Als Christine Lucas (Nicole Kidman) morgens aufwacht, ist der Schock groß: Sie weiß weder, wo sie ist, noch wer der Mann ist, der da neben ihr liegt. Der stellt sich daraufhin als Ben (Colin Firth) vor und gibt an, seit vielen Jahren mit ihr verheiratet zu sein. Dass sie sich nicht an ihn erinnere, läge an einem Unfall, der vor zehn Jahren geschehen ist und in dessen Folge sie das Gedächtnis verloren habe. Seither schaffe es sie es zwar, kurzfristig neue Erinnerungen anzulegen. Doch schon am nächsten Morgen sind diese wieder verschwunden. Der einzige Anhaltspunkt, was sich seither getan hat, liefert ein Videotagebuch, das Christine auf Anraten ihres Therapeuten Dr. Nasch (Mark Strong) heimlich führt. Während sie so nach und nach ihre Vergangenheit zu rekonstruieren versucht, stößt sie auf Hinweise, dass an der Geschichte noch mehr dran ist …
Was war gestern?
In den zuletzt wieder so beliebt gewordenen Zeitschleifenfilmen sieht es das Konzept vor, dass die Protagonisten und Protagonistinnen immer wieder denselben Tag durchleben, dabei aber die einzigen sind, die das wissen. Denn der Rest hat nach dem Reset alles wieder vergessen. Ich. Darf. Nicht. Schlafen. stellt quasi das genaue Gegenteil dar, wenn hier eine Frau lauter verschiedene Tage durchlebt, als einzige sich aber nicht an diese erinnern kann, da ihre Erinnerungen vor vielen Jahren aufgehört haben. Auch das wäre Anlass für Komik gewesen, wie sie bei vielen der obigen Filme zur Anwendung kommt. 50 erste Dates hatte einen solchen wiederkehrenden Gedächtnisverlust im Rahmen einer Liebeskomödie verarbeitet.
Steve Watson, auf dessen Roman Ich. Darf. Nicht. Schlafen. basiert, lässt dieses komische Potenzial aber außen vor. Seine Geschichte betont vielmehr die düsteren Aspekte einer solchen Erkrankung. Denn wer sich an nichts erinnert, wer nicht weiß, was ihm geschehen ist oder was er getan hat, der ist auf eine besonders perfide Weise anderen ausgeliefert. Schließlich können die dir praktisch alles erzählen, während du selbst keine Möglichkeit hast, diese Erzählungen zu überprüfen. Daraus lässt sich einiges an Spannung erzeugen. Bestes Beispiel hierfür ist der immer wieder gern zum Vergleich herangezogene Memento, in dem ebenfalls ein Mensch, der keine Langzeiterinnerungen mehr aufbauen kann, die Wahrheit über sich und seine Vergangenheit sucht.
Aus Liebe zum Unsinn
Zumindest anfangs gelingt es Regisseur und Drehbuchautor Rowan Joffé (The Informer, 28 Weeks Later), der den Roman für die große Leinwand adaptierte, auch vergleichsweise gut, eine solche Spannung zu erzeugen. Da Ich. Darf. Nicht. Schlafen. komplett aus der Perspektive der Protagonistin erzählt wird, darf man zusammen mit ihr im Stil früherer Amnesie-Mysterythriller nach Puzzleteilen suchen. Das Gemeine daran ist, dass man sich nicht einmal sicher sein kann, ob diese Puzzleteile echt sind oder ob da jemand einfach ein paar falsche darunter geschmuggelt hat. Doch aus welchem Grund sollte man das tun? Soll Christine beschützt werden oder steckt etwas anderes dahinter? Und was ist damals wirklich geschehen?
Dass die Ausgangssituation ziemlich konstruiert ist, darf einen dabei natürlich nicht stören. Aber selbst ein Publikum, das großzügiger im Hinblick auf die Glaubwürdigkeit unterwegs ist, muss im weiteren Verlauf recht tapfer sein. Ich. Darf. Nicht. Schlafen. wird da schon mit der Zeit ziemlich unsinnig, das Verhalten der Figuren ist selbst innerhalb dieses Rahmens nicht immer nachzuvollziehen. Zum Ende hin darf man dann völlig verzweifeln. Das der Film zudem interessante Fragen rund um das Thema Identität – kann man ohne Erinnerungen ein Ich sein? – wenig bis gar nicht beachtet, ist das hier inhaltlich alles recht unbefriedigend. Sogar eine ziemliche Enttäuschung nach dem vielversprechenden Auftakt.
Ich muss nicht zusehen
Ansehen kann man sich das alles natürlich trotzdem. So liefert Nicole Kidman eine ansprechende Performance ab als Frau, die weder weiß, was mit ihr geschieht, noch wer sie ist. Bei ihr kommen Zerbrechlichkeit und Kampfeswille zusammen, wenn ihre Figur auf Spurensuche geht. Überhaupt ist dem Ensemble nichts vorzuwerfen. Firth ist undurchsichtig genug, dass man nie ganz aus ihm schlau wird. Und auch wenn der Film zwangsläufig keine große visuelle Abwechslung zulässt – ein Großteil der Geschichte spielt in der Wohnung –, die Bilder können sich sehen lassen. Nur so richtig genug ist das nicht. Ich. Darf. Nicht. Schlafen. ist einer dieser Filme, die nicht so sehr deswegen frustrieren, weil sie schlecht sind. Sie frustrieren, weil bei dem Szenario und der Besetzung sehr viel mehr hätte draus werden müssen.
OT: „Before I Go to Sleep“
Land: USA
Jahr: 2014
Regie: Rowan Joffé
Drehbuch: Rowan Joffé
Vorlage: Steve Watson
Musik: Ed Shearmur
Kamera: Ben Davis
Besetzung: Nicole Kidman, Colin Firth, Mark Strong
Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.
(Anzeige)