Groß ist die Begeisterung bei Elena (Valeria Golino) nicht, als eines Tages Willi (Claudio Santamaria) plötzlich vor ihrer Haustür steht. Schließlich hat der sie damals schwanger sitzen lassen. 16 Jahre ist das inzwischen her, Elena ist glücklich mit Mario (Diego Abatantuono) verheiratet, der Vincent (Giulio Pranno) wie sein eigenes Kind aufgezogen hat. Und so schickt sie ihn sofort wieder weg, verbietet ihm jeden Kontakt zu dem Sohn. Dummerweise hat der autistische Jugendliche jedoch diese Auseinandersetzung mitangehört und beschließt, sich heimlich auf die Ladefläche von Willi zu schleichen, um so seinen Vater kennenzulernen. Bis dieser das aber mitbekommt, hat er längst die Landesgrenze überschritten, denn der der Sänger und Lebemann plant eine Reihe von Auftritten. Nach einem ersten Schock entscheidet er, die Gunst der Stunde zu nutzen und das Vergangene nachzuholen – sehr zum Missfallen von Elena, die sich um ihren Sohn sorgt …
Endlich zusammen!
Kaum ein Genre ist wohl besser dafür geeignet, um zwei Menschen zusammenführen, als das des Roadmovies. Der Gedanke dahinter: Gemeinsame Erlebnisse schweißen zusammen, zumindest wenn sie aufregend, lustig oder zumindest irgendwie ungewöhnlich sind. Während auf diese Weise zwei Leute, manchmal auch mehr durch die Gegend fahren, kommen sie sich näher. Besonders beliebt ist dieser Trick, wenn im Mittelpunkt zwei Personen stehen, die sich irgendwie entfremdet haben, siehe etwa das Drama Mein Sohn um eine schwierige Mutter-Sohn-Konstellation. In Für immer Sommer 90 versuchen drei alte Schulfreunde ihre Schulzeit und die damit verbundenen alten Ichs wieder aufleben zu lassen und müssen dabei feststellen, dass sich doch viel seither geändert hat.
Vincents Welt folgt grundsätzlich auch diesem Schema, mit einem wichtigen Unterschied: Die beiden Protagonisten kannten sich bislang nicht, wussten voneinander praktisch nichts. Aber was nicht ist, das kann ja noch werden. Und so zeigt uns der italienische Regisseur und Co-Autor Gabriele Salvatores (Mediterraneo), wie ein Mann, der bislang nie Verantwortung für etwas übernehmen wollte, und ein Sohn, der sich nach seinem Vater sehnte, eine Verbindung aufbauen. Das ist grundsätzlich natürlich immer etwas fürs Herz. Wer freut sich nicht, wenn Familien zusammenfinden? Umso mehr, wenn dann auch noch ein gewisser Läuterungsprozess damit einhergeht, weil der nichtsnutzige Nicht-Vater zu einem besseren, fürsorglichen Menschen wird.
Netter Film ohne Tiefgang
Auch in der Hinsicht fährt das italienische Drama, welches bei den Filmfestspielen von Venedig 2019 Weltpremiere feierte, auf recht bekannten Wegen umher. Wenn überhaupt, dann ist es die Figur des Vincents, die Vincents Welt etwas von der zahlreichen Konkurrenz abhebt. Schließlich leidet der an einer Form von Autismus, wenngleich Salvatores sich nicht die Mühe macht, das weiter auszuführen. Es wird vielmehr ein wenig dazu missbraucht, um die Annäherung noch ein bisschen schwieriger zu machen. Denn wie will man sich mit jemandem austauschen, der in einer eigenen Welt zu leben scheint? Immerhin: Nachwuchsschauspieler Giulio Pranno (Sicherheit) tut eine Menge dafür, um seiner Figur Leben einzuhauchen und mehr zu sein als eine Ansammlung von Ticks. Immer wieder geht er bis an seine Grenze.
Dafür sowie die eine oder andere schön bebilderte Szene kann man sich das schon anschauen. Man sollte dabei aber eine Vorliebe für etwas süßliche Filme haben, die sich mit Kalendersprüchen eindecken, anstatt auch mal irgendwo ein bisschen hinter die Fassade zu blicken. Wer gar nicht den Anspruch hat, hier etwas tatsächlich Neues zu erfahren, kann sich mit dem Roadtrip aber schon die Zeit vertreiben. Vincents Welt ist ein netter Film, der trotz Dramatik nie weh tut, das Geschehen zudem mit kleineren Beispielen skurrilen Humors auflockert. Ein Film also, den man sich ein bisschen zur eigenen Aufmunterung anschaut, der aber nicht wirklich etwas zu sagen und zu erzählen hat, auch wenn er einem vom Gegenteil zu überzeugen versucht. Der auch immer etwas zu übertrieben ist, um wirklich als Geschichte durchzugehen, die aus dem Leben gegriffen ist – selbst wenn er auf einer wahren Geschichte basieren soll.
OT: „Tutto il mio folle amore“
AT: „Volare“
Land: Italien
Jahr: 2019
Regie: Gabriele Salvatores
Drehbuch: Umberto Contarello, Sara Mosetti, Gabriele Salvatores
Musik: Mauro Pagani
Kamera: Italo Petriccione
Besetzung: Valeria Golino, Giulio Pranno, Diego Abatantuono, Claudio Santamaria
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