Um das Verschwinden eines Mädchens zu untersuchen, kommt der britische Polizist Neil Howie (Edward Woodward) auf die entlegene, schottische Insel Summerisle, benannt nach einem Adelgeschlecht, dessen jüngster Nachfahre, Lord Summerisle (Christopher Lee), nach wie vor so etwas wie die politische und geistige Führung der Insel repräsentiert. Gerade dies macht Howie bei seinen Ermittlungen zu schaffen, denn egal, wen er zu dem verschwundenen Mädchen befragen will oder welchen Schritt er als Nächstes tun will, immer wieder wird an den Lord verwiesen, dessen Wort auf der Insel nach wie vor Gesetz ist. Doch auch darüber hinaus gestaltet sich die Untersuchung als schwierig, denn ihre eigene Mutter, die letztlich die Polizei verständigte, erkennt das Mädchen auf dem Foto wieder, welches Howie ihr zeigt. Zusätzlich irritieren den streng gläubigen Howie die seltsamen Bräuche und Erziehungsmethoden auf der Insel, die ihn an Heidentum erinnern, denn nicht nur werden christliche Werte abgelehnt, sondern man glaubt an die Götter der Natur und des Wachstums. Insbesondere die Vorbereitungen für die Maifeierlichkeiten verstören den Polizisten, der mitansieht, wie sich Menschen scheinbar in einem religiösen Rausch sich nackt ausziehen und der spirituellen Ekstase hingeben.
Schließlich beschließt Howie Summerisle mit den Schwierigkeiten bei seiner Untersuchung sowie den unchristlichen Praktiken der Inselbewohner zu konfrontieren, doch vom Lord fühlt er sich, wie auch von den anderen Menschen auf Summerisle, nicht ernst genommen. Immer mehr jedoch meint Howie, dass eine Verbindung zwischen den seltsamen Bräuchen und dem Verschwinden des Mädchens bestehen muss, und will seinem Gespür nachgehen, doch dieser Schritt ist gefährlich und wird auch von den Inselbewohnern gar nicht gern gesehen.
Der Rückzug zur Natur
In den 1960er und 1970ern war Großbritannien dank der zahlreichen Filme der Hammer Studios zu einer Art Zentrum des europäischen Horrorfilms geworden, aus dem nicht nur Regiegrößen wie Peter Sasdy hervorgingen, sondern auch Darsteller wie Peter Cushing oder Christopher Lee. Gerade von der Ästhetik und der Erzählweise der Hammer-Filme wollten sich Regisseur Robin Hardy und Drehbuchautor Anthony Shaffer mit ihrem Projekt The Wicker Man, inspiriert von dem Roman Ritual des britischen Schriftstellers David Pinner, jedoch entfernen und betonten die spirituellen und religiösen Elemente der Handlung. Herausgekommen ist dabei ein Werk, welches als einer der interessantesten britischen Filme der 1970er gelten darf und das in mehr als nur einer Hinsicht einen der zentralen Konflikte des vergangenen Jahrzehnts aufgreift, was The Wicker Man bis heute sogar zeitlos macht.
Wie aus der Zeit gefallen wirkt die Gemeinde der Bewohner auf Summerisle auf den teilweise etwas ratlos wirkenden Howie wie auch den Zuschauer. Bisweilen blickt man vielleicht sogar etwas belustigt auf die einzelnen Bräuche, wie beispielsweise das Schmücken des Maibaums oder die zahlreichen Lieder. Hardy und Shaffer erzählen in The Wicker Man von einer Parallelwelt, die sich abseits der Zivilisation befindet und nur noch am Rande mit einigen ihrer Aspekte verknüpft ist, wobei der Rückzug zur Natur oder vielmehr einem ursprünglicheren Glauben durchgesetzt hat. Auch wenn einige von ihnen so aussehen, ist es falsch in den Bewohnern der Insel einfach nur Spiegelbilder der Hippies zu sehen, denn ihr Glaube sowie ihre Überzeugung gehen tiefer und funktionieren nach einem klaren System, an dessen Spitze der von Christopher Lee gespielte Lord Summerisle steht.
Die Weisheit des Kollektivs
Es gibt zwei Arten des Glaubens und dessen Praktizierung in The Wicker Man. Während Howie beim Gottesdienst ganz zu Anfang alleine und in sich gekehrt zu sein scheint, ist es bei den Bewohnern der Insel immer das Kollektiv, welches das Fest oder den Brauch ausmacht. Hardy inszeniert dies als eine Art Kulturschock für seine Hauptfigur, die alles, woran sie bisher geglaubt hat, den christlichen Glauben wie auch das Gesetz, aus den Angeln gehoben sieht. Seine Frage, warum man die Sitten auf der Insel so verkommen und warum der Glauben an den christlichen Glauben nicht praktiziert werde, beantwortet Summerisle mit: „Er hatte seine Chance.“ Selten wurde wie in solchen Dialogen die spirituelle Sinnkrise eines Jahrzehnts so aufgegriffen wie in The Wicker Man.
Die Bilder von Kameramann Harry Waxman sowie die Filmmusik Paul Giovannis betonen die folkloristischen Elemente der Geschichte sowie die sich einschleichende Paranoia Howies, der immer mehr die Kontrolle zu verlieren scheint und seine Autorität ausgehöhlt sieht. Letztlich ist es der Konflikt zwischen dem Kollektiv und dem Individuum, der in The Wicker Man ausgetragen wird, was freilich in dem von Hardy zusammengestellten Director’s Cut wie auch dem Finalt Cute des Filmes am besten zur Geltung kommt.
OT: „The Wicker Man“
Land: UK
Jahr: 1973
Regie: Robin Hardy
Drehbuch: Anthony Shaffer
Musik: Paul Giovanni
Kamera: Harry Waxman
Besetzung: Edward Woodward, Britt Ekland, Christopher Lee, Diane Cilento, Ingrid Pitt
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