Im Vorfeld zu einem Treffen mit einem Menschen, den man bewundert oder in den man gar verliebt ist, will man sich meist von seiner besten Seite zeigen. Die Hoffnungen, die man mit der Verabredung verknüpft, kommen zusammen in dem Maß an Vorbereitung, die man investiert, angefangen beim richtigen Outfit bis hin zur korrekten Frisur. Letztendlich steigert man sich vielleicht sogar in eine Vision hinein, wie dieser Moment aussehen oder verlaufen könnte, doch die Realität sieht vielleicht anders aus und enttäuscht einen. Der Friseursalon, ein Ort, der für die erwähnte Vorbereitung unerlässlich ist, spielt dabei eine besondere Rolle, treffen dort doch sowohl die hohen Erwartungen – an das Treffen und an sich selbst – zusammen, genauso wie die Folgen des Treffens, von denen man in den Unterhaltungen bisweilen schon hört.
Dieses Konzept spielt für Sunrise in my Mind, den zweiten Kurzfilm der kambodschanischen Regisseurin Danch San, eine wichtige Rolle. Im Zentrum der Handlung steht Pich (Madeza Chhem), eine junge Frau, die in einem Friseursalon arbeitet, meist sehr lange und bis tief in den Abend hinein. Während die Kolleginnen um sie herum entweder Feierabend machen oder sich in Klatsch und Tratsch über ihr Liebhaber verlieren, wirkt Pich eher reserviert, wobei ihr Interesse einem jungen Lieferfahrer gilt, der mit seinen Kollegen ganz in der Nähe des Salons arbeitet. Als ihre Schicht langsam zu Ende geht und sie sich auf den wohlverdienten Feierabend freut, betritt auf einmal der Fahrer den Laden und will bedient werden.
Die Magie der ersten Begegnung
Abgesehen von einer kurzen Sequenz spielt sich die Handlung von Sunrise in my Mind, der auf dem diesjährigen Filmfest Dresden zu sehen ist, nur in den vier Wänden des kleinen Friseur- und Nagelsalons ab, in welchem Pich arbeitet. Der Kontrast zum nächtlichen Phnom Penh ist nicht nur wegen der Helligkeit des Salons beträchtlich, sondern noch wegen anderer Aspekte, treffen sich doch in diesem Ort jene Vorstellungen von Liebe und Romanze, mit denen der ernüchternden Realität, welche die Friseusen erfahren haben oder eben die Kundinnen. Fast wirkt der Salon wie eine Art Zwischenwelt, in welcher jemand wie Pich dazu beiträgt, dass jene Illusion perfekt ist und die Erscheinung eines Menschen vollkommen ist. Dabei bricht Sans Drehbuch dieses Konzept immer wieder ironisch durch den herzhaften Klatsch der Damen, die davon reden, wie beispielsweise ihre Hochzeitsnacht so gar nicht jenen Vorstellungen entsprochen hat, die man gemeinhin mit diesem besonderen Ereignis in einem Leben verknüpft.
Jedoch spielt der Handlungsort oder die Tätigkeit Pichs noch eine andere, wesentlich interessanter Rolle. Wie unlängst in Peter Stricklands Cold Meridian ist alleine der Akt des Haarewaschens erfüllt von einer gewissen Erotik, einer taktilen Sensation, die beide Parteien auskosten, was durch Vincent Villas Sounddesign wie auch die Bilder von Kameramann Jeremiah Overman noch hervorgehoben wird. Über Gesten wird hier eine Ebene der Intimität erreicht, welche nichts zu tun hat mit den kitschigen Seifenopern oder den davon abgeleiteten Erwartungen an Romantik und Liebe, was Sunrise in my Mind eine nicht unerhebliche Spannung und Faszination gibt.
OT: „Sunrise in my Mind“
Land: Kambodscha
Jahr: 2020
Regie: Danech San
Drehbuch: Danech San
Musik: Jérôme Harré
Kamera: Jeremiah Overman
Besetzung: Madeza Chhem, Vicheka Yorn, Bopha Neng, Chanra Chin
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