Courage und Mut sind im allgemeinen Begriffe, mit denen man viel verbindet, Bilder und vielleicht sogar Personen und Gesten. Doch eigentlich bleiben sie uns abstrakt, bis zu dem Moment, wenn wir eine mutige Tat wahrnehmen. Dies kann eine kleine Tat sein, wie das Unterstützen eines Schwachen oder aber auch eine solche, die man in einem größeren Kontext wahrnimmt, wie beispielsweise das Auflehnen gegen ein als ungerecht wahrgenommenes System. Gerade innerhalb einer Diktatur kann alleine das Demonstrieren gegen diese ein Akt der Courage sein, denn in Ländern wie der Ukraine, der Türkei oder in Russland ist die Staatsgewalt nicht gerade zimperlich, wenn es darum geht Gewalt gegen Demonstranten einzusetzen. Immer wieder werden wir durch die Nachrichten Zeuge von Zusammenstößen zwischen der Polizei und Demonstranten, was mittlerweile selbst in demokratisch organisierten Gesellschaften wie Deutschland vorkommt, wenn man sich an die Proteste rund um die Rodung des Hambacher Forst oder den Hamburger G8-Gipfel erinnert.
Auch in Belarus ist nach der letzten Präsidentschaftswahl 2020 das Klima rauer geworden. Nicht erst seit der erzwungenen Landung eines Ryanair-Passagierflugzeuges im Mai 2021 zum Zwecke der Auslieferung eines Regimekritikers, sondern schon vorher ist alleine schon der Akt, die eigene Stimme gegen das System Alexander Lukaschenkos zu erheben, gefährlich geworden. Während viele es in Belarus nicht mehr aushielten und ins Exil flohen, geben andere dennoch nicht auf und haben sich zum Protest entschieden: eine Entscheidung, die sehr viel Mut erfordert und bisweilen einen hohen Preis einem selbst wie auch der Familie abverlangt. In seiner Dokumentation Courage, welche auf der Berlinale 2021 lief und im Rahmen des Mittelpunkt Europa Filmfest gezeigt wird, setzt sich Filmemacher Aliaksei Paluyan mit den Protesten in seiner Heimat auseinander. Am Beispiel von drei Menschen zeigt, wie der Protest gegen das Regime stattfindet und welchen Mut das Leben in einem Land erfordert, dessen System es immer weniger lebenswert macht.
„Wenn du Freiheit willst, nimm sie dir.“
Maryna, Pavel und Denis heißen die drei Protagonisten, die im Fokus von Courage stehen. Während sich Denis für den „Verrat an der Kunst“ entschieden hat und sich in erster Linie um seine Familie sorgt, sind Pavel und Maryna nach wie vor Mitglieder des Ensembles des Belarus Free Theatre. Unabhängig von ihrer Entscheidung für oder gegen das Theater, kreist ihr Leben nach wie vor um den Protest gegen das politische Regime ihres Landes, welches sie als ungerecht, unpatriotisch und restriktiv empfinden. Wenn sich Pavel und Denis treffen und ein naives Lied anstimmen über den Wert der Freiheit hat dies auf der einen Seite etwas sehr Wehmütiges, aber auf der anderen Seite auch sehr Kämpferisches, gerade weil es so naiv und verspielt anmutet, wie beide lachend einander versichern.
Dennoch bestimmt diese Entscheidung zwischen Protest und Familie das Leben nicht nur das Leben der drei Protagonisten, sondern vieler. Die Kamera begleitet, teils in erschreckenden Details die Straßenschlachten, die sich die Demonstranten mit der Polizei leisten, bis hin zu den Tränen der Verwandten, die vor dem Gefängnis darauf warten, dass ihre Lieben endlich entlassen werden. Zu dem Mut, den sie zeigen, gesellt sich die Ungewissheit, derer sich Maryna, Pavel und Denis sicher sein können, und welche in stillen Momenten einen Schatten auf ihr Gesicht wirft. Dennoch überwiegt der Wille zum Kampf, denn das System Lukaschenko kann nicht und darf nicht die Oberhand gewinnen.
OT: „Courage“
Land: Deutschland
Jahr: 2021
Regie: Aliaksei Paluyan
Drehbuch: Aliaksei Paluyan
Kamera: Tanya Haurylchyk, Jesse Mazuch
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