Schon seit Längerem kriselt es bei der Kieler Ostendorf-Werft, weil die Einnahmen nicht ausreichen. Klar ist: Es müssen dringend die Kosten gedrückt werden. Nur wie? Felix Ostendorf (Felix Eitner), der die Werft von seinem Vater geerbt hat, sieht nur die Möglichkeit, Leute zu entlassen. Fünfzig sollen es am Ende sein, zusammengestellt vom Betriebsratsvorsitzenden Rudolf Bruhns (Bruno F. Apitz). Doch der stellt auf stur, will er sich doch als harter Verhandler profilieren. Als er am nächsten Tag erschlagen aufgefunden wird, mangelt es dem ermittelnden Kriminalhauptkommissar Klaus Borowski (Axel Milberg) nicht gerade an Verdächtigen. Ob nun Bruhns Kollege Manfred Heise (Joachim Nimtz) oder Vorstandssekretärin Tatjana Matthies (Stefanie Stappenbeck), die sich für ihren Bruder Benno (Arndt Schwering-Sohnrey) einsetzt – sie alle hatten Gründe, wütend auf den Verstorbenen zu sein …
Das soziale Gewissen
Beim Tatort, gerade den Filmen jüngeren Alters, geht es oft nicht nur um ein Verbrechen und die Aufklärung desselben. Stattdessen ist man bemüht, gesellschaftliche Komponenten in die Geschichte einzubauen. So ging es beispielsweise in den letzten Monaten in Unten um Obdachlose, bei Heile Welt wird rechter Populismus angesprochen, Schoggiläbe versuchte sich an der Spaltung zwischen arm und reich. Das klappt mal besser, mal schlechter. Die Reaktionen beim Publikum sind ohnehin gemischt, denn während die einen es durchaus begrüßen, wenn sich ein Krimi auch um gesellschaftliche Relevanz bemüht, wollen andere am Sonntagabend einfach abschalten und die Welt draußen lassen.
Bei Tatort: Schichtwechsel, dem 561. Fall der ARD-Krimireihe, sieht es zunächst danach aus, als handele es sich ebenfalls um einen dieser Filme, die Soziales mit Spannung verbinden wollen. Tatsächlich entpuppt sich die TV-Produktion aber recht bald als Mogelpackung. Der Streik auf der Werft, der die Geschichte in Gang bringt, ist kurz nach dem Tod von Bruhns bereits beigelegt. Das Thema der drohenden Entlassung schwingt zwar an mehreren Stellen mit. Viel wichtiger sind aber die diversen persönlichen Beziehungen, die für zahlreiche Konflikte sorgen und deshalb die Mordmotive stellen. Dass da drumherum viele Menschen vor dem existenziellen Aus stehen, interessiert das Drehbuch nicht sonderlich.
Zu viel übertriebenes Drama
Ein bisschen irritierend ist das schon. Selbst wenn man kein erklärter Fan der ambitionierteren Ausrichtung mancher Folgen ist, darf man sich fragen, was das nun sollte. Ein ausgeprägtes Sozialdrama, wie man es gerade in Frankreich in der Hinsicht des Öfteren findet – siehe etwa Streik – wäre gar nicht nötig gewesen. Den Aspekt aber komplett fallen, um sich ganz auf das zwischenmenschliche Drama zu konzentrieren, das ist schon Verschwendung. Zumal Tatort: Schichtwechsel in der Hinsicht nicht einmal überzeugt. Wie hier jeder mit jedem verbandelt ist, ist so überzogen, als hätte man versehentlich das Drehbuch einer Seifenoper auf den falschen Stapel gelegt. Selten erlebt man einen Film, der mit Realismus startet und dann derart unsinnig wird, bis hin zur grotesken Auflösung.
Dennoch hat der Film durchaus seine Stärken. Tatort: Schichtwechsel hat zum Beispiel einiges darüber zu sagen, wie Menschen zu einer Ware degradiert werden können. Oder auch, dass manche sich gern als etwas inszenieren, das sie gar nicht sind. Während beispielsweise der Kampf zwischen einem Unternehmensbesitzer und einem Betriebsratsvorsitzenden oft recht einseitig zugunsten des Letzteren gezeichnet wird, ist das hier mit dem Gut und Böse deutlich schwieriger. Insgesamt reicht das dann noch für Durchschnitt, auch wegen der schönen Kieler Atmosphäre. Mehr als das ist der zweite Auftritt von Borowski aber nicht geworden.
OT: „Tatort: Schichtwechsel“
Land: Deutschland
Jahr: 2004
Regie: Christine Hartmann
Drehbuch: Jan von der Bank
Musik: Frank Roemer
Kamera: Volker Tittel
Besetzung: Axel Milberg, Maren Eggert, Mehdi Moinzadeh, Stefanie Stappenbeck, Felix Eitner, Joram Voelklein, Arndt Schwering-Sohnrey
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