Gerade fertig mit seinem Jurastudium wird der junge Anwalt Ranse Stoddard (James Stewart) von seinem Vater gen Westen geschickt, um Erfahrungen zu sammeln und ein Mann zu werden. Die Reise bringt ihn in den kleinen Ort Shinbone, nahe der mexikanischen Grenze, dessen Bewohner von einem Banditen namens Liberty Valance (Lee Marvin) terrorisiert werden, mit dem Stoddard gleich bei seiner Ankunft zusammentrifft, als seine Postkutsche überfallen wird. Da sich der Anwalt als Einziger gegen den Verbrecher stellt, wird er brutal verprügelt und wird erst Stunden später vom Rancher Tom Doniphon (John Wayne) aufgegabelt, der ihn sogleich in die Stadt bringt und in die Obhut von Hallie Ericson (Vera Miles) und ihrer Eltern übergibt, die den Saloon betreiben. Schockiert über die Zustände in der Stadt, beschließt Ranse endlich Recht und Ordnung nach Shinbone zu bringen, vor allem da der örtliche Sheriff sich als gutmütig, aber wirkungslos erweist. Doch anstatt Valance mit Gewalt in seine Schranken zu weisen, will er dies mittels des Gesetzes tun, wofür Tom nur ein müdes Lächeln übrig hat, denn nur mit Gewalt kann man Liberty zumindest im Zaum halten, weshalb er von dem Gangster und seiner Bande nicht mehr länger belästigt wird.
Jedoch lässt sich Ranse nicht beirren, macht eine Anwaltspraxis in der Stadt auf und verdient sich ein kleines Zubrot als Aushilfe im Saloon. Mit der Zeit vertraut sich ihm nicht nur Hallie an, sondern auch andere der Bewohner, denen er das Gesetz der USA verständlich macht, sie im Lesen und im Schreiben unterrichtet und darüber hinaus sie an die wichtigste ihrer Waffen erinnert, ihre Stimme als Wähler. Schließlich erklärt er ihnen auch, warum die Viehbarone, in deren Dienste Valance steht, ihnen ihr Land wegnehmen und warum dessen Verstaatlichung sinnvoll sei, was ihn abermals in die Zielscheibe des Verbrechers bringt. Entgegen der Warnungen Hallies und Toms Ermahnungen, er möge den Umgang mit einer Waffe lernen, ist Ranse unbeirrt in seinem Vorhaben, Valance und seine Bande mit seinen Waffen, dem Gesetz, zu schlagen.
„Geh nach Westen und finde dein Glück.“
Dank solcher Filme wie Faustrecht der Prärie, Der schwarze Falke und Zwei ritten zusammen gilt Regisseur John Ford wie kein anderer als eine der wichtigsten Figuren im Westerngenre und zudem als eine der einflussreichsten Filmemacher, dessen Werke so unterschiedliche Regisseure wie Akira Kurosawa, Martin Scorsese und David Lean beeinflusste. Einer seiner besten Filme dürfte wohl der in den frühen 1960er Jahren entstandene Der Mann, der Liberty Valance erschoss sein, der nicht nur John Wayne und James Stewart auf der Leinwand das erste Mal vereint, sondern zudem als ein Wegbereiter für das Genre zählen kann. Noch bevor sein Kollege Sergio Leone den Abgesang auf den Mythos des Wilden Westen in Werken wie Spiel mir das Lied vom Tod anstimmte, hatte dies Ford mit seinem Film einige Jahre vorher bereits getan.
Immer wieder begegnet man in den Filmen Fords, wie auch in Liberty Valance, den großen Mythen des Wilden Westens und generell der USA. Die Idee, man müsse einmal diesen Westen gesehen habe, um sich als Mann behaupten zu können, wie es der von Stewart gespielte Ranse Stoddard beschreibt, definiert bereits ganz zu Anfang jene Prämisse von Freiheit und Wildheit, die sich in diesem Land vereint. So sind auch die Figuren Fords, Ranse, Tom oder die Familie Ericson, allesamt Menschen, die diesem Versprechen folgend sich aufmachten, ihr Glück zu suchen, es aufzubauen oder es sich mit Gewalt zu nehmen, wie es der von Lee Marvin gespielte Valance macht.
In der Begegnung zwischen dem „Recht des Stärkeren“ und dem Gesetz, welches Ranse repräsentiert, liegt jedoch noch eine andere Wahrheit. Ford geht es weniger um eine Bestätigung des Amerikanischen Traums, welcher durch harte Arbeit und einen steten Lebensstil, wie ihn Ranse praktiziert, zu erlangen ist, sondern vielmehr um einen Prozess der Politisierung. Liberty Valance ist vielleicht der politischste Film Fords, der diese Entwicklung gleichsetzt mit dem Ende des Wilden Westens.
Der alte und der neue Westen
Anders als die Charaktere Leones, die sich ihrer Vergänglichkeit wohl bewusst sind, scheinen die Überbleibsel jenes Mythos des Stärkeren noch um ihren Status zu kämpfen. Allerdings sind die Symptome eines neuen Westens schon überall zu sehen, von der Eisenbahn angefangen bis hin zu Schulen und Bildung. Fords Inszenierung dieses Wandels scheint diesen eher zwiespältig zu sehen, denn während die Zivilisation dem Verbrechen Einhalt gebietet, zieht im Horizont bereits eine andere dunkle Wolke auf. Ranse will sich mit der Barbarei nicht abfinden und beginnt sogleich seine ersten Manöver gegen das alte Gesetz, wobei sich ihm nicht nur Valance in den Weg stellt. Stewart spielt diesen jungen Mann mit einer gewissen Würde, doch zugleich mit einem Impetus der Veränderung, einer Art Überheblichkeit, sogleich alles besser zu wissen und es auch besser zu machen.
Als Repräsentant des alten Westens ist kaum jemand besser geeignet als John Wayne, auch wenn es am Set immer wieder zu Sticheleien zwischen ihm und Ford kam. Während in vielen Rollen des Schauspielers sich eine gewisse Routine einschlich, die man auch in Der Mann, der Liberty Valance erschoss bisweilen beobachten kann, so mag dies eine seiner besten Vorstellungen sein. Gerade die Entwicklung, in deren Verlauf Toms Welt- und Wertebild sich langsam aber sicher auflöst, spielt Wayne sehr überzeugend, mit einer Mischung aus Wut und Enttäuschung im Bauch.
OT: „The Man Who Shot Liberty Valance“
Land: USA
Jahr: 1962
Regie: John Ford
Drehbuch: James Warner Bellah, Wilis Goldbeck
Musik: Cyril J. Mockridge
Kamera: William H. Clothier
Besetzung: John Wayne, James Stewart, Lee Marvin, Vera Miles, Edmond O’Brien, Andy Devine, Ken Murray, Jeanette Nolan, John Qualen
Preis | Jahr | Kategorie | Ergebnis | |
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Academy Awards | 1963 | Beste Kostüme (schwarzweiß) | Edith Head | Nominierung |
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