An Geld mangelt es im Leben von Suzanna Andler (Charlotte Gainsbourg) sicher nicht, davon hat ihr Mann schließlich mehr als genug. Das mit der Zuneigung ist schon schwieriger, da der Gatte ständig unterwegs ist und dabei mit allen möglichen Frauen ins Bett steigt. Warum also nicht selbst einmal einen Liebhaber nehmen? Ihre Wahl fällt auf Michel (Niels Schneider), einen jüngeren Journalisten. Ihn nimmt sie auch zu der Villa in Südfrankreich mit, welche sie als potenzielles Mietobjekt für den nächsten Familienurlaub besichtigt. Ganz überzeugt ist sie davon jedoch nicht, so wie sie vieles in Frage stellt: ihre Ehe, ihre Affäre, sich selbst …
Die Welt der Schönen und Unglücklichen
Wenn Filme und Serien von den Reichen und Schönen handeln, dann dient das in den meisten Fällen dem Eskapismus. Mal Teil von dieser Glitzerwelt sein, die man sonst nur aus den bunten Illustrierten kennt, sich ganz dem Träumen hinzugeben, das ist für einige mit einem großen Reiz verbunden. Schließlich erlaubt es einem, den eigenen grauen Alltag mal hinter sich zu lassen. Aber es geht auch anders, wie das Beispiel Suzanna Andler zeigt. Das Vermögen und die Umgebung ist da, um sich mal so richtig in Nobelfantasien zu verlieren. Wie oft hält man sich schon in Luxusvillen im Süden Frankreichs auf, welche zwei Millionen Miete pro Monat kosten? Oder an riesigen menschenleeren Stränden, die einem das Gefühl geben, auf einer eigenen Insel zu leben?
Eigentlich, so sollte man meinen, ist das doch die ideale Voraussetzung, um mal so richtig neidisch zu sein. Zumal sowohl die Protagonistin wie auch deren Liebhaber äußerst attraktiv sind. Und doch macht Suzanna Andler eher weniger Lust darauf, mit der Titelfigur tauschen zu wollen. Von Anfang an ist die Adaption eines Theaterstücks von Marguerite Duras (India Song) von Melancholie geprägt. Von einer Tristesse, der wir nicht einmal am Strand entkommen können. Von einer Sinnlosigkeit, gegen die Suzanna und Michel zwar anreden, aber nicht ankommen. Geredet wird allgemein viel. Auch wenn ein Großteil der Szenen – die Bühnenvorlage lässt grüßen – in nur einem Raum spielen, findet sich notfalls per Telefon die Möglichkeit, einen Austausch mit anderen Menschen zu wagen.
Außerhalb von Zeit und Raum
Besagtes Telefon ist übrigens ziemlich klobig geraten. Kein Wunder, spielt der Film doch in den 1960ern. Wer deswegen aber davon ausgeht, Suzanna Andler wäre irgendwie in den Kontext der damaligen Ereignisse und Entwicklungen gebettet, der sieht sich getäuscht. Die (fehlenden) Ereignisse und die Dialoge spielen sich in einer eigenen Welt ab, die ohne Bezug zu der Gegenwart steht – weder der damaligen noch der heutigen. Das kann man dann zeitlos nennen, wenn man mag. Die hier aufgeworfenen Fragen rund um Liebe und Selbstbestimmung funktionieren schließlich damals wie heute, in weitläufigen südfranzösischen Villen wie auch Großstadtkäfigen. Das Gefühl der Leere kann einen überall hin verfolgen.
Das ist atmosphärisch, von edlem Dekor und natürlich hochkarätig besetzt. Wenn Gainsbourg auf ihre charakteristische Weise vom Unglück säuselt, hört man prinzipiell gerne zu. Und doch verpasst es Regisseur und Drehbuchautor Benoît Jacquot (Eva), dessen Mentorin Duras einst war, mehr aus dem Stoff zu machen als eine vornehme Verbeugung vor der bedeutenden Literatin. Trotz der universellen Note bleibt das hier fremd, auf eine Weise entrückt, die weder für Eskapismus noch Identifikation geeignet ist. Suzanna Andler schreitet durch das Zimmer, blickt umher, immer auf der Suche, und kommt doch nicht wirklich voran. Mitgefühl erzeugt man auf diese Weise nicht. Und auch wenn immer mal wieder Essenzielles angesprochen wird: Ganz leicht macht es einem der Film nicht, bis zum Schluss Interesse dafür aufzubringen.
OT: „Suzanna Andler“
Land: Frankreich
Jahr: 2021
Regie: Benoît Jacquot
Drehbuch: Benoit Jacquot
Vorlage: Marguerite Duras
Kamera: Christophe Beaucarne
Besetzung: Charlotte Gainsbourg, Niels Schneider, Julia Roy, Nathan Willcocks
International Film Festival Rotterdam 2021
Filmfest München 2021
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