoff auf, bringt aber nicht das nötige Fingerspitzengefühl dafür mit. Anstatt die wichtigen Themen zu vertiefen, gibt es hier lauter reißerische Szenen, die dem Ganzen nicht gerecht werden und zudem ein echtes Konzept vermissen lassen.
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von 10