A Glitch in the Matrix

A Glitch in the Matrix

Inhalt / Kritik

A Glitch in the Matrix
„A Glitch in the Matrix“ // Deutschland-Start: nicht angekündigt

Wenn Kinofans an Matrix denken, erinnern sie sich vielleicht an den Bullet-Time-Effekt, der durch diesen Film wie auch dessen Fortsetzungen berühmt wurde, oder an die Schießerei im Foyer, um nur einige Beispiele für Szenen zu nennen, für die das Werk der Geschwister Wachowski berühmt geworden ist. Darüber hinaus sind es aber auch jene vielleicht beim ersten Sehen weniger spektakulären Momente, denen entweder genauso viel Beachtung gebührt oder welche innerhalb der Handlung einen wesentlich höheren Stellenwert besitzen. Eine dieser Szene ist, als Neo, gespielt von Keanu Reeves, ein Déjà-vu hat und in einem Treppenaufgang zweimal dieselbe Katze zu sehen meint. Was für ihn in dem Moment nur ein Zufall ist, ist für seine Begleitung ein Alarmsignal, denn es bedeutet in der Matrix, der simulierten Welt, in welcher sie sich zu dem Zeitpunkt noch befinden, hat sich etwas verändert. Was für wie eine Science-Fiction-Fantasie anmutet, ist in Wahrheit sehr viel mehr in der Realität und der Wissenschaft verankert, als man glaubt und verweist auf Theorien und Gedanken, die sehr viel älter sind als der Film an sich und schon seit vielen Jahrtausenden das Denken der Menschen bestimmen.

Bis zu den Philosophen des antiken Griechenlands zurückgeht die Theorie von einer simulierten Welt, was in der Moderne mit der Simulationhypothese zusammengefasst wird, welche in erster Linie auf den schwedischen Philosophen Nick Bostrom zurückgeht. Doch bereits lange vor dessen Artikel Are you living in a computer simulation (2003) war es Science-Fiction-Autor Philip K. Dick, der unter anderem die Romanvorlagen für Blade Runner, Minority Report und Total Recall – Die totale Erinnerung schrieb, welcher die Idee einer simulierten Welt, in welcher wir alle leben, ernst nahm und auch außerhalb seiner fiktionalen Romanwelten vertrat. In seiner neuen Dokumentation A Glitch in the Matrix, welche unter anderem auf dem diesjährigen Neuchâtel International Fantastic Film Festival gezeigt wird, geht der US-amerikanische Dokumentarfilmer Rodney Ascher (Room 237) nicht nur den Ursprüngen der These nach, sondern überprüft diese etwas genauer, indem er sich mit Menschen unterhält, die durch ihre Forschung oder ihr Leben an sich den Glauben an die Realität, wie wir sie wahrnehmen, verloren haben oder zumindest skeptisch geworden sind. Dabei geht er auch den Schattenseiten dieses Konzeptes auf den Grund und zu welchen Tragödien ein kompletter oder temporärer Verlust der Realitätswahrnehmung führen kann.

Aufgezeichnete Erinnerungen und NPCs

Wer bereits mit Aschers Room 237 vertraut ist, einer Dokumentation über die verschiedenen, teils sehr speziellen Lesarten von Stanley Kubicks Shining, weiß schon um die Ernsthaftigkeit, mit welcher der Filmemacher selbst den abstrusesten Theorien und Gedankengängen folgt. Ascher nimmt zu keiner Zeit die Gedanken seiner Gesprächspartner an, sondern zeichnet sich durch eine große Neugierde und Anteilnahme aus, speziell, wenn er einen Menschen interviewt, der in einem Anfall von Realitätsverlust eine unbeschreibliche Tat beging und diese nun bereut. Die Gefahren lauern an jeder Stelle, teils sind sich viele der Gesprächspartner, verfremdet als Avatare auf Videospielen oder anderen Zusammenhängen, dem Risiko nicht völlig bewusst. Doch immer wieder ertappt man sich als Zuschauer dabei, dass man ähnliche Gedanken hatte, sei es eine Erinnerung, die sich nicht mit dem Leben, das man bislang gelebt hat, vereinbaren lässt oder eine Veränderung der Vergangenheit, die mit dem eigenen Erleben nicht in Einklang zu bringen ist.

Mittels vieler solcher Gedankenexperimente, unterlegt von diversen Beispielen, Anekdoten sowie Theorien, wie der des eingangs genannten Nick Bostroms, geht von A Glitch in the Matrix eine ungeheure Spannung aus. Die Überzeugung, mit der seine Gesprächspartner reden sowie der Einsatz von Computersimulationen, Verweisen zu Videospielen oder anderer Werke der Popkultur belegen unsere Faszination mit der Simulation an sich, unser Erschrecken Teil von ihr zu sein, doch zugleich unsere Bereitschaft mitzumachen. So bietet Rodney Ascher seinem Zuschauer in erster Linie Diskussions- und Gedankenfutter erster Güte, was weitaus mehr Bedeutung für unser Leben hat als ein paar Videospiel- und Filmszenen vermuten lassen.

Credits

OT: „A Glitch in the Matrix“
Land: USA
Jahr: 2021
Regie: Rodney Ascher
Musik: Jonathan Snipes
Kamera: George Feucht

Trailer

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„A Glitch in the Matrix“ ist ein interessanter Film, dessen Gedanken den Zuschauer, der sich auf die Dokumentation einlässt, nicht mehr loslassen werden. Mit großer Ernsthaftigkeit, mit Bedacht und Neugier zieht Rodney Ascher einen in den Bann der Theorien und Gedanken, die seinen Film ausmachen, was teils ungeheuer spannend ist, aber auch erschreckend.