Das Prinzip der Domestikation verweist auf eine Entwicklung, in der ein Tier oder eine Pflanze für einen anderen Gebrauch gezähmt wird und teilweise ihrer natürlichen Eigenschaften beraubt wird. Ein wohlbekanntes Beispiel ist das Konzept des Haustiers, was dazu führte, dass bestimmte Tierarten so gezähmt wurden, dass sie für Menschen haltbar waren und für deren Lebenswelt geeignet waren. Ebenso impliziert diese Idee das Bild des Dompteurs, beispielsweise im Zirkus, der wilde Tiere für entsprechende Showeinlagen so trainiert hat, dass sie in der Lage sind Kunststücke zu vollziehen. Umstritten sind beide Ideen, vielleicht die zweite noch mehr als die erste, bedenkt man, welches Leiden den Tieren teilweise verursacht wird und die nicht artgerechte Haltung. Jedoch ist vielleicht das Bild einer prächtigen Schlossanlage ein noch viel besseres Beispiel, ist in diesem doch die Essenz enthalten von der Natur, die nach dem ästhetischen Empfinden der Menschen angepasst wurde.
Auch wenn diese beschriebenen Vorgänge uns mittlerweile nicht mehr als Kontrast erscheinen (obwohl sie es vielleicht sollten), erregte eine ganz andere Entwicklung vor einigen Jahren die Gemüter vieler Küstenbewohner Georgiens. Ein vermögender und in der Politik des Landes sehr involvierter Geschäftsmann hatte über die Jahre ein besonderes Faible für alte Bäume entwickelt, von denen es an der Küste sehr viele gab und er beschloss diese zu erwerben, damit diese im Garten seines großen Anwesens stehen konnten. Der surreale Anblick von jahrhundertealten Bäumen, welche, getragen von einem riesigen Floß, über das Meer zu ihrem neuen Zuhause transportiert wurden, beschäftige auch Journalistin und Dokumentarfilmerin Salomé Jashi. Dieses Bild steht auch gleich am Anfang ihrer Dokumentation Taming the Garden, die auf der Berlinale 2021 zu sehen ist, einer Studie über das Thema Entwurzelung, wie die Regisseurin selbst sagt, doch genauso über Enteignung und die Vereinnahmung der Natur durch diejenige, die es sich leisten können, diese zu kaufen.
Die künstlichen Wunder der Erde
Über anderthalb Stunden lang begleiten Jashi und ihr Team die Arbeiten an der Entwurzelung und des Transports der riesigen Bäume, die logistischen Hürden wie auch die materiellen. Begleitet werden diese Sequenzen von Gesprächen mit Anwohnern, Bauern und Familien, welche dem Abtransport der Bäume zusehen, ihre Verträge mit dem reichen Geschäftsmann nachverhandeln wollen oder doch verhindern wollen, dass sich dessen Wille durchsetzt. Eingerahmt wird die Dokumentation durch die Bilder einer Idylle, einer natürlichen und der künstlichen des Gartens eben jenes Geschäftsmannes, der nun schon einige Bäume sein Eigen nennen kann. Einen Kommentar, auch wenn dieser sich anbieten mag, wird zu keiner Zeit von Jashi forciert, wobei sich dennoch ein Hauch von Exklusivität einstellt, als die Kamera durch die Idylle des Gartens schweift. Ähnlich den Gärten von Versailles oder San-Sanssouci bemerkt man schnell, dass man hier nur geduldet ist und man sich auf dem Besitz von jemandem befindet.
Der langsame methodische Abbau der Bäume gleicht einem Prozess der Abwicklung, der sich nun auch auf die Natur erstreckt. Die Kollektion der Bäume erscheint wie eine Sammlung von Gemälden oder Skulpturen, die mit großem Einsatz gepflegt und präsentiert werden, doch vor allem den Augen eines Einzelnen gehören. Letztlich scheint das Bild, welches Jashi zu ihrem Film inspiriert hat, auf den Zuschauer wie ein langsamer Verlust zu wirken, einem Wegfall von Unschuld und Unberührtheit, der nun in einem anderen Kontext zu sehen sein wird.
OT: „Taming the Garden“
Land: Deutschland, Schweiz, Georgien
Jahr: 2021
Regie: Salomé Jashi
Drehbuch: Salomé Jashi
Musik: Celia Stroom
Kamera: Salomé Jashi, Goga Devdariani
Preis | Jahr | Kategorie | Ergebnis | |
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Europäischer Filmpreis | 2021 | Bester Dokumentarfilm | Nominierung |
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