Wiedersehen in Howards End
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Wiedersehen in Howards End

Inhalt / Kritik

Wiedersehen in Howards End
„Wiedersehen in Howards End“ // Deutschland-Start: 29. Oktober 1992 (Kino) // 22. Februar 2018 (DVD/Blu-ray)

Als sich die vermögende Ruth Wilcox (Vanessa Redgrave) mit der um einige Jahre jüngeren Margaret Schlegel (Emma Thompson) anfreundet, denken sich ihre Angehörige nicht viel dabei. Schließlich kennen die beiden Familien sich schon länger. Doch die Entscheidung von Wilcox, nach ihrem Tod das Familienanwesen Howards End dieser Bekanntschaft zu vermachen, geht dann doch zu weit. Dass es dies zu verhindern gilt, steht völlig außer Frage. Zu einem klaren Bruch kommt es dennoch nicht. Im Gegenteil: Der verwitwete Henry Wilcox (Anthony Hopkins) hat selbst Gefallen an Margaret gefunden. Gleichzeitig sorgt deren jüngere Schwester Helen (Helena Bonham Carter) für Probleme, als sie sich vehement für den einfachen Angestellten Leonard Bast (Samuel West) einsetzt …

Der schöne Schein

Wiedersehen in Howards End, das hört sich eigentlich nett an. Eine freundliche Begrüßung, die man der Familie oder vielleicht auch Freunden gegenüber bringt. Doch wer die Werke des britischen Schriftstellers E. M. Forster kennt, der weiß, dass dieser Eindruck trügt. Immer wieder hat er sich in seinen Romanen mit den weniger schönen Facetten menschlichen Beisammenseins auseinandergesetzt. Und das zieht sich auch durch die diversen Verfilmungen, die in den 1980ern und 1990ern erfolgten. So befasste sich Zimmer mit Aussicht (1985) mit Klassenunterschieden, einem der Hauptthemen von Forster. Maurice (1987) wiederum stellte die unmögliche Liebe zweier Männer in den Mittelpunkt – eine Beziehung, die an den Moralvorstellungen der Gesellschaft scheiterte.

In Wiedersehen in Howards End (1992), die dritte und wohl bekannteste Adaption eines Romans von Forster durch den Regisseur James Ivory, greift diese Elemente wieder auf. Tatsächlich sind es zwei Themengebiete, die im Zentrum des Dramas stehen. Das erste umfasst die angesprochenen Klassenunterschiede, wenn drei Familien mit deutlich unterschiedlichen Hintergründen aufeinandertreffen. Familie Wilcox ist konservativ und schwer reich, besteht auf Traditionen und überlieferten Ansichten. Die Schlegels sind immer noch Mittelschicht, wenngleich eine Stufe unter Wilcox, dafür freiheitsliebend. Und dann wären da noch die Basts, einfache Angestellte, die nicht das Geld haben, um auf Augenhöhe zu agieren und deshalb Regeln unterworfen sind, die für die anderen nicht gelten.

Zwischen Regeln und Gefühlen

Dem gegenüber steht die Gefühlswelt, die sich nicht so leicht im Zaum halten lässt. Immer wieder lassen sich Figuren von ihren Leidenschaften leiten, was auch schon mal jemanden in den Ruin treiben lässt. Vor allem Helen dient hier der Verkörperung: Sie ist von Emotionen getrieben, was bei der steifen Familie Wilcox auf nur wenig Gegenliebe stößt. Margaret wiederum dient in Wiedersehen in Howards End als eine Art Bindeglied zwischen den verschiedenen Welten. Sie versucht zu vermitteln und die Extreme irgendwie zusammenzuführen – mit mal mehr, mal weniger Erfolg. Denn auch wenn hier und da tatsächlich etwas Bewegung in die starren Konstrukte der Gesellschaft kommt, am Ende ist auch sie machtlos. Die Regeln können gebeugt, aber nicht gebrochen werden.

Das verleiht Wiedersehen in Howards End eine deutlich fatalistische Note. Wo etwa bei Jane Austen die Heldinnen gegen das repressive System triumphieren und die Welt für einen Moment zu einem besseren Ort machen, da zeigt sich Forster deutlich pessimistischer. Es ist nicht einmal so, dass der Film eindeutige Heldinnen hat. Auch wenn die Schlegel-Schwestern dafür prädestiniert sind, im Zweifel zeigen sie sich ebenso selbstsüchtig wie die anderen. Sie haben nur nicht die Macht, das alles durchzusetzen. Und selbst das Ende, welches einiges wieder zurechtrücken wird, ist sehr bitter, fordert einen hohen Preis. Das Leben ist nicht gerecht, wo wird klar. Eine Szene bringt die Doppelmoral auf den Punkt, lässt einen als Zuschauer bzw. Zuschauerin fassungslos bis wütend zurück.

Prächtige Verkommenheit

Kontrastiert wird diese innere Verkommenheit durch ein umso edleres Dekor. Die Settings sind prachtvoll, die Kostüme aufwendig. Es gibt da schon einiges zu sehen, weshalb Wiedersehen in Howards End für Fans von Historiendramen mehr als einen Blick wert ist. Hinzu kommt ein starkes Ensemble, welches das Spiel mit der Fassade beherrscht. Sonderlich viel Handlung sollte man hingegen nicht erwarten. Das über zwei Stunden dauernde Drama besteht überwiegend aus Dialogen, die sich nur vereinzelt mal zu einem Streit intensivieren. Zwischendurch wird auch gar nichts gesagt, wenn sich einiges nicht in Worte fassen lässt oder gezielt unausgesprochen bleiben soll. Denn über manches darf in diesen Kreisen nicht gesprochen werden. Das ist einfach so. Da kann noch so freundlich und zivilisiert willkommen geheißen werden, Regeln sind Regeln, selbst wenn diese nicht für alle gelten.



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„Wiedersehen in Howards End“ ist eine prächtig ausgestattete und exzellent besetzte Adaption des gleichnamigen Romans von E. M. Forster. Wie so oft dreht sich hier alles um Klassenunterschiede und Doppelmoral, um starre Regeln, die aber nicht für alle gleichermaßen gelten. Das ist schön anzusehen, ist gleichzeitig ernüchternd bis fatalistisch, wie hier am Ende jeder doch nur für sich selbst kämpft.
8
von 10