25 Jahre war Tilly Dunnage (Kate Winslet) nicht mehr in ihrer Heimat gewesen, einer Kleinstadt im Südostens Australiens. Stattdessen machte sie in Frankreich Karriere als Schneiderin für die großen Haute-Couture-Designer. Doch nun ist sie zurück, will sich um ihre kranke Mutter Molly (Judy Davis) kümmern. Von Wiedersehensfreude jedoch keine Spur. Molly wie auch der Rest der Bevölkerung zeigen ihr die kalte Schulter, machen sie die Rückkehrerin schließlich immer noch für den Tod eines Schuljungen verantwortlich, der sich seinerzeit zugetragen hat. Dabei weiß Tilly, die damals noch Myrtle hieß, nicht einmal wer, was damals passiert ist. Auf der Suche nach Antworten überzeugt sie nicht nur die Frauen vor Ort mit ihren Künsten als Schneiderin, die den ersehnten Glanz an den Ort bringen. Auch Teddy McSwiney (Liam Hemsworth) kommt sie immer näher …
Die schwierige Rückkehr in die Heimat
Es gehört zu den in Filmen immer wieder gern verwendeten Motiven: Ein Mensch kehrt nach langer Abwesenheit in seine Heimat zurück, wo er sich seiner Vergangenheit stellen muss. Das findet oft im Rahmen eines Dramas statt, siehe etwa Manchester by the Sea. Dort war es wie bei so vielen anderen Titeln ein Todesfall in der Familie, der dazu führte, dass der verlorene Sohn heimkehrte. Manchmal ist da aber auch noch eine Rechnung offen, die getilgt werden muss, was sich geradezu für schwarzen Humor anbietet. In Hyänen beispielsweise, basierend auf dem berühmten Theaterstück Der Besuch der alten Dame von Friedrich Dürrenmatt, will die besagte alte Dame Rache an einem ehemaligen Verehrer ausüben und hetzt deshalb mit ihrem Geld die Bevölkerung gegen ihn auf.
Zumindest anfangs wirkt es so, als würde The Dressmaker – Die Schneiderin in eine ganz ähnliche Richtung gehen. In beiden Fällen steht im Mittelpunkt eine Frau, die einst in Schimpf und Schande davongejagt wurde, später aber zu Geld und Einfluss kamen. Der Unterschied ist, dass die Waffe von Tilly kein Vermögen ist, sondern ihre Fähigkeit, aus unscheinbaren Mauerblümchen Prinzessinnen zu machen. Vorgeführt wird dieses Talent anhand der von Sarah Snook gespielten Gertrude „Trudy“ Pratt. Zunächst eine graue, kaum zu identifizierende Masse, macht sie eine atemberaubende Wandlung durch, was beim Rest der weiblichen Bevölkerung natürlich gewisse Begehrlichkeiten weckt. Denn insgeheim träumt hier jeder von dem Glamour, den sie nur aus Filmen oder Zeitschriften kennen, bislang aber zu weit entfernt war.
Ein Flickenteppich ohne Muster
Doch was als reizvolles Intrigennummer beginnt, wenn die von allen gemiedene Rückkehrerin die Gesellschaft spaltet, verliert sich zu schnell in zu vielen Themen. Ein wichtiges ist dabei natürlich die Frage, was seinerzeit wirklich geschehen ist und auf welche Weise der Junge starb. The Dressmaker – Die Schneiderin arbeitet an der Stelle mit Mystery-Elementen, wenn sich keiner mehr an den Vorfall erinnern kann oder will. Ein bisschen seltsam ist das schon. Es führt auch nicht wirklich zu etwas. Zwar gibt es ganz zum Schluss eine Auflösung, wenn nach einem mühsamen hin und her doch noch jemand was gesehen hat. Aber das ist schon alles ziemlich vorgeschoben, ändert nichts an der Geschichte an sich.
Völlig überflüssig ist dann auch noch die Liebesgeschichte rund um den Football-Beau Teddy. Der ohnehin schon nachlassende Biss weicht hier dann einem Gesäusel, das mehr in einer Schmonzette zu Hause ist. Überhaupt ist bei der Adaption eines Romans von Rosalie Ham nie ganz klar: Was genau will mir der Film eigentlich sagen? The Dressmaker – Die Schneiderin ist ein Mix der verschiedensten Ideen, Genres und Stimmungen. So als hätte jemand lauter Stoffreste gefunden und die dann irgendwie zusammengenäht. Das ist dann zwar aufgrund einer gewissen Unvorhersehbarkeit nicht ohne Reiz. Tatsächlich befriedigend ist der Mischmasch aber kaum.
Voller Farb- und Spielfreude
Was The Dressmaker – Die Schneiderin irgendwie rettet, sind zum einen die schönen Bilder und die farbenfrohen Kostüme, die inmitten der provinziellen Einöde doch sehr stark hervorstechen. Zum anderen ist es das Ensemble, welches den Film zumindest zu Teilen sehenswert macht. Judy Davis (Barton Fink) macht einfach Spaß als biestige Mutter, die mehr weiß, als sie nach außen hin zugeben will. Über allem thront aber natürlich Kate Winslet (Titanic) in einer Mischung aus Lichtgestalt und Teufelin, die so gar nicht in das kleine Kaff passt, dafür fest entschlossen ist, dort etwas zu verändern. Die beiden bringen auch die notwendige Ambivalenz mit, dass man ihnen bis zum Schluss folgt, alleine schon aus Neugierde, was da am Ende wohl rauskommen mag.
OT: „The Dressmaker“
Land: Australien
Jahr: 2015
Regie: Jocelyn Moorhouse
Drehbuch: Jocelyn Moorhouse, P.J. Hogan
Vorlage: Rosalie Ham
Musik: David Hirschfelder
Kamera: Donald McAlpine
Besetzung: Kate Winslet, Judy Davis, Liam Hemsworth, Hugo Weaving, Sacha Horler, Caroline Goodall, Sarah Snook
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