Als Sir Gawain (Dev Patel) von seinem Onkel, dem mächtigen König Arthur (Sean Harris), darum gebeten wird, eine Geschichte aus seinem Leben zu erzählen, muss dieser – zu seinem eigenen Bedauern – antworten, er könne dies nicht. Denn noch habe er nichts erlebt, das es wert wäre, erzählt zu werden. Als auf einmal der mysteriöse Green Knight (Ralph Ineson) vor der versammelten Tafelrunde auftaucht und die Männer herausfordert, sieht Gawain deshalb seine Stunde gekommen. Wer im Kampf gegen den Fremden diesem einen Schlag mit der Waffe versetzen kann, der soll dessen Axt bekommen. Im Gegenzug müsse er aber ein Jahr drauf einen Schlag von derselben Härte akzeptieren. Gawain nutzt die Gelegenheit, um seinem Widersacher den Kopf abzuschlagen, und lässt sich hierfür von den anderen feiern. Ein Jahr später heißt es jedoch, die Reise anzutreten und den Preis für seinen Sieg zu begleichen …
Eine Reise ohne klares Ziel
David Lowery gehört sicher zu den spannendsten Regisseuren unserer Tage, auch weil bei ihm noch keine wirkliche Linie zu erkennen ist. Da folgt auf das fantasievolle Familienabenteuer Elliot, der Drache das nachdenklich-todtraurige Drama A Ghost Story. Im Anschluss drehte der US-Amerikaner schließlich die tragikomische Geschichte Ein Gauner & Gentleman um einen Mann, der selbst als Rentner noch Banken ausraubt und dabei ausgesprochen höflich bleibt. Bei einer derartigen Vielfalt ist die Neugierde verständlicherweise groß, wann immer ein neuer Titel angekündigt wird. Vor allem, wenn sich um diesen mehrere Legenden kreisen – siehe das mehrfach verschobene The Green Knight, welches die unterschiedlichsten Reaktionen beim Publikum auslöst.
Dieses Mal nahm sich der Filmemacher eines echten Klassikers an: Sir Gawain and the Green Knight. Dabei handelt es sich um eine Geschichte aus dem Umfeld der Arthur-Saga, die vermutlich im 14. Jahrhundert niedergeschrieben wurde. Im Mittelpunkt steht dabei aber nicht der weise und mutige König selbst, sondern dessen Neffe, der sich seine Sporen erst noch verdienen muss. In der Textfassung muss dieser einige Abenteuer überstehen, von denen die meisten aber nur angeschnitten werden. Im Mittelpunkt stehen die Prüfungen in einem abgelegenen Schloss und natürlich die Begegnung mit dem Green Knight, der ihm den Regeln des Kampfes entsprechend den Kopf abschlagen darf. Worauf Gawain aus naheliegenden Gründen keine Lust hat.
Unbestimmt bedrohliche Atmosphäre
Lowery übernahm diese beiden Hauptpunkte, erzählt drumherum aber noch von anderen Begegnungen, die oftmals mit Gefahren verbunden sind. Doch auch wenn sich die Beschreibung danach anhört und die Vorlage darauf schließen lässt: Um ein klassisches Fantasyabenteuer handelt es sich bei The Green Knight nicht. Wer sich etwas Entsprechendes erhofft, wird von dem Ergebnis enttäuscht sein, zumindest aber verblüfft. Actionszenen gibt es praktisch keine. Die ständige Bedrohung, der Gawain ausgesetzt ist, wird allein durch die Atmosphäre ausgedrückt. Immer wieder begegnet der junge Mann Menschen und anderen Kreaturen, die etwa eine direkte Gefahr darstellen oder bei denen man es gar nicht so wirklich weiß, wer sie sind und was sie wollen.
Und das gilt nicht nur für die Figuren. The Green Knight lebt von seiner rätselhaften Stimmung. Von dem Gefühl, durch eine Welt zu irren, aus der man nie ganz schlau wird und bei dem vieles nicht das ist, was es vorgibt zu sein. Lowery hat deshalb einen Film vorgelegt, der Nachgrübeln und Interpretieren nicht nur anregt. Das wird hier fast schon obligatorisch, sofern man darauf besteht, dass die Geschichte einen Sinn ergibt. Alternativ kann man sich natürlich auch einfach zurücklehnen und die düsteren Bilder genießen, die immer irgendwo zwischen Naturalismus und Traum wechseln. Zu sehen gibt es schließlich einiges, Kameramann Andrew Droz Palermo (One & Two) hat betörende Aufnahmen einer Welt der Mythen und Sagen geschaffen, die in der Vergangenheit angesiedelt ist und dabei doch außerhalb der Zeit zu existieren scheint.
Eine Entwicklung, die keine ist
Irritierend ist dabei aber nicht allein, dass vieles hier unerklärt bleibt, man sich nicht einmal sicher sein kann, dass das überhaupt Sinn ergeben soll. Auch die Entwicklung des Protagonisten hinterlässt Fragen. Im Original wie auch bei vielen anderen ähnlich gelagerten Texten geht die äußere Reise mit einer inneren Reise einher, wenn der Held unterwegs wächst, stärker wird, lernt, was richtig und was falsch ist. Bei Lowery wird Gawain zu jedem, der sich irgendwie einfach treiben lässt und ohne klar zu erkennende Psychologie mal das Richtige, mal das Falsche tut. Der im einen Moment überheblich und selbstsüchtig ist, nur um im nächsten auf einmal eine großzügige Seite zu zeigen. Natürlich handelt The Green Knight von einem jungen Mann, der auf der Suche ist und sich dadurch hin und her reißen lässt. Zumal es da auch noch die Erwartungen von anderen gibt, die zu erfüllen sind.
Dennoch verabschiedet sich The Green Knight von der traditionellen Auffassung einer solchen Entwicklungsreise. Die einzelnen Stationen und Szenen bauen nicht aufeinander auf, zeigen keine klare Richtung. Sie sind einfach nur da, hätten herausgeschnitten werden können, ohne dass es jemandem aufgefallen wäre. Auch in der Hinsicht macht es einem Lowery also nicht ganz einfach, lässt einen mit vielem allein, verweigert dabei die eindeutige Belohnung, die es am Ende solcher Geschichten gibt. Das ist trotz allem sehenswert, allein schon der unglaublichen Bilder und der starken schauspielerischen Leistungen wegen. Man muss sich aber auf diese poetisch-abstrakte Erzählweise einlassen können, um hier bis zum Schluss des Abenteuers dranbleiben zu können.
OT: „The Green Knight“
Land: USA
Jahr: 2021
Regie: David Lowery
Drehbuch: David Lowery
Musik: Daniel Hart
Kamera: Andrew Droz Palermo
Besetzung: Dev Patel, Alicia Vikander, Joel Edgerton, Sarita Choudhury, Sean Harris, Ralph Ineson, Kate Dickie, Barry Keoghan
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